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«Rund ein Drittel spürt die jetzige Krise kaum»

Zwanzig Jahre lenkte Robert Welna die Geschicke von Swissmechanic. Unter seiner Ägide wuchs der Verband von 650 auf über 1400 Mitglieder. Anfang 2012 hat er das Amt des Verbandsdirektors abgegeben. Im Gespräch mit TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich blickt Welna nicht nur auf eine bewegte Zeit zurück, sondern analysiert die gegenwärtige Situation und bricht eine Lanze für die qualifizierte Kaderausbildung.

Wolfgang Pitrich: Herr Welna, welches Ereignis der letzten zwanzig Jahre Verbandsgeschichte hat sie besonders berührt?
Robert Welna: Dass wir in diesem Zeitraum von einer relativ kleinen Organisation zu einer festen Grösse in der schweizerischen Verbandslandschaft gewachsen sind, ist für mich persönlich ein Zeichen, dass man doch ein paar Dinge richtig gemacht hat. Den Bedürfnissen unserer Kunden – und so betrachte ich die Mitglieder – gerecht zu werden, war immer mein Ziel.

Schwerlich vorstellbar, dass nur ein paar Streicheleinheiten genügen, um von 650 auf über 1400 Mitglieder zu wachsen. Wo sehen Sie die Stärke von Swissmechanic?
Zum einen sicherlich darin, dass wir es geschafft haben, eigene technische Dienstleistungen aufzubauen. Wir bieten beispielsweise eine spezielle Branchenlösung Arbeitssicherheit für KMU; wir offerieren spezifische Rechtsauskünfte übers Internet; wir engagieren uns sehr stark in der Aus- und Weiterbildung unserer Mitglieder.

Stichwort Aus- und Weiterbildung: Hier hat Swissmechanic in der Vergangenheit teils entscheidende Weichenstellungen vorgenommen ...
Ich denke auch, dass die Aus- und Weiterbildung eines der wichtigsten Elemente der Verbandsarbeit war und ist. Speziell im Bereich Grundausbildung haben wir massgeblich an einer Straffung der Berufsbilder und der Ausbildungsinhalte in den MEM-Berufen, unter anderem auch in dem des heutigen Polymechanikers, mitgewirkt. Übrigens mit dem Effekt, dass diese Berufe in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität für Schulabgänger gewonnen haben. Das zeigen auch die aktuellen Ausbildungszahlen, die nach wie vor nach oben gehen.

Wie passen die Technischen Akademien, die der Verband einführen will, in das Weiterbildungskonzept?
Der Begriff Technische Akademie ist mehr oder weniger ein Marketingansatz, um unsere höhere Facharbeiterausbildung besser nach aussen tragen zu können. Diese Einrichtungen existieren zum Teil bereits heute, allerdings unter dem etwas abstrakten Namen VMTW (Verband mechanisch-technischer Weiterbildung). Es stimmt, dass wir diese Art der Weiterbildung in Zukunft forcieren möchten.

Das wird zukünftig auch Ihre Aufgabe sein. Um was geht es da genau?
Mit der höheren Fachschule des VMTW bieten wir unseren Mitgliedern eine Durchgängigkeit in der beruflichen Aus- und Weiterbildung von der Grundausbildung bis hin zum Nachdiplomstudium Technischer Unternehmensleiter NDS. Und dieses Angebot wird auch angenommen. So studieren aktuell an unseren höheren Fachschulen rund 100 Studenten; davon sind 40 Prozent nicht im Verband organisiert.

Das Angebot an höheren Fachschulen soll noch ausgebaut werden. Was ist hier geplant?
Das stimmt. Wir werden in diesem Jahr den Begriff der Technischen Akademie offiziell einführen. Am Ende sollen es vier Ausbildungsstätten werden, flächendeckend über die Schweiz verteilt: Die Technische Akademie Bodensee, die Technische Akademie Zentralschweiz, die 2014 kommen soll, sowie die TA Bern und eine für die Romandie.

Ist die Kaderausbildung wirklich so wichtig?
Was unserer Erfahrung nach fehlt, ist der technische Unterbau der Kader, sowohl in der unteren als auch mittleren und oberen Führungsebene. Und diese Lücke wollen wir mit unserem Angebot der Technischen Akademie schliessen. Dazu gehört eben auch, dass wir fähige Leute ermuntern weiterzudenken bis hin zum eigenen Unternehmen und entsprechende Aufbaustudien anbieten.

Nun wird oft von einem Facharbeitermangel gesprochen. Hand aufs Herz, Herr Welna, gibt es den wirklich?
Es gibt ihn tatsächlich. Wobei man berücksichtigen muss, dass die Wirtschaft insgesamt gewachsen ist. Bei einer Stagnation oder einer Schrumpfung hätten wir diese Lücke sicherlich nicht. Erfreulich ist immerhin, dass die Ausbildungszahlen seit Jahren kontinuierlich zunehmen. Zwar produziert die demografische Entwicklung weniger Schulabgänger, die aber überproportional ihre Ausbildung in einem technischen Beruf beginnen. Das stimmt mich positiv für die Zukunft.

