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Ohne Schmierstoffe läuft auch in Zukunft nichts

Auch in Zukunft kommt die Industrie nicht ohne Schmierstoffe aus. Schweizer Experten forschen deshalb intensiv nach neuen Möglichkeiten. Der Bildungs- und Forschungsfonds des VSS lubes hat spannende Projekte in der Pipeline. Ein Interview mit Jan Fiala-Goldinger, Geschäftsleiter des Verbands der Schweizerischen Schmierstoffindustrie (VSS lubes), zeigt die Entwicklungstendenzen auf.

«TR»: In der Motorentechnik gibt es grosse Fortschritte. Braucht es da überhaupt noch Schmierstoffe?

Dr. Jan Fiala-Goldiger: Ja – ohne Schmieren geht es nicht. Das wäre gegen die Physik! Denn wenn Motoren oder Maschinen sich bewegen, entsteht Reibung. Reibung erzeugt Wärme und winzigen Abrieb – kleine Späne. Bei den Verbrennungsmotoren entstehen zudem Verbrennungsrückstände. Damit der Motor oder die Maschine nicht «verstopft», müssen diese störenden Materialien entfernt werden. Schmierstoffe sind als Werkstoff also nicht wegzudenken. Sie erfüllen nämlich mindestens drei Funktionen: sie reduzieren die Reibung, sie kühlen das erhitzte Material und sie führen Störmaterialien weg. Falls die Reibung anders als über Schmierstoffe reduziert würde, blieben immer noch die Aufgaben «Kühlen» und «Abtransport von Störmaterialen» übrig. Ich sehe also nicht, wie es ohne Schmierstoffe gehen sollte.

Welche Ziele verfolgt die Forschung im Bereich der Schmierstoffe?

Grundsätzlich geht es darum, Schmierstoffe robuster und nicht anfällig zu machen – das ist zum Teil ein Widerspruch in sich. Mögliche Lösungen betreffen den Stoff, aus dem die Schmierstoffe gewonnen werden. Statt auf Erdölbasis, können Schmierstoffe beispielsweise chemisch hergestellt werden. Ein anderer Ansatz besteht darin, dass die Oberflächen der sich reibenden Materialien aus neuartigem Werkstoff sind. So hat der Bildungs- und Forschungsfonds des VSS lubes beispielsweise ein Projekt unterstützt, bei dem es um Oberflächen aus diamantenähnlichen Kohlenstoffen ging. Diese verhalten sich anders und brauchen zur Reduktion der Reibung keine Schmierstoffe. Diese neuen Werkstoffe sind aber äusserst kostspielig und ihre Lebensdauer, wie beispielsweise in den Formel-1-Rennwagen, noch sehr kurz.

Sind solche Oberflächen die Zukunft?

Kohlenstoffhaltige Materialen, Teflon oder Kevlar – organische Kunstfasern – werden heute schon verwendet, doch haben sie einen enormen Nachteil: Sie verursachen sehr hohe Kosten. Deshalb werden sie nur für Gebiete mit kleinen Stückzahlen eingesetzt – vor allem in speziellen Bereichen wie der bereits erwähnten Formel 1, in der Raumfahrt, für Satelliten oder für Maschinen in der Pharmaindustrie. Über den Bildungs- und Forschungsfonds BFF unterstützt der VSS lubes die aktive Suche nach anderen Lösungen – sei es bei den Schmierstoffen oder bei den Oberflächen und ihren Grundlagenforschungsaufgaben. Das ist zwar Zukunftsmusik, doch erhoffen sich die Forscher und die Schmierstoffbranche Erkenntnisse, die für andere Entwicklungen genutzt werden können und den heutigen Stand der Technik insgesamt weiterbringen.

Was halten Sie von der Neuentdeckung «Schmierstoff Wasser»?

Wasser ist der älteste Schmierstoff überhaupt, also sicher keine Neuentdeckung! Bereits die Ägypter haben ihn zu den Anfangszeiten der Schmierstofftechnologie mindestens ein paar hundert Jahre lang eingesetzt. Sie haben den Schmierstoff Wasser weiterentwickelt, indem sie Olivenöl und Sand hinzufügten – so konnten sie die riesigen Steine für die Pyramiden bewegen. Auch heute reicht Wasser als Schmierstoff einfach nicht aus. Die Verarbeitungspräzision, -geschwindigkeit, die Kosten oder die Zeit, sind alles Faktoren, die eine Verbesserung der Schmierstoffe erheischen.

