chevron_left
chevron_right

Kleinstantriebe trotzen extremsten Bedingungen

Moderne Kleinantriebe sind bei schwierigen Umgebungsbedingungen aufgrund ihrer Grösse oft im Vorteil: präzise gefertigt, mit geringer Masse und hoher, physikalisch bedingter Überlastfähigkeit erlauben sie den Betrieb unter teilweise extremen Bedingungen. Standardmotoren und -getriebe erfüllen oft schon höchste Anforderungen.

A. Zeiff und D. Homburg
Mechanische Bauteile wie Elektromotoren und Reduziergetriebe unterliegen Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung. Eine absolute Abkapselung ist oft nicht möglich oder führt zu schweren und teuren Hilfskonstruktionen. Optimal ist daher ein Aktor, der ohne oder mit nur geringen Anpassungen die unterschiedlichsten Bedingungen meistert. Für solche anspruchsvollen Anwendungsbedingungen bietet der Kleinantriebsspezialist Faulhaber eine breite Auswahlpalette. So kann aus der grossen Antriebsvielfalt der optimale Motor mit oft nur kleinen Änderungen dem Einsatzgebiet angepasst werden. Einige Beispiele aus der Antriebspraxis zeigen die vielfältigen Möglichkeiten für Extrembedingungen auf.
Hohe Drücke bei schwankenden Temperaturen sind eine Herausforderung. Kommen dazu noch Forderungen nach einer langen Lebensdauer, hoher Zuverlässigkeit, geringem Stromverbrauch oder einem Einsatz im Ölbad hinzu, scheidet sich die Antriebsspreu vom Weizen.
So sorgt beispielsweise ein bürstenkommutierter DC-Motor für das sichere Auf- und Abtauchen einer Tiefseemesssonde. Ein mit Öl gefüllter Hydraulikkolben bildet dabei die Hauptauftriebsquelle. Da sich Öl praktisch nicht komprimieren lässt, ist dieser Auftrieb weitgehend unabhängig von der Tiefe. Um die Sonde nun gezielt in der Tauchtiefe zu steuern, wird über den Kolben die Ölmenge in einer Schwimmblase reguliert. In der Sonde arbeitet ein 26-W-DC-Kleinstmotor als Antrieb für den Kolben. Ein direkt angeflanschtes Planetengetriebe mit einer Untersetzung von 1526:1 mit nachgeschaltetem Spindelantrieb erhöht das Drehmoment, um auch in 2000?m Tiefe die Funktion sicherzustellen. Der Bürstenmotor läuft schon bei geringsten Spannungen an und die Ansteuerung ist sehr einfach als Ein/Aus-Schalter in die Bordelektronik zu integrieren. So ist die Sonde für garantierte drei Jahre Betriebszeit oder bis zu 150 Tauchzyklen ausgelegt. Batteriegestützte Betriebszeiten bis zu fünf Jahren sind möglich. Temperaturschwankungen von über 25 °C in den Tropen bis zu leichten Minusgraden im Polargebiet oder dauerhafte etwa 4 °C in der Tiefsee machen dem Standardmotor nichts aus. Das passende Reduziergetriebe entspricht bis auf eine modifizierte Schmierfettfüllung ebenfalls den Standardgetrieben aus dem Katalog.

Unter (Hoch-)Druck
Unter noch höherem Druck und zudem mitten im Medium Öl arbeitet ein 24-V-DC-Kleinstmotor mit Reduziergetriebe im Hydraulikprüfstand. Einspritzpumpen im Motorfahrzeug müssen auf Laufruhe im jeweiligen System getestet werden. Hauptverursacher für Druckpulsationen, die störenden Körperschall erzeugen, sind die Hydraulik-Verdrängerpumpen. Beim nötigen, steilen Druckanstieg auf bis zu 2000 bar breiten sich die Druckpulsationen aus und können an Leitungsenden reflektiert werden. Ein per Kleinstantrieb angesteuerter hydraulischer Dämpfungswiderstand unterbindet solche Reflexionen und erlaubt so aussagekräftige Prüfstandsmessungen. Der Antrieb ist mit einer PWM-Steuerung in der Drehzahl feinfühlig regelbar und verstellt eine Drosselblende im Ölreservoir. Dort herrschen bis über 2000 bar Betriebsdruck. Der 15 mm durchmessende Bürstenmotor wie auch das durchmesserkonforme Planetengetriebe wurden für diesen Einsatz nur geringfügig modifiziert: Da eine Hydraulik entlüftet sein muss, wurden sowohl der Motor wie auch das Getriebe mit kleinen Entlüftungsbohrungen versehen. So kann die Luft leichter entweichen und im Betrieb fliesst ein minimaler Strom von Diesel- oder Dieselersatzfluid durch die Komponenten. Die Stromübertragung über Standardbürste und -kollektor wie auch die Isolierung der Spule zeigen selbst bei hohen Drücken keinerlei Beeinträchtigung.

