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«Wir verschaffen Wettbewerbsvorteile»

Die Num-Gruppe konnte im vorigen Jahr auf eine 50-jährige Historie zurückblicken, ihr Bereich NumRoto schreibt in diesem Jahr 25-jährige Erfolgsgeschichte – und zeitgleich ist die neue CNC-Plattform «Flexium+» vorgestellt worden. Im TR-Exklusiv-Interview geht Num-CEO Peter von Rüti ausführlich auf diese Neuheit ein und überrascht mit bisher kaum genannten Details zur Kooperation mit einem der grössten Werkzeugmaschinenhersteller der Welt.

Herr von Rüti, die NUM-Gruppe gibt es seit 2006, die Wurzeln reichen aber viel weiter zurück.
Das stimmt. Ursprünglich war NUM eine Abteilung von Telemecanique, die 1961 die erste numerische Steuerung entwickelte. Das markierte sozusagen die Geburtsstunde von Num. Die erste NC-Steuerung der Marke Num kam 1964 auf den Markt.

Worin unterscheidet sich Num von den grossen Steuerungs- und Antriebsherstellern dieser Welt?
Es ist eine unserer Stärken als Nischenanbieter – und so definiere ich Num im Reigen der Grossen –, dass wir über so viel Know-how und Kapazität verfügen, um nicht nur eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben, sondern auch, um Soft- und Hardware selbst zu produzieren. Auf der anderen Seite sind wir klein genug, um flexibel auf Kundenanforderungen reagieren zu können, ohne dass gleich grosse Stückzahlen dahinterstecken müssen. Wir bieten branchenspezifische Gesamtpakete, die auch kleinere Maschinenhersteller in die Lage versetzen, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil zu generieren.

Können Sie mir dazu ein Beispiel nennen?
Ein gutes Beispiel ist NumCut, unsere Branchenlösung für Schneidmaschinen. Dahinter stecken nicht nur Softwarekomponenten, um Schneidmaschinen mit drei oder mehr Achsen effektiv ansteuern zu können, sondern wir haben speziell für den 5-Achs-Bereich sogar einen eigenen Schneidkopf entwickelt. Er verfügt unter anderem über die Funktion «Schrägschnittausgleich», die vor allem für das Wasserstrahl- oder Plasmaschneiden wichtig ist. Die Entwicklung eines solchen Schneidkopfes würde viele mittelständische Maschinenhersteller schon rein vom Invest her gesehen überfordern. Mit NumCut können sie sich voll auf ihr maschinenbauliches Können konzentrieren – und wir übernehmen den Rest. Nicht umsonst pflegen wir ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu unseren Kunden.

Wie passt da die Kooperation mit dem taiwanesischen Elektronikriesen Foxconn ins Konzept, immerhin der Hauptlieferant von Apples iPhone und iPad?
Die Firma Foxnum ist eine Tochter von Foxconn. Foxnum produziert die Produkte, wobei wir hier nur einen kleinen Anteil an Hardware liefern. Diese Kooperation existiert seit 2007.

Warum ist darüber so wenig bekannt?

Foxconn hat damals entschieden, eigene Werkzeugmaschinen für seine Fertigung zu bauen. Wir sprechen hier von mehreren Tausend Stück pro Jahr. Und in diesem Zusammenhang wurde eben auch ein Steuerungs- und Antriebslieferant gesucht. Aufgrund von Lizenzvereinbarungen durften wir erst im Jahr 2011 mit dieser Kooperation an die Öffentlichkeit gehen.

Und die Wahl fiel rein zufällig auf Num und nicht auf Fanuc, Mitsubishi oder andere grosse Namen?
Naja, so ganz zufällig war es nicht. Es gab bei Foxconn bereits gewisse Erfahrungen mit Lösungen aus unserem Haus, die überzeugt haben. Und man wollte bei Foxconn auch den Namen Num für die neue Firma nutzen. Für uns ist das natürlich ein schöner Erfolg – für den wir aber auch kämpfen mussten.

Mit dieser Kooperation steigt Num in eine höhere Liga auf, was Stückzahlen angeht. Widerspricht das nicht der eigenen Philosophie?

Wie schon gesagt, die CNCs und Antriebe werden in Lizenz produziert. Wir haben direkt nicht viel damit zu tun. Natürlich war es auch für uns interessant zu sehen, wie es ist, wenn unsere Produkte plötzlich in sehr grosser Stückzahl hergestellt werden. Foxnum und deren Partner stellten jährlich Maschinen in einer Menge her, wie sie der grösste europäische Werkzeugmaschinenhersteller nicht produziert. Trotzdem bleiben wir ganz bewusst Nischenanbieter.Basis der Steuerung bei Foxconn ist die Flexium. Sie wurde in diesem Jahr durch die «Flexium+»-Plattform erweitert.

Was ist neu daran?
Die Flexium wurde 2007 erstmals zur EMO vorgestellt. Die Flexium+ ist ein Mix aus Weiterentwicklung und ganz neuem System. Schon rein äusserlich fällt der 19-Zoll-Bildschirm mit dem Multi-Touch-Bedienfeld auf, wie man es von Tablet-PCs kennt; also mit Funktionen wie Ziehen und Ablegen, Wischen, Zoomen oder Drehen.

