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PKD-Werkzeuge kappen Taktzeiten

Werkzeuge mit Schneiden aus polykristallinem Diamant (PKD) bieten hohe Schnittwerte und lange Standzeiten. Zudem lassen sich mit einem einzigen Werkzeug vielfältige Bohr-, Reib- und Fräsbearbeitungen erledigen, was Werkzeugwechsel und Taktzeiten reduziert. Wenn zudem Anwender und Werkzeuglieferant partnerschaftlich zusammenarbeiten – wie bei ZF Friedrichshafen und Neher-Dia der Fall – lässt sich auch die Zeit vom Prototyp bis zur Serie deutlich verkürzen.

(re) Ein stilisierter Diamant ist das Markenzeichen von Neher-Dia in Ostrach-Einhart (DE) – aus gutem Grund: Das 50-Mitarbeiter-Unternehmen produziert zu 95 Prozent PKD-Werkzeuge. Diese eignen sich aufgrund ihrer Härte und ihres hohen Abrasionswiderstands besonders zum Zerspanen von Leichtbauwerkstoffen wie Aluminium, Magnesium sowie faserverstärkten Kunststoffen. Hier erreichen sie Schnittwerte und Standzeiten, die mit kaum einem anderen Schneidstoff realisierbar sind.
Geschäftsführer Gerd Neher ist Spezialist für die hochwertigen Diamantwerkzeuge: «Unser besonderes Know-how liegt bei individuellen Sonderwerkzeugen aus PKD, die wir in intensiver Zusammenarbeit mit unseren Kunden entwickeln. Wir produzieren zum Beispiel Stufenreibahlen, Profilfräser, Aufbohr-, Kombi- und andere Werkzeuge, mit denen unsere Kunden bestimmte Fertigungsprozesse optimieren.»
Die Prozessoptimierung bei der Entwicklung und Herstellung von Getriebegehäusen hat Neher-Dia mit dem Kunden ZF Friedrichshafen zusammengeführt, denn die Produkte des in der Antriebs- und Fahrwerktechnik führenden Zulieferkonzerns unterliegen hohen Anforderungen: Sie sollen für weniger Kraftstoffverbrauch sorgen, zugleich aber zu höherer Fahrdynamik sowie zu mehr Sicherheit für Autofahrer und Insassen beitragen. Zudem müssen sich die Gehäuse wirtschaftlich herstellen lassen, was wiederum eine fortschrittliche Fertigungstechnik voraussetzt.
Die positiven Schneideigenschaften von PKD-Werkzeugen machten die Verantwortlichen der ZF-Getriebegehäusebearbeitung schon vor Jahren hellhörig. Sie luden diverse Werkzeughersteller ein und führten verschiedene Probebearbeitungen durch.

Ein PKD-Werkzeug statt vier anderer
Allerdings waren die Erfolge zunächst so spärlich wie das vorhandene Know-how zur neuen Technik. Dies änderte sich jedoch, als der Werkzeughersteller Neher vor rund zehn Jahren seine Dienste anbot. Das Unternehmen war ausschliesslich auf PKD-Werkzeuge spezialisiert und konnte bereits einige Jahre Erfahrung vorweisen. Harald Brungs, damals für die Arbeitsvorbereitung zuständig und heute Leiter der Fertigung Bus und Technologie bei ZF Friedrichshafen, erinnert sich: «Schon die ersten von Neher gelieferten Werkzeuge haben uns hinsichtlich Qualität und Leistungsfähigkeit überzeugt.» Dieser Eindruck bestätigte und festigte sich über die Jahre. Heute zählt Neher zu den strategischen Lieferanten des Automobilzulieferers – wozu unter anderem eine Liefertreue von dokumentierten 99 Prozent beiträgt. Die Einsparungen, die ZF mit PKD-Werkzeugen erzielt, sind unterschiedlicher Art. In erster Linie kann ein PKD-Werkzeug mehrere andere ersetzen.
Harald Brungs erläutert: «An den Getriebegehäusen haben wir verschiedene Merkmale, die konventionell mit drei bis fünf Werkzeugen bearbeitet werden. Beim Einsatz von PKD-Sonderwerkzeugen genügt oft ein einziges. Erst kürzlich konnten wir wieder mit einem Neher-Werkzeug vier herkömmliche Bohr- und Fräswerkzeuge ersetzen, damit drei Werkzeugwechsel einsparen und so die Taktzeiten deutlich verkürzen. Das Monoblock-Werkzeug trägt ausserdem dazu bei, dass die Bohrungspassungen jetzt perfekt konzentrisch sind.»

