chevron_left
chevron_right

Die Wolke im IT-Himmel

Zwar befassen sich viele Unternehmen mit Cloud Computing, verhältnismässig wenige aber beziehen Computerleistungen von den riesigen Serverfarmen, die es bereits gibt. Die Zurückhaltung hat Gründe. Ein Blick hinter die Rechner-Wolke.

Eugen Albisser - Cloud Computing ist der momentane Trendbegriff in der IT-Branche. Und er könnte es auf lange Zeit bleiben. Denn die Begeisterung ist gross, die Ziele und die Investitionen der Anbieter riesig – das Wort revolutionär macht sich breit. Google, IBM, HP, Microsoft, Amazon, Salesforce und viele weitere Anbieter geben sich dermassen euphorisch, dass man meinen könnte, das Anzapfen von Software und Rechnerleistungen aus der Wolke sei die Lösung zu allem. Wenn Cloud Computing aber die Lösung ist, fragt sich manch einer, wie denn eigentlich das Problem lautete? Oder anders gefragt: Weshalb klammern sich Unternehmer weiterhin an ihre eigenen Server im Keller?

Christof Zogg*: «Für Verwirrung beim Cloud Computing sorgt sicher, dass Anbieter unterschiedliche Versprechen abgeben. Das hat auch damit zu tun, dass es keine klare und breit abgestützte Definition von Cloud Computing gibt. In erster Linie definiert sich aber Cloud Computing als Bezug von Computerleistung wie Software, Applikationsplattformen und Infrastruktur aus riesigen IT-Fabriken – einer Cloud. Ein grosser Unterschied zum Beispiel zum Hosting ist, dass die benötigten Rechnerressourcen in genau der benötigten Menge bereitstehen, also auch beliebig skalierbar sind, und man auch nur die IT-Leistungen bezahlt, die man benutzt (pay-per-use).»
Aus einer solchen Definition heraus ergibt sich, dass es sich bei Cloud Computing zwar um Technologien handelt, aber es auch als Geschäftsmodell gesehen werden muss. Denn ein wesentliches Merkmal ist nicht das mehr oder weniger etablierte Zusammenspiel von zentralen Servern und dezentralen Clients, sondern ein Paradigmenwechsel um die Verantwortlichkeit beim Bereitstellen der Hard- und Softwareinfrastruktur. Und hier muss man drei Levels oder Instanzen von Clouds unterscheiden. Mit jedem Level verliert ein Unternehmen zwar Freiheitsgrade, befreit sich aber von eigener IT-Arbeit (siehe Grafik). «IaaS – Infrastructure as a Service» ist der erste Level. Hier wird sämtliche Rechner-Infrastruktur zur Verfügung gestellt wie Archivierungssysteme etc. «PaaS – Platform as a Service» ist der zweite Level, und hier werden integrierte Laufzeit- und Entwicklungsumgebung als ein Dienst zur Verfügung gestellt. Beim dritten Level, «SaaS – Software as a Service», wird die Software bei einem Dienstleister entwickelt und betrieben. Der Endnutzer benötigt nur noch einen Account für den Zugriff auf die bereitgestellte Software.

«Die Vorteile von Cloud Computing liegen auf der Hand. Kurz gesagt sind dies Skalierbarkeit, Agilität, hoher Servicelevel und eine Konsteneffizienz. Man kann also die Bedürfnisse – die Computerpower – schnell skalieren, falls das Bedürfnis da ist, und die Kunden bezahlen nur, was sie brauchen. Sie bezahlen also nicht dieses «Grundrauschen» für eventuelle Spitzenlasten, die man bei eigenen Servern notwendigerweise dazuinstallieren musste. Da sind also die wirtschaftlichen Aspekte. Sie haben eine höhere Effizienz und Flexibilität der IT und sie wissen beim Servicelevel, dass beim Anbieter für jede Art der Tätigkeit ein Fachmann vorhanden ist. Zum Beispiel verfügen sie immer über die aktuellste Software, obwohl im Unternehmen niemand dafür verantwortlich ist.»

Trotz dieser Vorteile nehmen in der Schweiz laut einer Umfrage nur gerade 11,5 Prozent aller Unternehmen Cloud-Computing-Services in Anspruch und 13 Prozent planen es zu tun. Der grosse Rest aber hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht oder sich bereits dagegen entschieden. Doch die Anbieter glauben fest an die virtuelle Rechnerwolke und stecken Milliarden von Franken in fussballfeldgrosse Serverfarmen und entwickeln in rasantem Tempo Programme und Produktionswerkzeuge, um die Unternehmen abzuholen. So präsentierte zum Beispiel Siemens PLM-Software vor Kurzem die erste cloud-basierte Qualitätsmanagementlösung für Industriekunden. Die Anwendung nutzt Microsofts Windows Azure als Cloud-Plattform. Das Produkt soll Teil einer Reihe von Projekten sein, die Siemens PLM-Software derzeit gemeinsam mit Microsoft umsetze. Beide Unternehmen validieren, wie PLM in einer Cloud-Umgebung gewinnbringend für die Fertigungsindustrie eingesetzt werden kann. «Wir wollen, dass unsere Unternehmenskunden einen maximalen Return-on-Investment aus ihren IT-Investitionen ziehen. Erstklassige Cloud-Computing-Lösungen sind ein wichtiger Bestandteil zur Erfüllung dieses Anspruchs», heisst es bei Microsoft.

Für eine grössere Akzeptanz von Cloud Computing müssen noch ein paar Hürden genommen werden. Diese liegen vor allem im Bereich Datensicherheit und Verfügbarkeit.

«Es geht bei Firmen ja allgemein um den Kontrollverlust der IT-Prozesse, und daher tauchen die Fragen auf: Wo werden meine Daten gespeichert? Was passiert, wenn der Anbieter nicht mehr existiert? Wie bekomme ich dann meine Daten zurück? Wie einfach ist das Wechseln des Cloud-Anbieters? Rechtlich gibt es viele Unsicherheiten, besonders wenn die Daten im Ausland gelagert werden und auch um die unternehmensinternen IT-Vorschriften (Compliance). Beim unerlaubten Zugriff auf Daten aber kann man davon ausgehen, dass die Sicherheitsanstrengungen bei den Anbietern zwangsläufig meistens höher sind als bei vielen Unternehmen. Ausserdem müssen Firmen nicht alles auslagern, es werden weiterhin beide Welten bestehen bleiben: die Rechner in den Wolken und jene im Keller. Also kann man sich vorerst die Frage stellen, wie weit man gehen will, welche Levels – IaaS, PaaS oder SaaS – man braucht und daher, wie viel Freiheit und Kontrolle man behalten oder weggeben will.»

* Die Zitate (und die Grafik) von Christof Zogg, Leiter der Abteilung Developer & Plattform Group bei Microsoft Schweiz, stammen von seinem Vortrag zum Thema «Cloud Computing – und was das Ihrer Unternehmung bringen kann». Diesen hielt er Ende September bei der regelmässig stattfindenden Veranstaltung «Info-Shipment» der Noser Engineering AG, einem führenden Software-Dienstleistungsunternehmen in der technischen Informatik.

www.microsoft.ch
www.noser.com