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Schweizer Medizintechnik in Gefahr?

Auf Basis einer Befragung von über 320 Firmen zeigt der «Swiss Medical Technology Industry 2012»-Bericht zukünftige Szenarien für die Schweizer Med-Tech-Branche auf. Teile der Wertschöpfungskette drohen wegen steigendem Wettbewerbsdruck, wachsenden regulatorischen Auflagen, fehlenden Experten und der Frankenstärke aus der Schweiz abzuwandern.

(msc) International verglichen ist die Schweiz immer noch ein globaler «Hot Spot» für Medizintechnik. Doch der «Swiss Medical Technology Industry»-(SMTI-)Bericht 2012 von Medical Cluster, Medtech Switzerland und IMS Consulting Group zeigt gegenüber den letzten beiden Studien eine Trendwende auf. Zwar liegt die durchschnittliche Wachstumserwartung für 2013 bei 6,6??Prozent, doch das Wachstum hat sich in den letzten Jahren halbiert und wird in Zukunft im einstelligen Bereich bleiben. «Die goldenen Zeiten sind vorbei. Betrugen die Margen vor fünf bis zehn Jahren durchschnittlich über 10 Prozent, liegen sie heute nur noch im einstelligen Prozentbereich», betonen die Autoren der Studie, Patrick Dümmler, Medtech Switzerland, und Beatus Hofrichter, IMS Consulting Group.Kleine Firmen leiden am meisten unter dem wachsenden internationalen Preis- und Wettbewerbsdruck. Eine der grössten Klippen für die Branche ist die Stärke des Schweizer Frankens. So musste die Exportindustrie seit Anfang 2010 eine Aufwertung von 23 Prozent gegenüber dem Euro verkraften. Laut Umfrage hat dies bei 81 Prozent aller SMTI-Firmen einen negativen Effekt, unter den Zulieferern sogar bei 98 Prozent.Um sich gegen Kursschwankungen besser abzusichern, planen 15 Prozent der Unternehmen in den nächsten drei Jahren Investitionen in Produktionsstätten im Ausland. Parallel dazu schwindet die Loyalität gegenüber traditionellen Partnerschaften zwischen Herstellern und Zulieferern, eine der Stärken des Medtech-Ökosystems Schweiz, und immer mehr Schweizer Medtech-Firmen gehen in ausländischen Besitz über: Bereits 50 Prozent der zehn grössten international tätigen Medtech-Unternehmen der Schweiz hängen von Entscheidungen in weit entfernten Hauptsitzen ab. Gestraffte Budgets im Schweizer Gesundheitswesen sorgen für zusätzliche Restriktionen: Kliniken sind seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Januar 2012 gezwungen, ihr Beschaffungswesen zu professionalisieren und Prozesse zu rationalisieren. Folge: Kleine Hersteller werden zu zweitrangigen Zulieferern zurückgestuft. Auch interne Strukturschwächen beschleunigen den Trend zur Konsolidierung. Den Unternehmen mangelt es an Management-Skills und Expertenwissen. Vor allem Marketing-, Compliance-, Regulatory Affairs- und QM-Spezialisten sind sehr gesucht, um im immer härteren internationalen Wettbewerb zu bestehen.Bei über 86 Prozent aller Betriebe steht der Ausbau des Marketings und der Marktkenntnisse ganz oben auf der Agenda der Massnahmen, gefolgt von der Steigerung der Profitabilität, kommerzielle und operative Exzellenz sind gefragt. «Die CEOs vor allem kleinerer Firmen sind vorwiegend mit dem Tagesgeschäft beschäftigt und haben weder Zeit noch Kapital, um neue Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Sie müssten aber bereits heute wissen, welche Märkte in fünf Jahren mit welchen Produkten und Leistungen zu bedienen sind», mahnen die Autoren.Angesichts dieser Entwicklungen ist es laut Dümmler und Hofrichter für die Branche und den Standort höchste Zeit zu agieren: Vor allem muss die Medtech-Industrie eine aktive Rolle bei der Marktkonsolidierung übernehmen.

KMU sollten kooperieren oder Firmen übernehmen
Das Schnüren von Leistungspaketen sollte dabei nicht nur den Grossen vorbehalten bleiben. KMU, die alleine dazu nicht die nötige Grösse haben, können sich den Zugang zu den Abnehmern offen halten, indem sie mit Anbietern komplementärer Leistungen oder Produkte in der Schweiz kollaborieren oder ausländische Firmen übernehmen.Mögliche Lösungsansätze sehen die Autoren der Studie in der Bildung nationaler Cluster und Produkte- oder Service-Pools, innerhalb derer die Anbieter von Gesundheitsleistungen und -produkten gemeinsam innovative Lösungen entwickeln und die Wertschöpfungskette abdecken.Der Schweizer Politik empfielt die Studie, die Exportförderung auf wenige Schlüsselindustrien zu konzentrieren, um mit den Hauptkonkurrenten Deutschland, USA und Frankreich auf Augenhöhe zu sein. Vertreter der Industrie könnten in Freihandelsverhandlungen einbezogen werden, um einen optimalen Marktzugang für Medtech-Firmen in wichtigen Märkten zu erzielen. Weiter müssen hochrangige Kontakte zu den globalen Hauptsitzen der in der Schweiz tätigen Firmen hergestellt werden, um den Standort besser zu positionieren.
Download des Berichtes SMTI 2012