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Organische Elektronik im Visier

Im September weihte das CSEM sein neues Entwicklungszentrum für «Polytronics» in Muttenz ein. Nur ein Steinwurf von der FHNW entfernt, nahe seiner Reinräume im Basler Rosental-Quartier und dem Partner BASF, setzt das CSEM auf die Zukunftstechnologie der organischen Elektronik.

(eh) Organische Elektronik ist dabei, die Elektronik zu revolutionieren dank dünnen, leichten und flexiblen Devices, die kostengünstig für den Einmalgebrauch herstellbar sind. Polytronik – das Verknüpfen von Polymeren und Elektronik zu «intelligenter Plastik» – basiert auf organischen Materialien, elektrisch leitenden und halbleitenden Kunststoffen, die als Substrat oder als funktioneller Werkstoff zum Einsatz kommen. Fast jeder Wirtschaftszweig gerät in den Sog der Polytronik-Revolution: das Potenzial ist enorm, die Marktprognosen sind vielversprechend, erste Produkte kommen auf den Markt. Beispiele dafür sind OLED-Displays für Mobilfunkgeräte, Displays mit organischen Dünnfilmtransistoren oder ein Lab-on-Chip in Polymerelektronik, das Körperfunktionen überwacht.

Vom Labor in den Markt
«Obwohl Universitäten seit 30 Jahren an Polytronik forschen, müssen Materialien, Prozesse und Equipment weiter entwickelt und verbessert werden, damit der Markteinstieg gelingt», urteilt Alexander Stuck, Vize-Präsident Dünnfilmoptik im Chemistry and Life Science Cluster Basel. «Die Märkte entwickeln sich schnell. Stets neue Anwendungen können von kostengünstigen, umweltfreundlichen Einwegprodukten auf dünnen, flexiblen Folien profitieren.» Im Blickpunkt stehen vor allem Displays, die Beleuchtungstechnik, Photovoltaik und Energiespeicherung mit Batterien sowie die Sensorik. «Mit der Eröffnung des Entwicklungszentrums für Polytronics in Muttenz setzen wir vor allem auf die Photovoltaik, den Produktschutz hochwertiger Güter, wie Pharmazeutika und Medizinaltechnikprodukte, und konzentrieren uns auf die Entwicklung neuer Sensorplattformen für die Biotechnologie.»
Dazu basiert die Dünnfilm-Optikgruppe auf ihre Einrichtungen in Polymer-Optoelektronik, wozu ein Reinraum der Klasse 10k (ISO 7 = 352 000 Partikel von 0,5 µm pro m3) sowie 100 Quadratmeter Laborfläche gehören. Weitere Ausrüstung umfasst eine Maschinenwerkstatt, CAD, Mikrolithographie, die Herstellwerkzeuge für OLED (Organic Light Emitting Diode), OPV (Organic Photovoltaics) und OFET (Organic Field-Effect Transistor) sowie Instrumente für die elektro-optische Charakterisierung und die Lebensdauerprüfung und das Ink-Jet-Printing. Auf Herz und Nieren prüfen die CSEM-Forscher ihre Prototypen mit dem Solarsimulator mit Lock-in-Erfassung, Lichtintensitätsabhängigkeit und automatischer Messung in der Glovebox.

Solarzellen aus dem Tintenstrahldrucker
Auf dem Gebiet des Tintenstrahldruckens von Solarzellen beteiligt sich das CSEM am POLYMOL-Projekt Apollo der EU (POLYmer and MOLecular Solar Photovoltaic Cells and Modules) gemeinsam mit der ZHAW, der Technischen Universität Eindhoven, der Universitat Jaume I de Castelló und der BASF. Die in den CSEM-Labors zusammen mit der BASF realisierten gedruckten Solarzellen basieren auf einem Material kleiner Bandlücke, bestehend aus einer Kombination von elektronenarmen Diketo-Pyrrolo-Pyrrol-Pigmenten und elektronenreichen Thiophen-Segmenten, gemischt mit einem Fulleren-Derivat. Die Morphologie solcher Mischungen spielt eine tragende Rolle.
Um sie zu beeinflussen, werden verschiedene Parameter eingesetzt, beispielsweise die Druckmethode selbst, spezifische Parameter zur Steuerung der Schichtrocknungsgeschwindigkeit, der Einsatz von zwei oder mehr organischen Lösungsmitteln oder Additiven, um verbindungsspezifische Solubilität sowie thermisches oder Solvent Annealing der Schichten hervorzurufen. Die Morphologie ergibt sich aus der Entmischung der Polymere und der Fullerene in der gemischten Schicht und ist entscheidend für die Effizienz der Device-Leistung.

