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Ziel: Der 3D-Drucker fürs Kinderzimmer

Additive Manufacturing: Man spricht schon lange nicht mehr von «Rapid» und «Prototyping», wenn es um Kunststoffprodukte geht, die in Schichtbauweise gefertigt werden. Die generativen Verfahren sind erwachsen geworden und schicken sich an, die Consumerwelt zu erobern.

Wolfgang Pittrich
Halle 11, Franfurter Messegelände; es ist EuroMold-Zeit. Von Werkzeug- und Formenbau ist hier wenig zu sehen; die Stände dominieren glänzende Edelkarossen, Comic-bunte Plastikwesen und schicker Designerschmuck. Das frühere Rapid Prototyping ist mittlerweile mitten im prallen Konsum angekommen.
Denn: Während in der Vergangenheit die additiv gefertigten 3D-Kunststoffteile eher ein Nischenprodukt für Designer und Konstrukteure waren, scheint mittlerweile eine andere Zeitrechnung angebrochen zu sein: Die Hersteller generativer Fertigungsanlagen und deren Dienstleister entdecken zunehmend den normalen Konsumenten als Kunden.
So präsentierte auf der EuroMold die Sintermask GmbH, eine Tochter der FIT GmbH, erstmals ihre Studie «Fabbster». Geschäftsführer Carl Fruth ist ein Pionier der generativen Fertigung und sieht in seinem einfachen 3D-Drucker «ein ideales System für die Büroumgebung und für zu Hause».
Beim Fabbster erfolgt die Herstellung der 3D-Kunststoffteile durch das Schmelzen von thermoplastischen Kunststoffen (filament deposition printing – FDP). Das Gerät soll als Baukasten zum Anwender/Kunden kommen und dort innerhalb von wenigen Stunden gebrauchsfertig aufgebaut sein. Die Software dazu wird ebenfalls mitgeliefert und läuft über Windows, Mac oder Linux. Als maximale Extrusionsleistung gibt Fruth 80 g/h an.
Bereits 2010 hatte 3D Systems mit dem Low-Cost-Drucker «RapMan» Aufsehen erregt. Der Druckerbausatz kommt von der konzerneigenen Tochter «Bits from Bytes» und geht für erstaunliche 1270 Euro über den Ladentisch. Neue Funktionen wie der intuitive Touchscreen und die USB-Datenschnittstelle sollen nun die Bedienbarkeit des Druckers weiter erleichtern. «Der RapMan 3.2 macht das 3D-Drucken für jedermann noch greifbarer», erklärt dazu Andy McLaren, Leiter Vertrieb und Marketing für BFB-Produkte bei 3D Systems.
Auf einem anderen Weg nähert sich die alphacam GmbH dem Verbraucher. Mit «fab-berhouse» etablierte man Anfang 2011 eine internetbasierte Dienstleistung, die ähnlich funktioniert wie der digitale Bilderdienst vom Discounter: Man schickt ein 3D-File an fabberhouse, kann sich ein Kostenangebot geben lassen und dann innerhalb weniger Tage sein 3D-Modell aus ABS in Empfang nehmen. (Siehe nebenstehendes Interview.)
Jenseits dieser zukunftsträchtigen Ausflüge in die Consumer-Welt bot die EuroMold auch tiefere Einblicke in die praxisnahe Forschung. So präsentierte etwa die Fraunhofer-Allianz Generative Fertigung einen spinnenähnlichen Laufroboter zur Erforschung von unzugänglichem Terrain. Der im 3D-Druckverfahren gefertigte Roboter nimmt sich die Bewegungsmechanismen der Spinnenbeine als Vorbild. Möglicher Einsatzzweck: Nach Naturkatastrophen, Indus-trie- oder Reaktorunfällen kann er Rettungskräfte unterstützen, indem er Livebilder übermittelt oder Gefahrenquellen wie Giftgas aufspürt.
Selbst die Medizintechnik ist mittlerweile Zielobjekt additiv gefertigter Produkte. Im Fraunhofer-Projekt «BioRap» wurde ein Blutgefäss entwickelt, das aus elastischem Biomaterial besteht und generativ gefertigt wird. Dadurch lassen sich künstliche Organe individuell an den Blutkreislauf anschliessen.
Jenseits der Produktentstehung hat sich der Anlagenhersteller EOS dem Thema Prozesssicherheit und Qualitätssicherung angenommen. Der nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich Lasersintern bietet mit seinem «Integrated Process Chain Management» (IPCM) ein Konzept für eine nachhaltige Lösung zur Pulverhandhabung für Serienanwendungen im Kunststoffbereich. Dabei kommt dem Qualitätsmanagementprozess, einschliesslich der Pulverqualität, Rückverfolgbarkeit von Materialien sowie der Lagerung von Pulverchargen, eine wichtige Bedeutung zu.
Die Umsetzung funktioniert dabei laut Hans Langer, Gründer und CEO von EOS, nicht im luftleeren Raum, sondern ganz nahe an der Praxis: «EOS arbeitet eng mit ausgewählten Kunden zusammen und bezieht deren Wünsche und Vorschläge bei der weiteren Entwicklung dieses Konzepts mit ein.»
www.3dsystems.ch
www.springmann.ch
www.fabberhouse.de
www.generativ.fraunhofer.de
www.fabbster.de



