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Die Zerspanungswelt blickte nach Zürich

Für vier Tage (4. bis 7. Juni) war die ETH Zürich das Mekka der Zerspaner, die sich zu der vom IWF der ETH organisierten «CIRP International Conference on High Performance Cutting», kurz HPC2012, trafen. In dieser und der nächsten Ausgabe gibt Prof. Konrad Wegener vom IWF eine Zusammenfassung der Ergebnisse.

Die vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung (IWF) der ETH Zürich organisierte Veranstaltung war bereits die fünfte Tagung unter dem Titel «CIRP International Conference on High Performance Cutting». Die Tagungsreihe hatte ihren Ausgangspunkt in einer Collaborative Working Group der CIRP (International Academy for Production Engineering), die 2000 von Gerald Byrne von der University of Dublin initiiert wurde und danach in Vancouver, Dublin, Aachen und Gifu (Japan) stattfand.
Die Zerspaner unter den Mitgliedern der CIRP nutzen diese Tagung als Forum zur Präsentation der neuesten Errungenschaften, Methoden und Erkenntnisse auf diesem spannenden und industriell bedeutsamen Gebiet der Fertigungstechnik. Sie zeigen regelmässig, dass die Zerspanung trotz des hohen erreichten Erkenntnisstands immer noch entwicklungsfähig ist und bleibt, vor vitalen Herausforderungen steht und keinerlei Anzeichen von Alterserscheinungen zeigt.
Regelmässige Frage auf allen diesen Konferenzen ist, was man unter «High Performance Cutting» verstehen mag. Klugheit und Weitsicht haben die damaligen Gründerväter dazu bewogen, die Performance, also Leistungsfähigkeit, zum Thema zu machen. So ist unter dem allumfassenden Titel die Wandlungsfähigkeit der Konferenz gewährleistet, die benötigt wird, um sich den jeweils neuesten Herausforderungen in der Zerspanungstechnik zu stellen und die anstehenden Aufgaben zu lösen.
Die insgesamt 127 Konferenzbeiträge wurden in Form von Keynote-Präsentationen, 27 thematischen Fachsektionen und einer Postersession vorgestellt. Als aktuelle Themen wurden vor allem Energieeffizienz, numerische Simulation und Verschleissvorhersage, die fertigungstechnische Erzeugung gewünschter Eigenschaften in oberflächennahen Schichten und die Beherrschung immer schwerer zu zerspanender Materialien diskutiert.
Die Frage nach der Energieeffizienz oder vielmehr noch nach der CO2-Emission der Fertigungstechnik und insbesondere der Fertigungsmaschinen ist in der Zwischenzeit zu einem erstrangigen Thema avanciert. Reimund Neugebauer [3], IWU Chemnitz, Deutschland, brachte in seinem Keynote-Vortrag Lösungen für das Dilemma des Energieverbrauchs bei Steigerung der Produktivität vor allem über die Betrachtung der gesamten Prozesskette und der Hilfsaggregate. Dabei spielen auch hybride Technologien eine entscheidende Rolle.
Allerdings zeigt er auch, dass eine Fokussierung auf den Energieverbrauch alleine zu kurz gesprungen ist. Es geht um den effizienten Umgang mit Ressourcen insgesamt, wobei eine energieeffiziente Lösung durchaus den Werkzeugverschleiss in die Höhe treiben kann. Neugebauer schlägt als Mass für die Leistungsfähigkeit von Fertigungseinrichtungen und Prozessen vor, den Quotienten aus Ausbringung zu Ressourcenverbrauch zu definieren.

Betrachtung der Energieeffizienz ist kein Selbstzweck
Des Weiteren darf man nicht vergessen, dass die Produktion Teile erzeugt, deren energiewirtschaftlicher Wert durch die Fertigung definiert wird. Oberflächenqualität und geometrische Genauigkeit bestimmen in der Funktion des Bauteils häufig über den Energieverbrauch der Komponente, für die dieses Teil gefertigt wurde. Die Energieeinsparungen im Bauteilleben übersteigen die Energieaufwendungen für dessen Herstellung häufig bei Weitem, sodass sich Abstriche an der Qualität zugunsten der Energieeinsparungen in der Produktion von selbst verbieten.
Damit bleibt aber die Frage nach der erreichbaren Genauigkeit und Oberflächenqualität das Topthema. Hier geht der langfristige Trend in Richtung Verringerung der Positionierunsicherheit im gesamten Arbeitsraum der Maschine und weg von der Einzelachsenbetrachtung.
Gregor Kappmeyer [4], Rolls Royce Deutschland, zeigte Anforderungen und Lösungen in der Zerspanung aus Sicht eines Triebwerksherstellers. Er wies darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit der Fertigungsverfahren vor allem durch die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Eigenschaften der oberflächennahen Schichten definiert werden muss. Dies stellt eine Herausforderung dar, die in der Zerspanungsforschung erst richtig in den letzten Jahren erkannt worden ist. Somit ist die Vorhersagbarkeit der Eigenschaften in oberflächennahen Bereichen, der Subsurface-Integrity, noch vollkommen unterentwickelt (siehe auch I.S. Jawahir et al. [5]). Ebenso misst Kappmeyer der Kantenpräparation von Schneidwerkzeugen erhebliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Zerspanprozesses bei, vor allem bei der Bearbeitung der im Triebwerksbau eingesetzten, schwer zu bearbeitenden hochtemperaturfesten Werkstoffe.

