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«Stecker einstecken und Freude haben!»

Die Wahl des Datenprotokolls entscheidet einerseits darüber, ob eine Anlage echtzeitfähig ist. Diese Wahl bringt aber gleichzeitig auch Strukturen und Kosten, eventuell sogar Systemeinschränkungen mit sich. Mit Powerlink propagiert der Automatisierungsspezialist B&R eine Sorgloslösung. Die Technische Rundschau hat beim Geschäftsführer von B&R Schweiz, Paolo Salvagno, nachgefragt, weshalb der Maschinenbauer diese Lösung wählen soll.

Herr Salvagno, wann entscheidet sich ein Maschinenhersteller für ein Datenprotokoll und so auch für die Maschinenperipherie und den Hardwareanbieter bei der Steuerung?
Für das erforderliche Datenprotokoll hat er sich bereits bei der Projektierung der Anlage und vor dem Bau des Maschinenprototypen entschieden. Damit ist in der Regel auch schon klar, von welchem Anbieter er die Steuerung bezieht. Die Anforderungen, die das Gesamtprojekt und die Maschine als Teil davon erfüllen müssen, definieren letztlich alles andere.

Welche Kriterien muss der Maschinenbauer bei der Auswahl der Steuerung berücksichtigen?
Es gibt den strategischen Ansatz, also welche Komponenten bei welchem Anbieter verfügbar sind, dann den wirtschaftlichen Gesichtspunkt, also die Anschaffungskosten. Weiter kann es eine Rolle spielen, dass man die Möglichkeit haben will, ein Protokoll wie Powerlink nachträglich selbst zu integrieren. Am wichtigsten sind aber die technischen Kriterien: Brauche ich wirklich ein echtzeitfähiges System? Dann muss ich mich für ein Protokoll entscheiden, dessen Netzwerkjitter möglichst gering ist. Der entscheidet über die Genauigkeit, welche für die Regelung der Achsen notwendig ist, was sich wiederum auf die «Performance» auswirkt. Ebenfalls wichtig: Wie sehen die Netzwerke aus? Sind verschiedene Topologien, also ring-, stern- oder baumförmige Netzwerke, möglich, oder beschränkt mich das Protokoll auf lineare Strukturen?

Welches sind in diesen Betrachtungen die Vorteile von Powerlink?
Es ist das einzige offene Echtzeitprotokoll für industrielle Kommunikation, das bedeutet Investitionssicherheit. Entscheidend ist auch die Leistungsfähigkeit von Powerlink. Dieses Protokoll hält seit 2011 den Weltrekord bei der Synchronisierung von Antriebsachsen: In einer damals in Betrieb genommenen Maschine synchronisierte es erstmals 728 Servoantriebe in 400 Mikrosekunden. Ein weiterer Vorteil von Powerlink ist der, dass man bestehende Applikationsprofile implementieren kann. Als Beispiel: Wenn jemand in einer Anlage mit CANopen gearbeitet hat und zur Ansteuerung von Antriebssystemen weiter darauf setzt, kann er dieses System auf Powerlink übernehmen. Also auch hier: Das Protokoll bietet Investitionssicherheit.

Wie sieht es mit den Kosten aus?
Die Implementierungskosten sind natürlich vom Gerät abhängig, welches es zu entwickeln gilt. Grundsätzlich kann man Powerlink auf jedes echtzeitfähige Betriebssystem portieren. Will man noch kleinere Jitter und höhere Performance erreichen, empfehlen sich FPGAs. Hier hat das Protokoll den Vorteil, das die Verwendung von Standardhardware erlaubt. Lizenzgebühren entfallen, da die Software Open-Source ist.

Woher kommt der stärkste Konkurrenzdruck auf Powerlink?
Das kommt darauf an, ob man nur real existierende Anwendungen vergleicht oder ob man Konzepte, die lediglich auf dem Papier existieren, dazu nimmt. Eigentlich ist nur EtherCAT direkt vergleichbar mit Powerlink, weil es die einzige hart echtzeitfähige Konkurrenz darstellt.

Wird sich eines der zwei Systeme auf Kosten des anderen durchsetzen?

Eher nicht. Aber die Anzahl der installierten Powerlink-Knoten am Markt wächst stetig und die Gründe dafür sind relativ einfach. Auf der einen Seite haben die Komponentenhersteller einen einfachen Zugang zur Technologie und auf der anderen Seite können wir mit unserem Protokoll dem Maschinenbauer eine komplett integrierte Lösung für seine Anwendung liefern. Die Kosten spielen zwar auch eine Rolle, aber durchsetzen werden sich schliesslich mehrere Protokolle, für die es die besten Lösungsmöglichkeiten gibt.

Gehen Sie davon aus, dass die Keyplayer auf dem Weltmarkt wie Siemens, Schneider Electric und Rockwell Powerlink übernehmen oder unterstützen werden?
Schneider ist bereits Mitglied der Powerlink-Nutzerorganisation EPSG. Powerlink hat man schon in mehreren Produkten integriert. Wir hoffen natürlich, dass die anderen nachziehen werden, können das aber natürlich nicht beeinflussen. Möglicherweise werden sie auch einzelne Baugruppen mit Powerlink anbieten, um an diesem Markt teilzuhaben.

