chevron_left
chevron_right

Experimentierbühne für Zukunftstechnologien

In den Labors von IBM Research, Zürich, schlug 1981 die Geburtsstunde der Nanotechnologie, als Heinrich Rohrer und Gerd Binnig den Effekt des Rastertunnelmikroskops entdeckten. Am 17. Mai 2011 öffnete das nach den beiden Nobelpreisträgern benannte gemeinsame Forschungszentrum für Nanotechnologie von IBM und ETH Zürich seine Tore in Rüschlikon.

Seit IBM ihre europäische Zweigstelle für Forschung 1956 in der Schweiz ansiedelte, betreibt sie hier nicht nur Spitzenforschung in zukünftigen Informationstechnologien, sondern pflegt den Kontakt mit Hochschulen und Industriepartnern. Die zehnjährige strategische Partnerschaft von IBM Research mit der ETH Zürich führte nun zum gemeinsamen Forschungszentrum für Nanotechnologie, eine beispielhafte Public-Private-Partnership. Doch wozu ein 950 m2 grosser Reinraum für Mikro- und Nanofabrikation und «Noise-free Labs», Labors der Sonderklasse für extrem empfindliche Messungen und Experimente.

Pionierleistungen für unsere Zukunft
Ein Schwerpunktthema aus dem Spektrum an Forschungsaktivitäten ist etwa die Weiterentwicklung von Computer- und Elektronik-Bauelementen. Um dem passiven Energieverbrauch moderner Elektronikschaltungen ein Schnippchen zu schlagen, untersuchen IBM-Forscher neuartige Schaltelemente. Ein Ansatz ist der Nano-Elektro-Mechanische (NEM) Logikschalter. Er kommt speziell dort zum Einsatz, wo robuste Technologien mit geringem Energiebedarf gefragt sind, wie in fernbedienten und autonomen Geräten und in rauer Umgebung. Die geplante NEM-Schalterplattform für digitale Logik könnte sich als zehnmal energieeffizienter und robuster als CMOS-basierte Logik erweisen und ist kostengünstiger. Die beweglichen Siliziumteile zeichnen sich durch hervorragende mechanische Eigenschaften und geringe Masse aus, was rasches Schalten und hohe Zuverlässigkeit ermöglicht. Der elektrische Kontakt erlaubt ein zuverlässiges Schalten auf Nanoebene, zudem resultiert der einfache Herstellungsprozess in geringen Kosten. «NEM-Schalteranwendungen eignen sich ideal für autonome Sensorknoten, industrielle, Automobil- und Weltraumanwendungen sowie drahtlose Geräte», erklärt Dr. Michel Despont, Manager Nanofabrication bei IBM Research, Zürich. «Nun untersuchen wir neuartige Systemarchitekturen, mit denen sich NEM-Schaltermerkmale besser nutzen lassen.»
Ein weiteres Beispiel solch innovativer Forschung ist die mikrofluidische Sonde für fortgeschrittene Pathologie. Bei der MFP (microfluidic probe) handelt es sich um eine vielseitige, kontaktlose Abtasttechnologie, welche Picoliter von Chemikalien auf Oberflächen lokalisiert. Eine MFP detektiert etwa Krankheitsmarker auf Oberflächen von biologischen Proben, was
speziell dort nützlich ist, wo die Beschaffung von genauen Informationen über den Gesundheitszustand eines Individuums mit Biopsieproben Probleme aufwirft. Dank MFP ist hundertmal weniger Fläche nötig, um den Krankheitsmarker zu entdecken, und die Erkennung erfolgt weitaus genauer und schneller.

