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Innovatives Design als profundes Verkaufsargument

Der weltweit aktive Industriedesigner Jürgen R. Schmid arbeitet auch in der Schweiz mit Unternehmen zusammen, die ihren Produkten das gewisse Etwas verleihen wollen. Ein ansprechendes, ergonomisches und bedienfreundliches Äusseres ist dabei längst nicht alles.

(re) Auftraggeber aus der Schweiz haben für Industriedesigner Jürgen R. Schmid einen besonderen Reiz: «Sie sind präzise wie das legendäre Schweizer Uhrwerk und wollen das auch auf dem Weltmarkt kommunizieren», sagt der 54-jährige Inhaber des Designbüros Design Tech im schwäbischen Ammerbuch. Aktuell ist das Unternehmen bei zwei Schweizer Maschinenbauern aktiv, die aber aus Wettbewerbsgründen nicht genannt sein wollen. Bei einem Werkzeugmaschinenbauer traf Schmid auf folgende Ausgangslage: Der Hersteller hatte zwei Maschinentypen im Programm, die sich äusserlich und auch beim flüchtigen Blick ins Innere kaum unterschieden. Alles war solides Schweizer Engineering. Allerdings arbeitete die doppelt so teure 4- bis 5-Achsen-Drehmaschine mit Toleranzen von ± 2 µm erheblich präziser als ihre preisgünstigere Schwester.

Drei Varianten vorgestellt
«Diesen Mehrwert wollten wir durch ein hochwertigeres Design kommunizieren, damit sich der Vertrieb nicht immer dumm und dusselig reden muss, um die Preisdifferenz zu rechtfertigen», begründet der Technikchef. Mehr noch: Die rund 1 Mio. Franken teure Maschine, die aus bis zu 2000 kg schweren Metallblöcken Maschinen- und Getriebeteile drehen kann, wird vor allem in der Luftfahrtindustrie eingesetzt. Diesem Premiumsegment wollte der Hersteller mit einer Drehmaschine gerecht werden, die ihrerseits in allen Details Premium ist. Gleichzeitig aber wollte er damit auch seinen Anspruch als Technologieführer geltend machen, denn von einer dermassen mit Image aufgeladenen Marke würde das gesamte Produkt-Portfolio profitieren, so die Überlegung. Schnell hatte sich die Geschäftsleitung für Jürgen R. Schmid entschieden, hatte dieser doch mit den renommierten Werkzeugmaschinenherstellern MAG und Makino schon zweimal international seine Kompetenz unter Beweis gestellt. Mit einem eintägigen Workshop, bei dem von Entwicklung über Produktion bis zu Vertrieb alle relevanten Fakten und Erwartungen auf der ersten Führungsebene erhoben wurden, begann die Zusammenarbeit. Dabei setzte Design Tech eine Checkliste mit rund 120 Parametern ein, um sämtliche Aspekte systematisch zu erfassen. Es folgte eine Wettbewerbsanalyse, in der die Designer ermittelten, wo der Wettbewerb steht, welches die relevanten Fakten für eine Kaufentscheidung sind und was eine Maschine erfolgreich macht. Eng zusammen hing damit eine Anwenderbefragung und -beobachtung. Dabei stand im Mittelpunkt, was Bediener an den Maschinen schätzen, was sie stört und worin eine Verbesserung bestehen könnte. Konkret stellte sich dabei unter anderem heraus, dass die Öffnung oben grösser sein müsse, um ein tonnenschweres Werkstück besser von oben in die Maschine einführen zu können. Im vierten Schritt folgte eine Ergonomiestudie, wonach etwa Bedienoberflächen besser zugänglich sein sollten, um dicht mit dem Körper davor stehen und dabei in das Bearbeitungszentrum blicken zu können. Dann wurde ein Modell im Original-Massstab gebaut, an dem verifiziert wurde, ob sich die Maschine leicht montieren, rüsten, bedienen, reinigen und warten lässt. Erst jetzt folgte die eigentliche Designidee, die Schmid in drei Varianten von konservativ über gemässigt bis provokativ unterbreitete. «Mit diesem Kniff können wir dem Kunden das Spektrum der Möglichkeiten aufzeigen, damit er sich am sichersten für die seiner Situation angemessenste Variante entscheiden kann», erläutert Jürgen R. Schmid. Die Schweizer entschieden sich für die Designkonzeption, die am weitesten vom Status quo und den Mitbewerbern entfernt lag. Lohn solchen Mutes ist eine Marktdifferenzierung, die Alleinstellungsmerkmale und hohen Markenwert stiftet. Im konkreten Fall lag die Idee darin, dass die teurere Maschine aus der Distanz deutlich grösser wirkt, aus der Nähe durch feine Details einen höherwertigeren Eindruck macht und in der Bedienung ihre ergonomischen Vorteile entfaltet. Im siebten Schritt folgte nun die Abstimmung der Technik auf das Design, beispielsweise die Integration der zuvor aufgesetzten Klimageräte in die Verkleidung, sowie der Bau eines Prototyps. Dieser entsprach optisch bereits zu 95 Prozent dem definierten Ziel, in Details und Kosten aber erst zu 85 Prozent der Vorgabe. Im Feintuning näherten sich die Akteure den 100 Prozent, indem etwa das Klimagerät anders positioniert, ein Lieferant gewechselt und ein Material substituiert wurde oder eine Verkleidung mit einem Trägerelement verschmolz, sodass Synergien entstanden. Der Designprozess endete mit dem Einstieg in die Serienproduktion. Im konkreten Fall dauerte dieser Prozess ein Jahr, wobei die ersten sechs Schritte bis zur Designidee acht Monate umfassten, in denen primär Fakten gesammelt und aufbereitet wurden.