Wer forscht in der Schweiz im Bereich Schmierstoff?

Die wichtigsten aktiven Institutionen sind die Empa, die ETHZ, die Universität Basel, das PSI und die Berner Fachhochschule in Biel. Alle arbeiten aktiv mit Forschenden anderer Länder zusammen. So waren beispielsweise im Mai am Tribology Meeting der ETH Zürich Forscher aus der Schweiz, aus Frankreich, Deutschland, England, Indien und den USA anwesend.

Welches sind die aktuellen Trends in der Forschung rund um Schmierstoffe?

Sicherlich sind die Trends in den verschiedenen Anwendungsgebieten der Schmierstoffe sehr unterschiedlich. In der Automotiv-Industrie werden Schmierstoffe mit längeren Ölwechselintervallen und für neuartige Antriebsmotoren entwickelt. Denken Sie hier nur als Beispiel an die Hybrid-Motoren. Weiter dürfen diese Schmierstoffe immer weniger potenziell umweltschädliche Stoffe wie Schwermetalle enthalten. Und nicht zuletzt bei der Verbrennung im Motorenraum sollen die Schmierstoffe immer weniger Verbrennungsrückstände produzieren, sogenannte low SAPS-Schmierstoffe. In der Metallverarbeitung geht der Trend zu kleineren Mengen und besserer Anwenderverträglichkeit der Kühlschmierstoffe, das heisst, die Effizienz der Kühlschmierstoffe wird weiter gesteigert – eine kleinere Menge muss die gleichen Aufgaben erfüllen. Aufgrund der unterdrückten Bakterienentwicklung wird die Verträglichkeit mit der Haut verbessert und/oder sind die Standzeiten länger.

Nach welchen Kriterien sucht der Bildungs- und Forschungsfonds (BFF) des VSS lubes die zu unterstützenden Projekte aus?

Primär steht der BFF für Aus- und Weiterbildungszwecke zur Verfügung, das heisst die Finanzierung der Informationsanlässe, Kurse und Ausbildungsunterlagen. Weiter beteiligen wir uns an den Projekten, in welchen die allgemeinen Kenntnisse der Reibung (Tribologie), die Einflüsse der Schmierstoffe und der Werkstoffe erhöht werden können. Die Hauptbedingung ist jedoch, dass diese Kenntnisse dann der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Welche Projekte haben Sie in der Pipeline?

Unser Fonds hat sich an den Studien der Emissionseinflüsse der Katalysatorenalterung beteiligt. Hier geht es um mehrjährige Untersuchungen mit verschiedenen Fahrzeug- und Treibstofftypen auf die Emissionen. Weiter haben wir uns an der Entwicklung und Charakterisierung von neuen Traceradditiven für die Neutronenradiographie zur Visualisierung von Schmier- und Kraftstoffen beteiligt. Eine weitere Beteiligung haben wir bei der Entwicklung eines energieeffizienten, vollvariablen Ventilantriebs.

Wie entwickelt sich die Schmierstoffbranche in der Schweiz?

Wir freuen uns über gute aktuelle Zahlen: Die im Inland abgesetzten Mengen des zweiten Quartals 2010 zeigen 7 Prozent höhere Mengen gegenüber dem zweiten Quartal des Jahres 2009. Die Mengen des zweiten Quartals 2010 liegen auch fast um 1100 Tonnen höher gegenüber dem ersten Quartal 2010. Auf der Seite der Exportmengen konnte zudem ein kräftiger Anstieg gegenüber dem zweiten Quartal 2009 registriert werden. Das Plus beträgt 43 Prozent! Hier muss man die
innovative Stärke der Schweizer Firmen hervorheben, da alle Grundmaterialien importiert werden und die Schmierstoffmischungen für spezielle Anwendungen und von ausgezeichneter Qualität exportiert werden. Dies hilft auf der anderen Seite, dass die importierten Schmierstoffprodukte auch sehr hohe Qualitätsstandards erfüllen.

Wer sind die Kunden der Schmierstoffbranche Schweiz?

Unsere Mitglieder liefern zum einen Innovationen und Spezialitäten an die Schweizer Industrie, zum anderen haben sie einen wachsenden Exportanteil. Dieser kommt vorwiegend aus der Industrie, in welcher Kühlschmierstoffe bei der Metallverarbeitung oder Schmierstoffe in speziellen Baumaschinen eingesetzt werden.

www.vss-lubes.ch

vss-lubes@iriswirz.com