Auf Stärken fokussieren
Gemeinsam mit den Kollegen der ETH Zürich geht es auch um Self-assembly und die Integration komplexer Strukturen. Angepeilt ist die Entwicklung kosteneffizienter Fertigungstechniken für komplexe, funktionelle Systeme und für Materialkombinationen, die mit herkömmlichen Top-Down-orientierten Verfahren nicht möglich sind. Die Selbstanordnung verläuft parallel und wesentlich schneller als Pick-and-Place, zudem sind gewisse Objekte zu klein für Letzteres.
In der kapillaren Anordnung ziehen die Wissenschaftler eine wässerige Partikelsuspension kontrolliert über eine hydrophobe Schablone. Die Partikel werden gefangen und an definierten geometrischen Merkmalen der Schablone durch Kapillarkräfte positioniert. Im Printing-Verfahren – der Soft Lithography (Mikrokontakt-Stempeldruck) – erfolgt der Druck der Partikelanordnungen durch eine elastomere Schablone auf ein Substrat, was einen hohen Ertrag verspricht.
Bei der Anordnung und dem Drucken von Metallnanopartikeln wie etwa sphärischen Goldteilchen oder Gold-Nanostäbchen erreichen die Forscher eine hohe Auflösung bis zu einzelnen Partikeln. Anwendungen der gedruckten Nanostrukturen zeigen sich in der Spektroskopie oder als Sicherheitsmerkmale.
Gedruckte Anordnungen von Sub-Mikrometer-Polymerpartikeln lassen sich als Resist in Ätzprozessen nutzen. Dabei sind sogar grössenselektive Anordnungen von Polymerkügelchen möglich.
In die Partnerschaft werden auch die Kollegen jenseits des Atlantiks einbezogen, beispielsweise, wenn es um das hoch innovative direkte Schreiben von Nanostrukturen mit AFM-basierten Nanosonden geht. In einem Projekt des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) arbeiten nebst der ETHZ die Forscher von IBM Research, Almaden, mit.
Das Arbeitsprinzip besteht in der lokalen Verdampfung von organischem Resist-Material durch eine heisse Sondenspitze. Damit lässt sich mit hoher Geschwindigkeit und Auflösung in 3-D direkt auf ein Substrat schreiben und die Strukturtiefe genau steuern. «Das Verfahren erweist sich als konkurrenzfähig gegenüber Elektronenstrahllithografie», so Michel Despont. «Seine Vorteile sind die In-situ-Kontrolle und -Messung, der benutzerfreundliche AFM-artige Betrieb und die ultraschnelle Turn-Around-Time im Bereich weniger Minuten.» Das entstandene Prototyp-Werkzeug arbeitet in einem Scanbereich von 50 x 50 µm, erreicht eine Pixelschreibrate bis zu 1 MHz und eine Positionierungsgenauigkeit von unter 10 nm.

Schweizer Wirtschaft profitiert
«Zwar arbeiten unsere Forschungsteams schon lange in Projekten zusammen, doch nun unter einem Dach können wir unsere Kompetenzen stärker bündeln und vernetzen, mit einer einzigartigen Infrastruktur exzellente Forschung betreiben und attraktive Ausbildung für den Nachwuchs anbieten», kommentiert Dr. Michel Despont, der am Seiko Instrument Research Laboratory in Japan Erfahrung sammelte, seit 1998 bei IBM Research in Rüschlikon forscht und im Bereich Nanotechnologie über dreissig Patente hält. «Zudem schaffen wir so eine Plattform für Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft.» Wie dies funktioniert, zeigen zwei Projekte mit Industriepartnern, unterstützt von der Förderagentur für Innovation KTI.
Tatsache ist, dass heute Computerrechenzentren 2 Prozent des weltweiten Energiekonsums verursachen. Es entstand deshalb die Idee, Experten aus dem Bereich Erfassungssysteme, Gebäudetechnologie und fortgeschrittene Steuerungs- und Systemtheorie zusammenzubringen, um eine dynamisch optimierte Kühlung von Rechenzentren zu entwickeln.
Gemeinsam mit der Siemens Schweiz AG Building Technologies und der ZHAW in Winterthur gilt es nun, mit Analyse, Modellieren, Simulation und experimenteller Überprüfung in realen Rechenzentren aufzuzeigen, dass die Optimierung mit geschlossener Rückführung den Energieverbrauch drastisch senken kann.
In einem anderen KTI-Projekt nahm IBM zusammen mit der ETHZ, der Université de Neuchâtel und einem Industriepartner das Problem der Mikroelektronikgeräte in Angriff. Mit stets kleineren Abmessungen und rascheren Betriebsgeschwindigkeiten wächst deren Wärmebelastung massiv. Gesucht war ein leistungsstarkes Kühlsystem. Zuerst schufen die Projektpartner eine Plattform für thermische Messung und Simulationsmethoden und entwickelten eine Nanopartikelsynthese für das Kühlmittel. Die Resultate nutzten sie, um der Natur nachempfundene, baumartige Mikrokanalsysteme mit erhöhtem Wärmetransfer und minimiertem Druckverlust zu entwerfen. Das Kühlmittel mit Nanopartikeln wurde optimiert und die Systemleistung durch Computermodellierung überprüft. Mit kostengünstigen Herstellprozessen entstand ein Prototyp, dank dem die Forscher die Eignung und Lebensdauer auf Hochleistungs-Computersystemen testen und diese mit konkurrierenden Methoden vergleichen konnten.
Der Schulterschluss von IBM Research, Zürich, und ETHZ in Nanotechnologie ist ein Vorzeigemodell und stärkt den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz. Er verleiht auch der Lehre neue Impulse, tummeln sich doch am Standort Rüschlikon stets Postdoktoranden, PhD-Anwärter und Sommerstudenten mit rund vierzig Nationalitäten, vorwiegend aus Europa.

www.zurich.ibm.com/nanocenter