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5plus-achsige Zerspanung etabliert sich

Die Fräszerspanung mit fünf oder mehr Maschinenachsen hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht und gewinnt weiter an Bedeutung. Weiterentwicklungen über die gesamte Prozesskette haben die Produktionsmittel dieses Bearbeitungsverfahrens «demokratisiert» und für eine breitere Anwenderschaft einsetzbar gemacht. Dieser Trend setzt sich fort, und die 5plus-achsige Bearbeitung wird sich am Markt noch stärker etablieren. - Thomas Schnider

Gegenüber der dreiachsigen hat die fünfachsige Zerspanung den Vorteil, dass ein Werkzeug in einer beliebigen Orientierung relativ zur Werkstückoberfläche geführt werden kann. Diese Orientierung kann einerseits genutzt werden, um das Werkstück optimal gegenüber dem Werkzeug auszurichten und dann dreiachsig zu bearbeiten (Mehrseitenbearbeitung und Bearbeitung mit fixierten Rundachsen), andererseits, um vor allem bei Freiformflächen durch kontinuierliche Nachführung der Orientierung optimale Prozessbedingungen zu erreichen (simultane fünfachsige Bearbeitung).
Vor allem die simultane fünfachsige Bearbeitung war lange das Alleinstellungsmerkmal einiger weniger Firmen, die diese Technik über die gesamte Prozesskette beherrschten. Andererseits sind die Werkstücke immer anspruchsvoller geworden: Die geometrische Komplexität und die Anforderungen an die Formgenauigkeit sowie die Glattheit der Oberflächen steigen stetig, und zudem werden immer schwieriger zu zerspanende Materialien eingesetzt. Hohe Investitionen und Ausbildungsaufwendungen sowie fehlende Standardisierung waren häufig Gründe, dass sich die fünfachsige Bearbeitung erst jetzt breiter durchzusetzen beginnt –
und dies mit Recht, denn diese Technik hat sich stark weiterentwickelt.
Steife Maschinenkonstruktionen, direkte lineare und rotative Antriebe, schnelle und dynamische Achsen und nicht zuletzt auch präzise kinematische Aufbauten in verschiedenen Variationen ermöglichen es heute, dass viele fünfachsig simultan einsetzbare Werkzeugmaschinen auf dem Markt sind. Auch die Steuerungstechnik hat grosse Fortschritte gemacht. Während vor einigen Jahren schnelle Kompensationsbewegungen bei simultanen Fünfachsbewegungen – zum Beispiel bei der Schlichtbearbeitung von Turbinenschaufeln – einigen Steuerungsanbietern noch Mühe bereiteten, ist dieses Problem heute gelöst.

Spannmittel spielen wichtige Rolle
Komplexe Bearbeitungssysteme zu beherrschen und wirtschaftlich zu betreiben, ist heutzutage ohne entsprechende Software-Unterstützung nicht denkbar. Auch hier hat sich hinsichtlich Durchgängigkeit sowie Erlern- und Bedienbarkeit einiges getan. Werkstück-Produktdaten können direkt in CAD-/CAM-/Simulations-Systeme übernommen werden. Die Programmiersysteme sind heute so weit ausgereift, dass die einzelnen Bearbeitungsschritte einfach programmiert, verwaltet, modifiziert und hinsichtlich Kollisionen und Materialabtrag überprüft werden können. Dies geht sogar so weit, dass in den Simulationen die kinematischen Bewegungen nicht nur emuliert werden, sondern Steuerungsalgorithmen gängiger Steuerungen hinterlegt sind. So lässt sich prüfen, ob die zwischen Werkzeug und Werkstück definierten Prozessparameter (Relativbewegung des Werkzeugs zum Werkstück, Vorschub, Drehzahl) überhaupt auf der zur Verfügung stehenden Maschine physikalisch und regelungstechnisch zu realisieren sind.

Prozess steht im Mittelpunkt
In der Umgebung des Werkstücks spielt natürlich auch das Spannmittel eine wichtige Rolle. Um selbst bei knapp gespannten Werkstücken eine sehr gute kollisionsfreie Zugänglichkeit des Werkzeugs sicherzustellen, sind neue, flexible Werkstück-Spannsysteme auf dem Markt. Dadurch kann das Werkstück in einer Aufspannung bearbeitet werden, was sich positiv auf die Spannmittelkosten (nur eine flexibel einsetzbare Aufspannung erforderlich) und die Genauigkeit der Bearbeitung (kein Umspannen erforderlich) auswirkt.
Einer der wichtigsten Aspekte bei dieser Technik ist das Wissen um den Zerspanprozess und den Einsatz von Werkzeugen. Auch die Werkzeuge wurden stark weiterentwickelt und weiter an die Applikationen angepasst. Bei der Werkzeugauswahl und der Definition von Prozessparametern wie Schneidgeschwindigkeiten und Vorschub ist viel Erfahrungswissen mit im Spiel. Beispielhaft hier einige Punkte, die bei der fünfachsigen Bearbeitung eine wichtige Rolle spielen:

  • möglichst kurze, stabile und eventuell hinterschliffene Werkzeuge für kollisionsfreie und stabile Prozessbedingungen
  • mehrschneidige Werkzeuge, wo es die Dynamik eines modernen Bearbeitungszentrums für höhere Abtragsleistungen zulässt
  • Werkzeuge mit dynamisch geteilten Schneiden für ruhige und schwingungsarme Schruppbearbeitungen sowie zur Reduktion von Schneidkräften
  • Einsatz von Torusfräsern bei der Schlichtbearbeitung, um konstantere Prozessbedingungen zu erhalten und die Schlichtleistung zu erhöhen
  • Einsatz von Innenkühlung (Emulsion oder Druckluft) speziell bei schwer zerspanbaren und zähen Werkstoffen, um die Standzeiten zu steigern, die Prozesssicherheit zu verbessern und die Späneabfuhr sicherzustellen
  • Auswahl geeigneter Drall- und Spanwinkel, abhängig vom zu zerspanenden Material, für optimale Prozessbedingungen sowie maximale Standzeiten
  • Werkzeuge mit optimierten Hartmetall-Substraten, die durch bessere Zähigkeiten, Härten und Rissempfindlichkeiten eine höhere Standzeit aufweisen

Die fünfachsige Zerspanung ist noch lange nicht ausgereizt und wird sich weiter etablieren. Weitere Optimierungen und zusätzliche intelligente Funktionen werden diese Technik noch besser einsetzbar machen. Dies geht heute so weit, dass erste Maschinenanbieter das hochpräzise Ausmessen der Werkzeuge in der Maschine anbieten, was patchartiges prozesssicheres Bearbeiten von Flächen mit verschiedenen Werkzeugen mit perfekten Übergängen zwischen den Flächenabschnitten im Mikrometerbereich ermöglicht. Einer der Schwerpunkte aber wird nach wie vor beim Technologiewissen liegen. Fachspezialisten von Werkzeuganbietern können den Anwender bei Auswahl und Einsatz des optimalen Werkzeugs unterstützen. ¡


Brütsch/Rüegger Werkzeuge AG
8902 Urdorf, Tel. 044 736 63 63
info@brw.ch, www.brw.ch


Thomas Schnider, Leiter Bereich Fertigungstechnik, Brütsch/Rüegger Werkzeuge AG, Urdorf