Standzeiten deutlich höher
Die wichtigste Vorgabe für die Bearbeitung ist die Masshaltigkeit. Diesbezüglich erfordern PKD-Werkzeuge viel Know-how. Denn um beispielsweise eine exakte Kolbenbohrung zu produzieren, muss der Werkzeughersteller Spannung, KSS, Material und dergleichen den Maschinengegebenheiten anpassen. «Dies braucht Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung», weiss Harald Brungs. «Bei der Firma Neher ist beides vorhanden. Da bekommen wir von Anfang an Werkzeuge, die masshaltige, exakte Ergebnisse liefern. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben bei anderen Lieferanten bis zur Massgenauigkeit schon Korrekturen benötigt, die ein bis zwei Wochen dauerten.» Neben der Präzision loben Harald Brungs und seine Mitarbeiter auch die Standzeiten der Neher-Werkzeuge: «Wir haben PKD-Werkzeuge, die monatelang im Einsatz sind, ohne dass die Masse aus der Toleranz weichen.» Solch erfreuliche Ergebnisse sind zum einen auf den Werkstoff PKD zurückzuführen, zum anderen spielen die Schneidgeometrie und andere herstellerspezifische Faktoren eine wichtige Rolle. Ein paar Details, weshalb seine Werkzeuge so erfolgreich sind, verrät Gerd Neher: «Bei der Konstruktion eines solchen Werkzeugs muss man sehr sorgfältig vorgehen und zum Beispiel auch das zu bearbeitende Material beachten.» Ein Getriebegehäuse besteht meist aus Aluminiumguss – ein Werkstoff, bei dem der Siliziumanteil eine grosse Rolle spielt. Enthält die Legierung nur geringe Siliziumanteile, brechen die Späne schlechter.
Bei geschmiedetem oder gezogenem Aluminium ist das Material aufgrund seiner Eigenschaften eher zäh. Die Folge sind lange Späne, die mittels Spanleitstufen gebrochen werden müssen. Für Neher bedeutet dies, eine entsprechende Spanleitstufe ins PKD einzubringen, durch die der Span früh bricht. Zudem muss der Kühlkanal so ausgerichtet sein, dass der Kühlschmierstoff die Späne aus der Bohrung spült.
Wichtig sei auch das Auswuchten der Werkzeuge, verrät Gerd Neher: «Bei uns wird jedes Werkzeug gewuchtet, um optimalen Rundlauf zu gewährleisten. Dies wirkt sich auf Masshaltigkeit, Oberflächengüte und Standzeit von Werkzeug und Spindel aus.»
Zu Harald Brungs` Zuständigkeitsbereich gehört auch ein sogenanntes «Protofield», in dem Gehäuseprototypen für Lastwagengetriebe entwickelt werden. Dessen Aufgabe ist es, ein möglichst perfektes technisches Produkt zu entwickeln und die Zeit bis zur Serienreife so kurz wie möglich zu halten. Bei ZF Friedrichshafen wird dazu Simultaneous Engineering praktiziert. Dabei laufen sämtliche mit der Produktentstehung gekoppelten Prozesse nach Möglichkeit parallel ab. Im konkreten Fall heisst dies, dass Konstruktion und Entwicklung bereits vom ersten Datenmodell an eng mit der Arbeitsvorbereitung zusammenarbeiten und die erforderlichen Zerspanprozesse berücksichtigen. Auch die Firma Neher ist als Werkzeuglieferant bereits in dieser Phase eingebunden.
Für Harald Brungs ist die frühe Beratung durch Neher – bezüglich der optimalen Auslegung der PKD-Werkzeuge – ein wichtiger Faktor: «Durch die Fachkompetenz von Herrn Neher beziehungsweise seines für uns zuständigen Technologen Hartmut Fischer ist es uns möglich, innerhalb von zwei bis drei Wochen komplette Prototypsätze herzustellen. Dies ist ein absoluter Benchmark, den wir nur mit einem kompetenten und flexiblen Partner wie der Firma Neher schaffen.»
Simultaneous Engineering erfordert sehr viel Flexibilität und Know-how. Denn je perfekter die erste Lösung passt und je kürzer Änderungsschleifen ausfallen – zum Beispiel für Korrekturen am Werkzeug – desto schneller geht das Produkt in Serie.
Da der Dialog mit seinem Kunden schon in der extrem frühen Phase am Datenmodell beginnt, kann Neher die benötigten Grundmaterialien rechtzeitig vorhalten. Fällt die Entscheidung für eine Prototypentwicklung, stehen die ersten Werkzeuge innerhalb von zwei, drei Tagen zur Verfügung, und ZF kann mit der Prototypfertigung beginnen.

Schneller zu einem stabilen Prozess
Sind Änderungen am Prototyp und den jeweiligen Werkzeugen erforderlich, zeigt das Neher-Team seine Stärke: «Flexibilität ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale. Gerade bei der Prototypenfertigung, wo der Zeitfaktor enorm wichtig ist, geniessen die Änderungen bei uns höchste Priorität und werden meist innerhalb eines Tages erledigt.»
Der Erfolg dieser intensiven Kooperation ist nur schwer in Geld zu messen. Doch der Zeitvorsprung zahlt sich aus. Während es früher bis zu acht Wochen dauerte, bis die ersten Prototypen gefertigt werden konnten, sind heute maximal zwei bis drei Wochen erforderlich. Dies bedeutet, dass ZF in der gesparten Zeit bereits Optimierungsschleifen fahren kann und viel früher einen stabilen Prozess erhält.
Die gute Partnerschaft zwischen ZF Friedrichshafen und Neher reicht von der Prototypenfertigung bis zur Serie. So ist auch der Nachschleifservice laut Harald Brungs kaum zu toppen. Neher holt die verschlissenen Werkzeuge ab und bringt sie nach spätestens zwei Tagen perfekt instandgesetzt wieder zurück.
Die Reputation bei ZF Friedrichshafen ist so gut, dass sie Kreise zieht. So liefert Neher seine PKD-Werkzeuge seit einiger Zeit auch an ZF Schwäbisch Gmünd, um Lenkgehäuse zu bearbeiten. Auch andere namhafte Unternehmen aus der Metall- und Holzbearbeitung zählen mittlerweile zum festen Kundenstamm, zum Beispiel Georg Fischer, Handtmann, MTU, die Leiber Group, VW und Alno. Überdies hat das Unternehmen sein Know-how in weitere Branchen übertragen: Von der Kreativität Nehers zeugen Spezialentwicklungen wie Kanalfräser oder Diamantwerkzeuge zur Fahrbahn-Oberflächenbearbeitung, die das Tochterunternehmen Street Cut vertreibt.
www.neher-dia.de
www.zf.com