Wo liegen die Einschränkungen oder Limiten in der Automatisierung mit Powerlink?

Es gibt grundsätzlich keine Einschränkung für die Anwendung von Powerlink. Durch die Verwendung von OpenSafety können sogar über ein und dasselbe Kabel Standarddaten und sicherheitsrelevante Daten übertragen werden.

Welche Trends sehen Sie in der Automatisierung?
Die Bedeutung der Kommunikation in der Automatisierung nimmt stetig zu. Da ist Powerlink mit Gigabit sicher gut gerüstet für die Zukunft. Weiter sind wir überzeugt davon, dass die industrielle Echtzeit früher oder später die klassischen, aber langsameren Feldbussysteme verdrängen wird. Nicht bei bestehenden Anlagen, aber die neuen werden mit einem Ethernet-basierenden Feldbussystem ausgerüstet werden. Weiter wird die industrielle Kommunikation immer stärker mit der Office-Welt vernetzt, beispielsweise in der Prozessautomatisierung, wo es momentan so aussieht, dass man vom ERP-System bis hinunter zur Maschine alles integrieren will. Bei dieser Entwicklung profitieren wir von den offenen IT-Standards, weil Powerlink direkt auf diese aufsetzt.

Wie beurteilen Sie die allgegenwärtige Cloud-Diskussion?
Der Sicherheitsaspekt wird immer wichtiger. Man wird spezielle Security-Produkte entwickeln müssen, weil alles mit den gängigen Endgeräten und damit mit dem Internet verbunden wird. Heute ist es noch so, dass man immer noch direkten Zugang zur Automatisierung hat und die Maschinen- und die Businesswelt im Moment noch nicht vernetzt sind, gerade aus Sicherheitsgründen. Aber das wird sich ändern. Ob sich die Cloud da voll durchsetzt, wird man sehen. Es ist eine offene Frage, ob genügend Zusatznutzen entsteht, wenn die Maschine direkt mit dem ERP-System verbunden ist.

Wenn ja: Wird sich dadurch im Maschinenbau etwas verändern?
Der Maschinenbauer wird von zusätzlichen Möglichkeiten profitieren können, wie von der Fernwartung, weil man grössere Datenmengen via Internet übertragen kann.Seit einiger Zeit ist das 2006 angekündigte Gigabit-Powerlink verfügbar, das zehn Mal schneller sein soll als Powerlink. Ist das der entscheidende Schritt in die Zukunft?Momentan ist der Bedarf noch gering. Immerhin, einige Kunden haben es bereits implementiert. Man muss aber realistisch bleiben: Wenn ich ein Protokoll einsetze, das eine zehn Mal kürzere Reaktionszeit hat, bedeutet das nicht automatisch zehn Mal mehr Performance auf der Maschine, sondern nur, dass das Protokoll es erlaubt. Die maximal erreichbare Performance der Anlage wird von Komponenten limitiert, die noch auf langsamere Geschwindigkeit ausgelegt sind und so als Flaschenhälse wirken. Aber der Maschinenbauer und Anwender ist mit Gigabit-Powerlink gut gerüstet für die zukünftige Entwicklung. Er kann in bestehenden Anlagen Komponenten gegen solche mit höherer Leistungsfähigkeit auswechseln, ohne dass die Verkabelung angepasst werden muss.

Dann sehen Sie mit Freude in die Zukunft?
Sicher. Bei grossen Datenmengen und Echtzeitanforderung wird Powerlink seine Vorteile weiterhin ausspielen. Und es ist anwenderfreundlich. Ich formuliere das trivial so: Powerlink heisst, den Netzstecker einstecken und Freude haben. Das ist das, was ein Maschinenbauer erwartet, und das wird auch in Zukunft so sein!
- Markus Schmid

B&R Industrie-Automation AG
8500 Frauenfeld, Tel. 052 728 00 55
www.br-automation.com


Powerlink in Kürze

Powerlink und openSAFETY sind zwei patentfreie, herstellerunabhängige, softwarebasierende Technologien, welche als kostenfreie Open-Source-Varianten frei verfügbar sind. Powerlink wurde zur Übertragung von Daten in Echtzeit und openSAFETY zur Übertragung von sicherheitskritischen Daten bis zu SIL3 entwickelt.


B&R und die Nutzerorganisation EPSG

2001 veröffentlichte die österreichische B&R Bernecker+Rainer Industrie-Elektronik das selbst entwickelte offene Feldbus-Protokoll Powerlink. 2003 wurde die Nutzerorganisation EPSG (Ethernet Powerlink Standardisation Group) als unabhängige Organisation von Unternehmen der Antriebs- und Automatisierungsbranche gegründet. Ziel der EPSG ist die Standardisierung und Weiterentwicklung des Protokolls. Die EPSG ist ein eingetragener Verein nach Schweizer Recht und kooperiert mit Standardisierungsorganisationen wie der IEC. Für Powerlink können Produkte auch ohne Mitgliedschaft in der EPSG entwickelt und auf den Markt gebracht werden.