Arbeit im Nichts
Motoren für den Weltraumeinsatz unterliegen genau den entgegengesetzten Bedingungen. Statt hohen Drucks ist absolutes Vakuum angesagt. Hinzu kommen noch sehr hohe wie auch tiefe Temperaturen und unter Umständen jahrelange Wartezeit bis zum Einsatz. Ersatz oder Wartung ist unmöglich, daher ist die grösstmögliche Zuverlässigkeit aller Komponenten Pflicht. Die Raumsonde Rosetta ist seit März 2004 unterwegs zum rund 450 Millionen km entfernten Kometen Churyumov-Gerasimenko, den sie 2014 erreichen soll. Im Ankersystem für die Sicherung nach der Landung arbeiten Standardantriebe, die nur leicht modifiziert wurden. Bis die Sonde landet, unterliegen alle Komponenten erheblichen Belastungen. Neben den enormen Vibrations- und Beschleunigungskräften beim Start müssen niedrigste Dauertemperaturen und Vakuum über Jahre ohne Schäden ertragen werden. Fett oder Öl sind im Weltall untauglich, sie erstarren entweder in der Weltraumkälte oder verdampfen im Vakuum. Mit Molybdändisulfid (MoS?) auf allen zu schmierenden Oberflächen der speziellen Lager und den Stahlzahnrädern funktioniert die Schmierung aber auch im Vakuum, bei Weltraumkälte und bis zu mehreren Hundert °C. Tiefe Temperaturen unter –100 °C und unterschiedliche Materialien bedeuten mit nicht einheitlicher Wärmedehnung bei Präzisionsteilen schnell Blockaden. Aus diesem Grund musste das vernickelte Standardmessinggehäuse des Getriebes einem (den Stahlzahnrädern in der thermischen Ausdehnung angepassten) Stahlgehäuse weichen. Alle anderen Komponenten konnten unverändert für diese Anwendungsnische übernommen werden.
Um die Einflüsse der Magnetosphäre der Erde auf unsere moderne Welt zu erforschen, werden im Oktober 2014 vier Messsonden mit einer Rakete ins All geschossen. In den Satelliten arbeiten jeweils vier Schrittmotor-Getriebeeinheiten der Micromo Faulhaber Tochter in den USA. Kleine Schrittmotoren sind das Mittel der Wahl, um je Sonde jeweils vier rund 60 m lange Magnetfeldmesskabel auf- und abzuspulen. Da die Mission die Einflüsse des Sonnenwindes auf das Erdmagnetfeld beobachten soll, dauert sie mehrere Jahre. Eine einfache, robust ausgelegte Schrittmotorsteuerung reicht für den Betrieb völlig aus. Je höher integriert die Elektronik, umso gefährdeter wäre deren Betrieb im Weltall unter dem dortigen kosmischen Strahlenbombardement im Van-Allen-Gürtel. Die rund 20 mm durchmessenden Motoren sind direkt mit einem 43:1-Reduzier-Getriebe verbunden. Die wesentlichen Änderungen an Motor und Getriebe betrafen auch hier vor allem die Schmierung und eine für den Start nötige Entlastungsbohrung zur Schnellentlüftung. Die Standardbauteile, sprich die Kugellager der Motoren und die Zahnräder der Getriebe, wurden daher mit einem Spezialmittel geschmiert. Alle Antriebe mussten zudem individuell markiert und mit einem jeweiligen Abnahmezeugnis versehen werden. Danach waren sie für den Weltraumeinsatz bereit.?
www.faulhaber.com
www.minimotor.ch



Die Antriebsexperten aus Schönaich

Die Faulhaber-Gruppe mit 1300 Mitarbeitern ist spezialisiert auf hochpräzise Kleinstantriebssys-teme, Servokomponenten und Steuerungen bis 200?Watt Abgabeleistung. Vom Mikroantrieb mit 1,9 mm Durchmesser bis zum leistungsstarken 44 mm-DC-Kleinmotor, kombinierbar mit verschiedenen Präzisionsgetrieben, bietet das Unternehmen Systemlösungen für eine Vielzahl von Anwendungen. Dazu zählt die Realisierung von kundenspezifischen Komplettlösungen ebenso wie ein umfangreiches Programm an Standardprodukten.