Wachstum in Asien beeinflusst Maschinenanforderungen
Die Werkzeugmaschine als Enabler für jede Art der Güterherstellung wurde von Frank Brinken, StarragHeckert, Schweiz, und Masahiko Mori, Mori Seiki, Japan, thematisiert. Unter dem Titel «Continental Drift in Machine Tool Manufacturing» zeigte Brinken [6] auf, wie sich aufgrund des dramatisch steigenden Maschinenbedarfs in Asien sowie auch der Marktanteile asiatischer Anbieter die Anforderungen an den Werkzeugmaschinenbau verändern.
M. Mori [7] konzentrierte seine Ausführungen auf die Integration unterschiedlicher Prozesse in ein- und dieselbe Maschinenbasis eines Drehfräszentrums und stellte konkrete Realisierungen von Verzahnungsfertigung, Schleifbearbeitung, Ultraschallunterstützung und Laserbearbeitung sowie hybriden und kombinierten Prozessen auf einer Drehfräsmaschine vor.
Eine Podiumsdiskussion zur Zukunft von High-Performance-Cutting wies vor allem auf die Notwendigkeit hin, die Maschinenbediener auch zum High-Performance-Personal weiterzuentwickeln. Sie tragen immerhin die Verantwortung über millionenteure technische Wunderwerke. Die Erkenntnis: Ernsthaftes Problem der Hochleistungsbearbeitung heute sei der Competence-Drain auf der Ebene der Maschinenbediener. •

Prof. Konrad Wegener, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung (IWF) ETH Zürich
IWF ETH Zürich
8092 Zürich, Tel. 044 632 63 90
info@iwf.mavt.ethz.ch

Teil 2, TR 8/12
Im zweiten Teil der HPC 2012- Nachlese werden stellvertretend einige auf der Tagung vorgestellte herausragende Errungenschaften betrachtet.


Referenzen
[1] Byrne, G., Dornfeld, D., Denkena, B.: Advancing Cutting Technology. Annals of the CIRP 52/2 (2003), S. 483–507.
[2] Wegener, K.: Introduction to HPC2012. Procedia CIRP 1 (2012), 1–2.
[3] Neugebauer, R., Drossel, W., Wertheim, R., Hochmuth, C., Dix, M.: Ressource and Energy Efficiency in Machining Using High-Performance and Hybrid Processes. Procedia CIRP 1 (2012), 3–16.
[4] Kappmeyer, G., Hubig, C., Hardy, M., Witty, M., Busch, M.: Modern Machining of Advanced Aerospace Alloys – Enabler for Quality and Performance. Procedia CIRP 1 (2012), 28–43.
[5] Jawahir, I.S., Brinksmeier, E., M’Saoubi, R., Aspinwall, D.K., Outeiro, J.C., Meyer, D., Umbrello, D., Jayal, A.D.: Surface Integrity in Material Removal Processes: Recent Advances. Annals of the CIRP 60/2 (2011), 603–626.
[6] Brinken, F.: The continental Drift in the Machine Tool Industry. Procedia CIRP 1 (2012), 17–21.
[7] Mori, M., Fujishima, M., Yohei, O.: 5 Axis Mill Turn and Hybrid Machining for Advanced Application. Procedia CIRP 1 (2012), 22–27.
[8] Denkena, B., Köhler, J., Mörke, T., Gümmer, O.: High-Performance Cutting of Micro Patterns. Procedia CIRP 1 (2012), 144–149.
[9] Beekhuis, B., Stoebener, D., Brinksmeier, E.: Adapted Non-Circular Soft Turning of Bearing rings – Impact of Process Machine Interactions on Compensation Potential. Procedia CIRP 1 (2012), 557–562.
[10] Muhammad, R., Ahmed, N., Roy, A., Silberschmidt, V.V.: Numerical Modelling of Vibration –Assisted Turning of Ti-15333. Procedia CIRP 1 (2012), 364–369.
[11] Archenti, A., Nicolescu, M., Casterman, G., Hjelm, S.: A new Method for Circular Testing of Machine Tools under Loaded Condition. Procedia CIRP 1 (2012), 592–597.
[12] Klocke, F., Gierlings, S., Adams, O., Auerbach, T., Kamps, S., Veselovac, D., Eckstein, M., Kirchheim, A., Blattner, M., Thiel, R., Kohler, D.: New Concepts of Force Measurement Systems for Specific Machining Processes in Aeronautic Industry. Procedia CIRP 1 (2012), 569–574.
[13] Transchel, R., Stirnimann, J., Blattner, M., Bill, B., Thiel, R., Kuster, F., Wegener, K.: Procedia CIRP 1 (2012), 575–579.
[14] Neugebauer, R., Ihlenfeldt, S., Friess, U., Wabner, M., Rauh, S.: New High-Speed Machine Tool Structure by Holistic Mechatronic Systems Design. Procedia CIRP 1 (2012), 324–329.