Es scheint momentan en vogue zu sein, bei der Steuerungshardware auf Smartphone-Elemente zurückzugreifen?
Wir stehen dem Einsatz dieser Touchfunktionen durchaus kritisch gegenüber und nutzen sie deshalb nur dort, wo sie eine schnellere und direktere Bedienung ermöglichen. So haben wir beispielsweise auf ein virtuelles Handrad verzichtet, da man damit mehr Verwirrung als Nutzen stiftet.

Macht eine virtuelle Tastatur Sinn?
Die neuen virtuellen Tastaturen haben durchaus positive Auswirkungen. Man kann durch einfaches Berühren des Bildschirms zwischen PC- und ISO-Tastatur sowie Maschinenbedienfeld umschalten. Auf Hardwarekomponenten, beispielsweise «Notaus», kann man dennoch nicht ganz verzichten. Deshalb haben wir das Maschinenbedienfeld «MP05» entwickelt, welches den Design-Richtlinien der Flexium+ entspricht.

Welche Highlights fallen sonst noch ins Auge?
Dem Bediener wird sicherlich die gesteigerte Leistungsfähigkeit auffallen, die wir dem Intel-i5-Prozessor verdanken. Generell wurde die Performance des Systems deutlich angehoben. Dazu gehört auch, dass die NumDrive-X-Antriebsverstärker über mehr Leistung verfügen. Zudem haben wir die Bustransferraten verdoppelt. Schliesslich können durch neue Berechnungsalgorithmen feinere Interpolationen und Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden, was wiederum die CNC-Auflösung und Genauigkeit verbessert. Aber auch die Implementierung des Systems wurde vereinfacht...

...wie kann ich mir das vorstellen?
Das fängt bei der ins System integrierten Safety-Architektur an und hört beim stark verringerten Verdrahtungsaufwand sicherlich nicht auf. So haben wir es geschafft, bei der Verdrahtung des Gebers auf das Geberkabel zu verzichten. Auf diese Weise sparen wir uns ein Kabel und damit jede Menge Verkabelungsaufwand. Mit Flexium+ hat der Maschinenhersteller nun die neue SHX/SPX-Motorenbaureihe zur Auswahl, welche wie gesagt nur noch ein Leistungskabel benötigt.

Kommen wir zu einem anderen Bereich, mit dem Num sicherlich Geschichte geschrieben hat: NumRoto.

Seit 25 Jahren gibt es diese Schleifsoftware. NumRoto war und ist zumindest ein ganz wichtiger Teil der Entwicklungsgeschichte des Werkzeugschleifens. Bevor wir damit angefangen haben, war das Schleifen von rotativen Werkzeugen sehr manuell geprägt und vom Wissen des Schleifers abhängig. Um beispielsweise den Schnittwinkel eines Werkzeugs bestimmen zu können, musste man das Werkzeug rechtwinklig ablängen, also zerstören; anders war es nicht möglich. Mit NumRoto kam Software ins Spiel und damit auch der grosse Schritt weg vom hingemetzelten Werkzeug zu einer grafisch simulierten Schneide. Die Schneide lässt sich ab diesem Zeitpunkt grafisch vermessen. Die auf die Maschine gegebenen Daten erzeugen dann ein fertiges Werkzeug, welches der grafischen Simulation entspricht.

Liege ich falsch, wenn ich NumRoto mittlerweile als eines der führenden Werkzeugschleifsysteme tituliere?
Wenn Sie das sagen, Herr Pittrich. Zumindest verfügen wir wahrscheinlich über das breiteste Applikationsfeld. Ich lehne mich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, wir sind Technologieführer.

Wie wichtig ist NumRoto für die Num-Gruppe?
Das Werkzeugschleifen steht alles in allem für rund 25 Prozent des Umsatzes.

Wenn wir schon bei den Prioritäten sind: Welche Rolle spielt eigentlich der Heimatmarkt Schweiz für Num?
Von der Stückzahl her gesehen sicherlich nicht die ganz grosse Rolle. Aber es ist nach wie vor ein absoluter High-End-Markt, der für uns sehr wichtig ist.
– Wolfgang Pittrich

Num AG
9053 Teufen, Tel. 071 335 04 11
www.num.com


Num-Gruppe im Profil
Der Antriebs- und Steuerungshersteller hat Standorte in der Schweiz, Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, England, USA, Taiwan und China. Produziert wird ausschliesslich in Cuggiano (IT).Peter von Rüti: Der studierte Elektroingenieur (52) mit ergänzendem Managementstudium hat Elektronikmechaniker gelernt und 1985 seine berufliche Karriere bei Num als Applikationsingenieur begonnen. Nach Stationen im Vertrieb wurden ihm die Verkaufsleitung International und später die Leitung des Standortes Schweiz übertragen. 2006 übernahm er mit anderen im Rahmen eines Management-buy-outs die Num-Gruppe und ist heute CEO.
www.num.com