chevron_left
chevron_right

Wärme statt Kehricht

Der Abfall der Stadt Zürich wird im Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz verwertet. Mit einer thermischen Leistung von 84MW heizt es über das Fernwärmenetz Gebäude, liefert heissen Prozessdampf an die Universität und speist 17MW Strom ins Netz. Gesteuert wird die Anlage von einem Prozessleitsystem von Siemens.

(pi) Das Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz (KHKW) wurde in den letzten zehn Jahren komplett modernisiert: Mit einer thermischen Leistung von 84 statt wie bisher 59 MW heizt es über das Fernwärmenetz umgerechnet 80 000 Wohnungen in Zürich-Nord und liefert heissen Prozessdampf an die Universität oder an Wäschereien. Daneben produziert eine Dampfturbine mit einer Leistung von 17 MW Strom. Im Rahmen der Modernisierung wurde die Leistung der Turbine mehr als verdoppelt. Insgesamt verwertet die Anlage heute
70 Prozent der Energie, die im Abfall steckt.
Damit der Wirkungsgrad hoch gehalten werden kann, ist das Leitsystem wesentlich. Es steuert die Anlage im optimalen Betriebspunkt. Denn die Menge und die Qualität des Abfalls ändern sich ständig, ebenso der Wärmebedarf der Gebäude, die über das Fernwärmenetz eingebunden sind.
Dabei deckt das Hagenholz nicht den gesamten Wärmebedarf ab, vor allem im Winter reicht die Abfallverbrennung nicht aus. Dann liefert das Holzheizkraftwerk Aubrugg zusätzliche Wärme. Es wurde darauf geachtet, dass die Leitsysteme miteinander kommunizieren können. Sowohl im Hagenholz als auch in Aubrugg wurde deshalb das Prozessleitsystem «SPPA-T3000» von Siemens installiert.
Dieses Prozessleitsystem ist für Gaskraftwerke mit Leistungen von einigen hundert MW vorgesehen. Das Kehrichtheizkraftwerk mit 17 MW elektrischer Leistung scheint auf den ersten Blick klein für eine solch leistungsfähige Software. Betrachtet man aber die Funktionen, die im Hagenholz genutzt werden, kann die Anlage mit einem stattlichen Gaskraftwerk mithalten: Das KHKW muss mit dem Holzheizkraftwerk koordiniert werden, damit im Fernwärmeverbund kein Haus kalt bleibt. Und nicht zuletzt optimiert das System jederzeit die Energiebilanz, ob nun eher Strom, Dampf oder Fernwärme produziert werden soll.
Für die Operateure im Leitstand ist wichtig, dass sie immer die Übersicht haben. Auf einem Grossbildschirm sehen sie das Anlagenbild mit den wichtigsten Kennwerten und können auf Knopfdruck einzelne Detailbilder zuschalten. Wenn es nötig ist, kann das Leitsystem sogar auf einem beliebigen PC in der KVA angezeigt werden, da sich das T3000 auf verbreitete Internettechnologie stützt. Die Daten werden über TCP/IP kommuniziert und in einem einfachen Webbrowser auf dem PC angezeigt. Lediglich der Applikationsserver läuft auf einem leistungsstarken Rechner.
Eine Herausforderung für die Ingenieure von Siemens war die Integration der verschiedenen Gewerke in das Prozessleitsystem. Zwar sind die Steuerungen der Öfen wie auch diejenige der Turbine jeweils eine S7-400 von Siemens, sie stammen aber aus den unterschiedlichen Entwicklungsumgebungen der jeweiligen Firmen und teilweise sogar aus verschiedenen Generationen, da die Verbrennungslinien und die Energiezentrale nicht zur selben Zeit gebaut wurden. Daneben mussten die Daten der Heizzentrale Aubrugg integriert werden wie auch die Ansteuerung der Mittelspannungsschaltzentrale im Hagenholz.
Schliesslich gelang es den Ingenieuren, alle Gewerke einzubinden. «Wir sind sehr zufrieden, die Anlage läuft stabil und wir erreichen einen hohen Wirkungsgrad», sagt Erich Züst, bei Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) für den Umbau verantwortlich. Um die Projektierung zu vereinfachen, sind beim T3000 das Anlagenbild und der Funktionsplan identisch, die Topologie muss nur einmal erstellt werden. Und sollte eine neue Version des Projekts einen Fehler beinhalten, gibt es eine einfache Undo-Funktion auf die letzte, stabile Version. Wichtig ist natürlich bei Kraftwerken, dass die Software jederzeit im Betrieb geändert werden kann, ohne dass die Anlage heruntergefahren werden muss.
Neben der Übersicht über die Verbrennungslinien zeigen die Bildschirme im Leitstand die aktuellen Abgaswerte am Kamin. Die Grenzwerte, die eingehalten werden müssen, lassen sich vergleichen mit den Abgaswerten moderner Autos, obwohl im KHKW nicht sauberes Benzin, sondern Müll verbrannt wird: In 1 m3 Abgas dürfen maximal 10 mg Feinstaub sein – in einem Auto sind es 5 mg/km Fahrt. Beim Stickoxid liegt der Grenzwert im Hagenholz bei 70 mg/m3; für die Autos sind es 60 mg/m3. Um solch saubere Abgase zu erreichen, wird das Rauchgas, das in den Verbrennungslinien entsteht, über mehrstufige Filter gereinigt. •
Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz
8050 Zürich, Tel. 044 645 77 77
www.stadt-zuerich.ch

Siemens Schweiz AG
8047 Zürich, Tel. 0585 585 585
www.siemens.ch


Mit gutem Beispiel voran
Die Siemens Schweiz AG hat ihr Verwaltungsgebäude am Hauptsitz in Albisrieden komplett modernisiert. Das Unternehmen hat dafür rund 15 Mio. CHF investiert und das Gebäude auf den neusten Stand der Technik gebracht. Als erstes modernisiertes Gebäude der Schweiz hat das Gebäude den Effizienzstandard LEED Gold erhalten. Die Wirkung der Massnahmen wurde mithilfe der Tools der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) ermittelt. Nach diesen Berechnungen liegen die Einsparungen beim benötigten Erdgas bei einer Energiemenge von mehr als 600 MWh/Jahr und beim Strom bei mehr als 100 MWh/Jahr. Zum Vergleich: Ein typischer Schweizer Haushalt mit vier Personen benötigt heute im Jahr etwa 4 MWh elektrische Energie.
Der LEED-Standard (Leadership in Energy and Environmental Design) ist ein US-amerikanischer Standard für umweltgerechtes, Ressourcen-schonendes und nachhaltiges Bauen und wird vom U.S. Green Building Certification Institute vergeben.