Vier Fragen an Michael Junghanß, alphacam

Herr Junghanß, mit Ihrem Angebot «fabberhouse» bringen Sie das Thema Additive Manufacturing von der Werkstatt in die Wohnzimmer bildlich gesprochen. Was steckt genau dahinter?

Fabberhouse als internetbasierte Dienstleistung gibt es seit Anfang 2011. Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt, dass wir jenseits unserer professionellen Nutzer sehr viele private User erreichen können – egal ob es sich um Schüler, Studenten oder sonstige Consumer handelt –, die ihre virtuellen Ideen als physische 3D-Modelle umgesetzt sehen wollen.

Welchen Aufwand muss ich betreiben, um zu einem 3D-Modell zu kommen?

Grundsätzlich benötigt man immer eine 3D-Konstruktion als stl-Datensatz. Diese Daten müssen in einen 3D-Printer-Treiber eingeladen werden, den man sich kostenlos aus dem Internet downloaden kann. Den so selbst erzeugten Printfile lädt man bei fabberhouse hoch und erstellt sich ein Angebot. Das Ganze funktioniert in etwa vergleichbar dem Erstellen eines digitalen Fotobuches. Die Bezahlung erfolgt wiederum ganz einfach per Kreditkarte. Wir berechnen übrigens pro Kubikzentimeter verbrauchtes Material 49 Eurocent.

Alphacam greift bei fabberhouse auf Printer von Hewlett-Packard zurück. Warum?

Aus mehreren Gründen: Zum einen stellt HP den Treiber kostenlos im Internet zur Verfügung, zum anderen bietet HP als einer der führenden Druckeranbieter weltweit eine einfache, aber sehr funktionelle Technik, die sehr gute 3D-Modelle aus stabilem ABS-Kunststoff liefert. Wir vertreiben übrigens die Designjet-Drucker selbst, seit 1. November 2011 über unsere Tochter mecascale auch in der Schweiz.

Erleben wir heute eine Technologie, die vielleicht in zehn Jahren allgemein zugänglich ist und in jedem Kinderzimmer steht?

Ich denke schon, dass wir auf dem Weg dorthin sind. Das zeigt eben auch die Tatsache, dass HP vor gut eineinhalb Jahren auf diesen Zug aufgesprungen ist. Ein Konzern dieser Grössenordnung möchte keine 100 Geräte im Jahr absetzen, sondern denkt eher in 10 000er-Dimensionen. Dann kostet ein Drucker vielleicht nur noch so viel wie ein guter Kaffeeautomat. Und es macht einfach verdammt viel Spass, seine eigene Kreation sozusagen live erleben und im wahrsten Sinne begreifen zu können.

Michael Junghanß ist Geschäftsführer der alphacam GmbH und beschäftigt sich seit Anfang der 1990er-Jahre mit dem Thema Rapid Prototyping und Additive Manufacturing.Schnell von der Idee zum Produkt: Gokart aus ABS mit Akkuschrauber als Antrieb.