Faktenrecherche als Grundlage
«Im Gegensatz zu den Konstrukteuren, die nur systematisch gestalten, arbeiten wir in der Faktenrecherche auch methodisch, designen dann aber aus dem Bauch heraus, womit das Kreative in den Prozess einfliesst», führt Jürgen R. Schmid aus. Der Kunde, jedenfalls, war angetan: «Die Kompromisslosigkeit, mit der Design Tech bis in alle Details hinein das definierte Ziel umsetzt, ist ebenso verblüffend wie erfolgreich.» Im konkreten Fall wurden die vorherigen Farben Rot und Hellgrau durch Anthrazit und Weiss ersetzt. Die starken Kontraste brachten mehr Ordnung in die Gestaltung. Diese wurde durch geometrische Strukturen sowie grosse, helle Flächen zusätzlich ruhig und elegant. Die dunkel gehaltenen Bedienflächen visualisierten zudem die Aktionsflächen. Dadurch, dass Materialzuführung und Werkzeugmagazin zusammengefasst wurden, wirkt das Entree wuchtiger und die Maschine damit grösser als ihre preisgünstigere Schwester. Verstärkt wurde diese Optik dadurch, dass die breiteste Fläche an der Front und nicht an der Seite sitzt. Zum Gesamteindruck der Grösse tragen die Trittflächen und Griffe bei, die nicht – wie beim Vorgängermodell – aufgesetzt und angestückelt wirken, sondern Teil der Gesamtgestaltung sind. Die senkrecht angeordnete Beschriftung lässt die Maschine in Summe höher wirken. Dass die Maschine nicht nur grösser wirkt, sondern auch durchdachter, bewirken die dunklen Bedienelemente und die hohe Verarbeitungsqualität kleiner Spaltmasse, Hochglanz-lackierte Bleche und pfiffige Details.

Design Tech im Profil
1983 gegründet, arbeitet das Designbüro Design Tech, Ammerbuch (DE), heute ausschliesslich für markt- und technologieführende Unternehmen im B2B-Bereich. Ein Schwerpunkt liegt auf Maschinen- und Anlagenbau sowie Medizinaltechnik. Design Tech erzielt mit 10 Mitarbeitern einen Honorarumsatz von rund 1,5 Mio. Euro pro Jahr. Mehr als 100 Designpreise wie Reddots und iF Awards belegen die Kreativität und Kompetenz von Jürgen R. Schmid und seinem Team. Im Gegensatz zu den Konstrukteuren, die nur systematisch gestalten, arbeitet Design Tech in der Faktenrecherche auch methodisch, designt dann aber aus dem Bauch heraus, womit das Kreative in den Prozess einfliesst. Das 40-Mitarbeiter-Unternehmen HandlingTech trumpft mit einem Produkt für die Automatisierungstechnik auf, das selbst den Marktführern einiges Voraus hat und so Marktanteile hinzugewinnt.
www.designtech.eu