Apropos Zukunft. Wo sehen Sie aktuell die drängendsten Herausforderungen für die Unternehmen?
Grundsätzlich haben alle Betriebe mit der Währungsproblematik zu kämpfen. Während das letzte Jahr noch sehr gut gelaufen ist,
registrieren wir aktuell eine bedenkliche Situation für die Unternehmen, an Folge- oder Anschlussaufträge zu kommen; vor allem dort, wo direkt oder indirekt eine hohe Exportabhängigkeit vorhanden ist, beispielsweise im Maschinenbau.

Sie sagen, es sei für die Betriebe in diesem Jahr gut bis sehr gut gelaufen.
Wir schätzen, dass zwischen ein Viertel und ein Drittel der Mitgliedsunternehmen die momentane Krise kaum spürt. Ein Drittel der Unternehmen jammert auf hohem Niveau und ein weiteres Drittel ist mehr oder weniger stark davon betroffen.

Kann es im Verbandsumfeld zu Insolvenzen kommen?
Eindeutig ja. Wir sehen bereits jetzt, dass es Unternehmen gibt, deren Liquidität angespannt ist. Ich bin aber sehr optimistisch, dass die meisten Unternehmen einen Ausweg aus der Situation mit dem überteuerten Schweizer Franken finden werden. Sei es durch die Entdeckung einer neuen Marktnische oder überhaupt durch die Ausweitung des bisherigen Kundenstammes. Abgesehen davon ist die Teuerungsrate in der Schweiz deutlich niedriger als im Euroraum. Ein gewisser Teil der Währungsverluste könnte also innerhalb der nächsten Jahre durch die niedrige Inflation kompensiert werden.

Sie sehen das Jahr 2012 also nicht durchwegs negativ?
Was es genau bringen wird, weiss ich natürlich auch nicht, Herr Pittrich. Ich denke, dass das erste Halbjahr für viele Mitglieder eine schwierige Zeit werden wird. Sollte sich nach den Sommerferien ein Lichtstreif am Konjunkturhimmel abzeichnen, könnte ich mir vorstellen, dass es dann auch wieder bergauf geht – trotz der Eurokrise, die uns sicherlich noch länger beschäftigen wird.

Setzt Swissmechanic auf ein deutlicheres Engagement aus der politischen Ecke, um die Betriebe zu unterstützen, oder hat man von Verbandsseite diese Hoffnung bereits aufgegeben?
Wir erwarten eigentlich deutliche politische Impulse. Weniger was eine direkte finanzielle Hilfestellung angeht, sondern mehr eine indirekte Unterstützung, zum Beispiel durch den Abbau bürokratischer Hürden. Eine gewisse Enttäuschung war sicherlich, dass es uns nicht gelungen ist, einen Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer durchzusetzen, egal, ob jetzt eine fünf oder sechs vor dem Komma gestanden hätte. Wir appellieren zudem an die Osec (Kompetenzzentrum für Schweizer Aussenwirtschaftsförderung – Anmerkung der Redaktion), nicht nur die Grossunternehmen auf ihre Auslandsreisen zu begleiten, sondern auch die KMU bei Auslandsaktivitäten zu unterstützen.

Herr Welna, noch ein persönliches Statement zum Schluss: Welches Anliegen haben Sie an die Mitglieder von Swissmechanic?
Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmen mehr zueinander stehen und sich mehr als Partner denn als Wettbewerber begreifen. Denn letztlich sitzen wir alle in ein und demselben Boot.¡ Wolfgang Pittrich


Im Profil
Robert Welna wurde 1948 in Polen geboren und hat nach einer kaufmännischen Lehre eine Managementausbildung in Marketing und eine höhere betriebswirtschaftliche Weiterbildung absolviert. Er war fünfzehn Jahre lang als Dozent bei der AKAD/IMAKA in Zürich tätig und arbeitete unter anderem zehn Jahre als freier Unternehmensberater für kleine und mittle Unternehmen (KMU). 1992 wurde er zum ersten hauptberuflichen Zentralsekretär des Verbandes Swissmechanic berufen. 2012 übergab er den Stab an Daniel Thévenaz, bleibt aber im Bereich Weiterbildung für den Verband aktiv.
Swissmechanic ist ein Verband der mittelständischen Unternehmer. Angeschlossen sind die mechanisch-technischen und elektrotechnischen/elektronischen Berufsgruppen sowie Branchen- und Fachorganisationen der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein. Der Verband vertritt gut 1400 Mitglieder mit etwa 70 000 Mitarbeitern, davon über 6000 Auszubildende. Die Mitgliedsunternehmen erwirtschaften einen Umsatz in zweistelliger Milliardenhöhe.
Robert Welna (rechts) im Gespräch mit dem TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich.
Robert Welna, Swissmechanic: «Ich bin sehr optimistisch, dass die meisten Unternehmen einen Ausweg aus der Situation mit dem überteuerten Schweizer Franken finden werden.» (Bilder: Martin Beltinger, Binkert Medien)