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Made in Switzerland: Fahrradrahmen der Zukunft

Sie gelten als Edelschmiede für hochwertige Rennmaschinen: Der Name BMC Trading AG steht aber auch für eine hochmoderne, vielleicht weltweit einmalige automatisierte Produktion von Fahrradrahmen aus Kohlefasern. Die «Technische Rundschau» hat sich exklusiv von der Z.E.C. AG – einem Engineering-Partner von BMC – aufklären lassen, wo die Highlights, aber auch die Herausforderungen dieser Fertigung liegen.

Das Vorhaben klingt ambitioniert bis leicht utopisch: Eine Carbonrahmenfertigung für Rennräder der Spitzenklasse im Hochlohnland Schweiz aufziehen, die zudem aus Gründen der Prozess- und Qualitätssicherheit vollautomatisiert ablaufen soll. Für Andy Rihs, den Hauptbesitzer der Bicycle Manufacturing Company (BMC) in Grenchen, war dies der einzige Weg, um sein ehrgeiziges Ziel einer wettbewerbsfähigen Hightech-Rahmenfertigung «Made in Switzerland» in die Realität umzusetzen: «Wir wollten den Rahmen der Zukunft auf die Räder stellen. Wir waren bereit, alles in Frage zu stellen. Wir wussten, dass wir so ziemlich alles neu denken und so einiges anders würden machen müssen, um es wirklich besser zu machen.»
Gesagt, getan. Das Ausgangsmaterial war schnell gefunden: Der Wunderstoff der Top-Rahmenschmieden weltweit heisst schon lange Carbon. Allerdings geschieht die Verarbeitung der Kohlefasern eher altmodisch: Matte für Matte wird manuell in eine Form gelegt, mit Harz beschmiert und dann ausgehärtet.
Dem Team um Andy Rihs schwebte anderes vor. Die Carbonrahmenteile sollten nahtlos geflochten und ausgehärtet werden. Um eine möglichst hohe Prozesssicherheit und Genauigkeit zu garantieren, musste der komplette Fertigungsprozess der Carbon-rahmenteile automatisiert ablaufen. Bereits hier hat man neue Wege beschritten: So übernimmt das Flechten der Rohlinge eine Maschine, die eigentlich zur Herstellung von Drahtseilen eingesetzt wird.
2008 stiess Christoph Bögli zum Projekt «impec», wie man bei BMC das Vorhaben in Anlehnung an das englische Wort «impeccable» = makellos treffend genannt hatte. Der Projektingenieur des EngineeringDienstleisters Z.E.C., Murten, fand eine Anlage vor, die in grossen Teilen lief; seine Aufgabe hiess: Optimierung und Weiterentwicklung des Fertigungsprozesses.
Der gesamte Fertigungsablauf bis hin zur Montage der Rennmaschinen kann in sechs Schritte unterteilt werden (siehe Kasten «Der Herstellprozess»).

Roboter sorgen für Effektivität, aber auch Qualität
Die Herstellung der Rahmenteile, bestehend aus den Prozessschritten Flechten, Verharzen inklusive Aushärten sowie Ablängen auf Mass und Geometrie der Rohre erfolgt automatisiert über Roboter. Zum einen ist dadurch die Prozesssicherheit sowie eine gewisse Wirtschaftlichkeit gewährleistet; zum anderen erhalten die Rohre laut Christoph Bögli eine besonders hochwertige Optik: «Der Vorteil des automatisierten Wickelprozesses ist auch die nahtlose Struktur, welche sich positiv vom Handlaminieren unterscheidet.»
Optimierungspotzenzial fand Bögli vor allem bei den Fertigungsschritten Flechten, Verharzen und Besäumen der Rohre vor. Die wichtigsten Fortschritte wurden dabei im Bereich Parametrisierung des Flecht- und Verharzungsprozesses gemacht: «Die optimale Auslegung der Dorne und Silikonkerne, also das Innenleben der Rohre der ersten drei Fertigungsschritte, erwies sich als essenziell.»
Auch das Einspritzen des Zweikomponetenharzes verursachte anfänglich gewisse Probleme. Erstens durften sich aufgrund optischer Merkmale keine Luftbläschen bilden; zweitens besitzt das niederviskose Harz den unangenehmen Nebeneffekt, unkontrolliert aus dem Presswerkzeug auszutreten. Unter anderem durch eine noch genauere Fertigung der Werkzeuge bekam man diese Problematik in den Griff.
Die Herausforderung beim Ablängen der Rohre lautete schlicht und einfach: Für jedes einzelne Rohr – immerhin existieren 36 Varianten – mussten die Verfahrwege der Sägeachsen empirisch programmiert werden. Die Variantenvielzahl ergibt sich aus den unterschiedlichen Rahmengrössen, kombiniert mit den Geometrien «race fit» und «performance fit». Gleiche Fertigungsabmessungen weisen dabei nur die vier Rohre des Hinterbaus und die beiden Gabelholme auf.
Rund drei Jahre – von 2008 bis 2011 – hat Christoph Bögli das impec-Projekt begleitet und seine Vorschläge eingebracht. Mittlerweile läuft die Fertigung prozesssicher. Optimierungsbedarf sieht der Projektingenieur heute vor allem noch im Bereich der Standzeiten der Presswerkzeuge. Das hochaggressive Harz lässt die Werkzeugoberflächen schnell verschleissen. Aktuell wird deshalb mit verschiedenen Beschichtungen, aber auch der Zugabe von speziellen Additiven zum Harz experimentiert. Christoph Bögli möchte die Zusammenarbeit mit BMC nicht missen: «Es war ein erfolgreiches Zusammenarbeiten in einem motivierten und qualifizierten Projekt- und Produktionsteam.»
Zudem hatte das Bewältigen der Hürden einen hohen Lerneffekt: «Durch konsequentes Umsetzen der definierten Massnahmen konnten die Prozesse optimiert werden. Es war eine grosse Zufriedenstellung.»•
-- Wolfgang Pittrich

