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Vergoldete Kupferförderung

Bei einem niedrigen Kupfergehalt im Erz müssen Minenbetreiber extrem effizient fördern. In Schweden hat die Firma Boliden deshalb 790 Millionen Dollar investiert. ABB war mit ­ihren Schlüsselkomponenten aus der Energie- und Automatisierungstechnik an dieser ­Erneuerung beteiligt. Ein Augenschein in Gällivare.

Eugen Albisser – Die geografischen Koordinaten von Gällivare lauten: 67° 8’ N, 20° 40’ O. Umgerechnet liegt das Städtchen also rund 70 km über dem nördlichen Polarkreis. Wintertemperaturen um –42 °C sind in diesem Teil des schwedischen Lapplands keine Seltenheit. Ein paar Kilometer abseits von Gällivare mit seinen rund 8500 Einwohnern klafft ein grosses Loch: der Kupfertagebau Aitik des schwedischen Bergbauunternehmens Boliden. Die Grube hat in etwa die Fläche der Stockholmer Innenstadt: rund 3 km lang und 1 km breit. Die Teufe liegt bei 400 m. Bald sei sie ausgeerzt, hiess es vor ein paar Jahren. Das prophezeite Ende von Aitik: 2016. Nicht dass es kein Kupfererz mehr gäbe in der Mine, doch der Metallgehalt lag nie höher als bei 0,4 Prozent. Und je tiefer die Bagger in die Vererzungszone drangen, desto mehr schwand die Konzentration. Heute beträgt sie noch 0,27 Prozent, während in Chile zum Beispiel Erz gefördert wird mit einem durchschnittlichen Kupfergehalt von etwa einem Prozent.
«Wir sahen im 2006 aber, dass es möglich ist, die Mine gewinnbringend weiterzuführen bis zum Jahr 2025, wenn wir die Produktivität verdoppeln und die Produktionskosten verringern», sagt Jan Moström, Leiter des Bergbaugeschäfts bei Boliden. Zwei Faktoren begünstigten diesen Entschluss: Erstens ist die Nachfrage nach Kupfer stark gestiegen – der Preis pro Tonne liegt zurzeit bei hohen 7800 Franken und wird laut Experten weiter steigen. Und zweitens kann man mit den heutigen Möglichkeiten der Automatisierung wesentlich effizienter produzieren.