Flexible und tragbare OLED-Geräte
Ein anderes Beispiel ist das im EU-Projekt ROLLED (Roll to roll manufacturing technology for flexible OLED devcices) geschaffene flexible, portable OLED-Gerät. Es lässt sich aus der Ferne aufladen durch den Energietransfer via Hochfrequenz, verfügbar durch gängige Devices wie Mobiltelefone. Wie die CSEM-Forscher beteuern, können prinzipiell alle Komponenten gedruckt werden, ob Antenne, Dioden, Kondensatoren oder das OLED-Element selbst.
Angesichts der Nachfrage nach kostengünstigen Einwegmedizingeräten machte die Lab-on-Chip-Technologie für genomische, proteomische und enzymatische Analysen in den letzten Jahren grosse Fortschritte. Ein Vorzeigebeispiel, wie man nanooptische Elemente mit Halbleiter-Polymeren kombiniert, zeigten die CSEM-Wissenschaftler im EU-Projekt SEMOFS (Surface Enhanced Micro-Optical Fluidic Systems) mit einem vollständig organischen Minispektrometer. Das Gerät besteht aus einem planaren Singlemode-Wellenleiter mit integriertem Diffraktionsgitter und einer Anordnung von Polymer-Photodioden (PPD) als Erfassungselement. Die PPD-Anordnung wird mit einem analogdigitalen Umwandler ausgelesen, das gemessene Spektrum aufgezeichnet und verglichen mit dem gemessenen Spektrum des anorganischen Spektrometers.

Mit Hightech vor Ort präsent

Das Spektrum der Polytroniker ist breit, reicht von replizierten optischen Sicherheitsdevices und OLEDs über mikrooptische Elemente und gedruckte Sensoren bis zu Spektrometern und Kombinationen mit hochintegrierten und kompakten Systemen. Dazu entwickelt das Team neue Werkzeug-, Präge- und Drucktechnologien mit neuen, halbleitenden organischen Materialien. Hilfreich sind dabei die Eigenentwicklungen, so das Werkstoff-Screening mit hohem Durchsatz oder Simulationen zur Voraussage der Device-Leistung.
«Es ist kein einfaches Unterfangen, Standorte an verschiedenen Orten im Griff zu haben, doch ist es für uns wichtig, vor Ort lokalen Unternehmen als Ansprechpartner für die Entwicklung technologisch raffinierter Produkte zur Verfügung zu stehen», erklärt Philippe Steiert, Leiter der regionalen Zentren. «Mit innovativen Verfahren wollen wir Firmen ermutigen, am Produktionsstandort Schweiz auf globalen Märkten erfolgreich tätig zu sein.» Die CSEM-Forschungs- und Entwicklungszentren sollen die Innovation stimulieren und die regionale wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln, Zugang zu KTI- und europäischen Projekten geben und ihren Beitrag an Aus- und Weiterbildung leisten. Dazu dient die staatliche Unterstützung. Sie machte im Geschäftsjahr 2010 41 Prozent der totalen Einkünfte des CSEM von 68,4 Mio CHF aus. Doch für Mario El-Khoury, CEO des CSEM, ist klar: «Die technologische Innovation ist der Motor der Industrieländer. Aber von echter Innovation können wir erst sprechen, wenn sie die ganze Kette von der Entdeckung neuer Technologien über den Wissenstransfer in die Industrie bis zum breiten Einsatz in Wirtschaft und Gesellschaft abdeckt.»


www.csem.ch
Veranstaltung zum Thema
Erste Schweizer Konferenz für gedruckte Elektronik und funktionelle Materialien am 1. und 2. Dezember in Basel:
www.swiss-eprint.ch