Z.E.C. AG
3280 Murten, Tel. 026 670 67 66
christoph.boegli@zec.ch
BMC Trading AG
2540 Grenchen, Tel. 032 654 14 54
info@bmc-racing.com

Der Herstellprozess
1. Schritt Flechten: Beim Flechten werden die Carbonfasern mithilfe eines Flechtrads zu einem Carbonstrumpf geflochten. Formgebendes Element ist eine Silikonform, die durch einen glasfaserverstärkten Dorn stabilisiert wird. Das Flechten erfolgt für jedes einzelne Rohr belastungsspezifisch, indem die Anzahl der Fäden, die Geschwindigkeit des Flechtrades und die des Roboters verändert werden.
2. Schritt Verharzen: Die Bauteile aus Schritt 1 werden über ein Fördersystem in die zweite Zelle weitergeleitet, dort übernimmt wiederum ein Roboter die Rohlinge. Beim Verharzen wird das Geflecht in einem formgebenden Werkzeug mit Harz getränkt («Resin Transfer Moulding», RTM-Verfahren). Dabei wird von unten ein spezielles Zweikomponentenharz in das geschlossene Werkzeug injiziert. Auch dieser Vorgang findet vollautomatisch statt. Der Carbonstrumpf bleibt solange im Werkzeug, bis das Harz komplett ausgehärtet ist.
3. Schritt Ablängen: Nach dem Aushärten folgt das Zuschneiden der Rohre. Zuerst formt der Roboter den Dorn und die Silikonform aus. Anschliessend schneidet eine Säge mit diamantbestücktem Blatt jedes einzelne Rohr präzise auf die programmierte Länge und Geometrie; das Rohr wird dann in ein Behältnis abgelegt.
4. Schritt Spritzgiessen der Rahmenknoten: Die Rahmenknoten bestehen aus carbonverstärkten Halbschalen und werden spritzgegossen. Basis dafür ist das «Shell Node Concept» (SNC). Es bezeichnet den Zusammenhang zwischen Design, Material und Fertigungsprozess der Halbschalen und ist neben dem Herstellen der Rahmenrohre die zweite Technologieinnovation. Von grösster Bedeutung für die Qualität der Halbschalen ist die innere Gestaltung. Der Verbundwerkstoff mit hohem Carbonanteil garantiert die notwendige Festigkeit. Über Mold-Flow-Analysen konnten die für den Spritzguss wichtigen Parameter gewählt und optimiert werden.
5. Schritt Montage: Mithilfe eines Roboters wird ein speziell ausgelegter Zweikomponentenkleber in die Halbschalen aufgetragen. Die Menge ist genau definiert und wird überwacht sowie registriert. Mittels Kamera wird kontrolliert, ob an den definierten Stellen Kleber vorhanden ist. Das Positionieren und Zusammenstellen der Halbschalen mit den Carbonrohren auf die Montageplatte erfolgt manuell. Ein Fördersystem transportiert den Rahmen in den Ofen zum Aushärten.
6. Schritt Oberfläche: Als letzter Schritt erfolgt das Lackieren und Finishen. Dies wird nach Vorgabe des Artworks in verschiedenen Farben und transparenten Lacken umgesetzt.
Abschliessend werden die Carbonrahmen einer visuellen und stichprobenmässig einer maschinellen Qualitätskontrolle unterzogen.

Z.E.C. und die Aufgaben
Der Engineering-Dienstleister Z.E.C. übernahm im Rahmen der Projektarbeit «impec» bei BMC folgende Aufgaben:
Risiko-Management (Prozess-FMEA): Moderation der Methode, Umsetzung und Weiterführung der Verbesserungsmassnahmen
Termin- und teilweise Kostenplanung inklusive -einhaltung
Qualitätssicherung: Aufbau des Kon-trollprozesses; Definition und Dokumentation der geforderten Qualität
Logistik: Darstellung und Realisierung der Lager und Wege von der Warenannahme bis zum fertigen Rahmen
Definition und Dokumentation der Prozesse und Abläufe, insbesondere für die Rohrfertigung
Festlegen von Rohmaterialien
Änderungen an Anlagen, Beschaffung von Ersatzteilen, Herstellung von Einzelteilen und Definieren von Zusatzfunktionen
Weiterentwicklung der Prozesse: Durchführung von Flecht- und Verharzversuchen, Erstellen der Ablängprogramme zur Endbearbeitung
Laufende ProzessoptimierungHightech aus schweizerischer Fertigung: Die Räder der «impec»-Reihe werden bei BMC in Grenchen automatisiert hergestellt.