Leistungstärkste Mahlanlage der Welt
Die Schweden haben daher die firmeneigene Rekordsumme von 790 Millionen Dollar in das Modernisierungsprojekt investiert; 84 Millionen gingen davon an ABB, welche die Schlüsselprodukte lieferte. 650 Motoren für Förderbänder, Pumpen, Lüfter, Zerkleinerungsmaschinen, Mahlwerke und die Prozessausrüstung; dazu 230 Antriebe und drehzahlgeregelte Antriebe, um die Leistung der Elektromotoren zu regeln; zwei 2 x 5-MW-Antriebssysteme mit doppelten Antriebsritzeln (Dual-Pinion) für RMD-Mühlen; vier 1,4-MW-Permanentmagnetmotoren für die Schlammpumpen; 23 Verteiltransformatoren für die Antriebssysteme; eine gasisolierte Schaltanlage (170 kV) und drei 80-MVA-Leistungsumwandler für die Unterstation; dazu Oberwellenfilter für die gesamte Anlage und 201 Felder mit Niederspannungsschaltanlagen (400 bis 690 V) für die Energieverteilung in der Anlage.
Aber um die jährliche Fördermenge von 18 Millionen Tonnen auf 36 zu verdoppeln, waren noch weitere ABB-Produkte nötig. Zum Beispiel die in der Schweiz hergestellten getriebelosen Antriebssysteme für zwei Erzmühlen mit der gigantischen Leistung von 22,5 MW. «Das ist zurzeit die leistungsstärkste Mahlanlage der Welt», erklärt Sten Jakobsson, Präsident von ABB in Nordeuropa. Dabei wird der Motor rund um die Mühle positioniert, die zylindrische Trommel der Mühle fungiert als Rotor. Der Ringmotor alleine misst fast 20 m. Diese Antriebe erreichen, dass jede der beiden Autogenmühlen rund 2200 t Erz pro Stunde zermahlen, 106 000 t pro Tag.
Dass die Mitarbeiterzahl lediglich 10 Prozent stieg (neu: 550), dafür sorgt der hohe Automatisierungsgrad, zu dem natürlich ein Prozessleitsystem beiträgt. Es überwacht, steuert und regelt alle Geräte, Systeme und Prozesse auf der weitläufigen Anlage in einer einzigen Betriebs- und Engineeringumgebung. In der Kupfermine Aitik ist das «Extended Automation System 800xA» von ABB im Einsatz. Tausende von Sensoren liefern Daten, sodass im Kontrollraum mit dem Dutzend Monitoren auf den Pulten und an der Frontwand keine Leistungseinbusse unregistriert bleibt.
Auf einem Bildschirm haben die verantwortlichen Mitarbeiter die ganze Mine im Blickfeld. Ein Kreis mit laufend wechselnden Daten daneben stellt etwa den Brecher direkt in der Mine dar, der das Gestein auf einen Durchmesser von 30 cm zerkleinert. Dicke Striche auf dem Bildschirm zeigen das 7 km lange Förderband an, welches das Erz mit bis zu 4 m/s zu einer riesigen Halle führt, dem Konzentrator. Dort stehen, symbolisch angezeigt, die Mühlen, die das Erz mechanisch weiter zerkleinern und dann in Tanks mittels der Flotationstechnik in mit Chemikalien versetztem Wasser aufschwemmen. Nur der letzte Schritt wird nicht mit dem 800xA überwacht: Denn das in Aitik produzierte Endprodukt – ein Konzentrat mit einem Metallgehalt von rund 30 Prozent – wird dann per Bahn ins 400 km entfernte Hüttenwerk bei Rönnskär transportiert, wo im Schmelzverfahren das reine Kupfer gewonnen wird – und auch das in Aitiks Erz ebenfalls vorhandene Gold (1 g/t) und Silber (2 g/t).

Vermeiden von Spitzenlasten
«Die Plattform 800xA ist einzigartig», sagt Andre Inserra, Leiter der ABB-Geschäftseinheit Bergbau, «denn sie integriert nicht nur die Automatisierung, sondern auch die Elektrifizierung und die Energieverteilung und das Energiemanagement.» Somit stehen den Benutzern mit dieser Plattform wirklich alle wesentlichen Informationen der Anlage zur Verfügung für den vereinheitlichten Betrieb von Prozessautomation und elektrischer Automation. Daraus ergeben sich zwangsweise unschätzbare Vorteile. ABB beschreibt diese in einer Broschüre folgendermassen: «Erlaubt die angestrebte Produktivität einer Anlage keine Prozessunterbrechungen, lassen sich dank der integrierten Kommunikation optimierte Störfallszenarien für Lastabschaltungen realisieren. Der Anlagenfahrer ist sofort in der Lage, die verfügbare Energie optimal einzusetzen. Gerade in Industriebereichen mit einem sehr hohen Energiebedarf lässt sich die Produktion verbrauchsorientiert optimieren und kostenintensive Spitzenlasten lassen sich vermeiden.»
Die modernisierte Mine in Gällivare wurde Ende August eingeweiht. Sie ist eine der effizientesten und höchst automatisierten Minen der Welt und wird bereits als Massstab für die künftige Erzproduktion gehandelt. Die ABB hat zusätzlich auch die Serviceverträge bekommen. Die Wartungskosten werden erheblich tiefer sein als zuvor für die Betreiberfirma Boliden. Denn in die Automatisierungsplattform lassen sich Softwarekomponenten integrieren für die vorbeugende Instandhaltung, welche schlussendlich die Faktoren der Gesamtanlageneffektivität (GAE) erhöhen: den Verfügbarkeits-, Leitungs- und Qualitätsfaktor. «Aitik ist für ABB ein enorm erfolgreiches Projekt», sagt Andre Inserra, «bereits laufen ähnliche Automatisierungsprojekte rund um den Globus.»
www.abb.ch
www.boliden.com