chevron_left
chevron_right

Beste Aussichten

Ingenieur-Berufsanfänger in der Schweiz: Ähnlich wie in anderen Industrieländern, steuert auch die Schweiz auf eine Ingenieurslücke zu. Berufsanfänger haben es deshalb aktuell besonders leicht, einen Job zu finden. Trotzdem sollte man die Bewerbung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die «Technische Rundschau» hat bei Christian Plothe, Geschäftsführer der Staufenbiel Institut GmbH, nachgefragt, auf was Berufseinsteiger besonders achten sollten.

Die Schweiz ist Ingenieurland. Laut einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) kommen in der Schweiz auf 1000 Einwohner 45 erwerbstätige Ingenieure. Damit liegt sie im Ranking von 16 europäischen Industrienationen auf Platz 2; nur in Finnland (62 Ingenieure/1000 Einwohner) liegt der Ingenieurberuf noch höher im Kurs.
Kein Wunder, wenn der Schweizer Ingenieur- und Architektenverband «Swiss Engineering» Anfang des Jahres jubelte: «Wer ein Studium im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) abschliesst, hat deutlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die Absolventen anderer Fachbereiche.»
Basis dieser Aussage ist eine Studie des Bundesamtes für Statistik (BFS), die die Situation von Berufsanfängern mit einjähriger Praxis genauer unter die Lupe nahm. Nicht nur, dass die Erwerbslosenquote bei den MINT-Abgängern tiefer liegt als bei anderen Hochschulabsolventen (3,8 zu 5,5 Prozent), auch die Karriereaussichten scheinen vielversprechender. So steigen 24 Prozent der MINT-Berufsanfänger bereits weit oben in die Karriereleiter ein und liebäugeln früh mit einer Kaderposition, während es bei Absolventen anderer Studiengänge nur knapp 17 Prozent sind.

Oberste Priorität: Die Frage nach der eigenen Qualifikation
Rosige Zeiten also für alle Absolventen mit einem Bachelor oder Master of Engineering in der Tasche? Ja, aber trotz der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten sollte nach wie vor die schlichte Frage nach der eigenen Qualifikation oberste Priorität geniessen. Christian Plothe von der Staufenbiel Institut GmbH kann daher jedem akademischen Berufsanfänger nur raten: «Ihr müsst wissen, was ihr wollt, nur so könnt ihr es finden und andere von euren Vorhaben und Zielen überzeugen.»
Das klingt vielleicht ein wenig banal, aber als Geschäftsführer einer der führenden Anbieter von Personalmarketing und Recruiting-Lösungen für junge Akademiker in der Schweiz weiss er, wovon er spricht: «Bewerber müssen sich bewusst machen, welche Fähigkeiten sie besitzen und wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Wer sich auf diese Weise einen Job sucht, findet mehr als eine Stelle, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er oder sie wird auch einen Lebensinhalt in seinem Beruf finden.»
Eine Jobsuche sollte also möglichst mit den Fragen beginnen: Was kann ich? Was will ich? Und was bietet mir der Arbeitsmarkt? Kommt es dann zu einer Bewerbung, spielt der Lebenslauf eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn das Curriculum Vitae (CV) ist mehr als nur eine persönliche Visitenkarte des bisher Geleisteten, findet jedenfalls Bewerbungsprofi Plothe: «Am häufigsten raten wir den Absolventen: Schaut, dass ihr ein übersichtliches Dossier mit einem aussagekräftigen CV habt. Erklärt dort euren Abschluss, die Schwerpunkte und Inhalte eures Studiums.»
Das gilt besonders vor dem Hintergrund der fast schon ausufernden Titelflut, die im Gefolge der Bologna-Reform über Hochschulen, aber auch Personalentscheider hereingebrochen ist. Was als löbliches Vorhaben begann, um nationale Aus- und Weiterbildungstitel international vergleichbar zu machen, endete in einer Flut kryptischer Abkürzungen. «CAS», «DAS», «MAS» klingt für den aussenstehenden Betrachter eher nach einem Song aus der Sesamstrasse denn nach seriösen Weiterbildungsinhalten. Sogar der AMS Switzerland (Association of Management-Schools) als Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Wirtschaftsfachhochschulen kommen bei diesem Titelwahn gewisse Zweifel: «Oft ist es für Studieninteressenten wie auch Arbeitgeber schwierig zu durchschauen, welches Studium sich hinter einem Akronym verbirgt, welche Kompetenzen vermittelt werden und welcher Mehrwert für die Absolventen entsteht.»
Und dem Personaler als Entscheider über die künftigen Human Ressources eines Unternehmens geht es oft auch nicht besser. «Für die Absolventen mag es selbstverständlich sein, dass ihr Studienabschluss einen Titel hat, den jeder verstehen sollte. Doch auch ein bekannter Titel, etwa ein MBA, sagt noch nichts über die Qualität eines Studiums aus. Hier müssen die Bewerber die Aufklärungsarbeit leisten», weiss Christian Plothe.
Findet ein Recruiter beispielsweise aktuelle Fragestellungen seines Unternehmens im Thema einer Abschlussarbeit wieder, wird er sich dieses Aha-Erlebnis auch von einer dubiosen Titelabkürzung nicht verderben lassen, ist sich der Jobexperte sicher: «Unser Appell geht also an die Bewerber: Lest die Stellenanzeige aufmerksam durch und schaut, warum ihr auf das Anforderungsprofil passt. Wenn ihr beschreiben könnt, wie eure bisherigen Leistungen eurem potenziellen Arbeitgeber einen Mehrwert bieten können, seid ihr auf einem sehr guten Weg.»
Dem CV als Entrée in eine berufliche Karriere kommt auch deshalb so viel Bedeutung zu, weil es für den Personaler die einzige Entscheidungshilfe ist, warum er einen potenziellen Kandidaten zu einem persönlichen Gespräch einladen soll. «Das Anforderungsprofil der Unternehmen, für die wir arbeiten, ist sehr konstant», bemerkt Christian Plothe. «Sie suchen Bewerber, die ein klares Bild haben, was sie in einem Unternehmen leisten und erreichen möchten. Und dieses Engagement erkennen Personaler im Lebenslauf eines Bewerbers.»
Dazu gehört auch, die Stellenanzeige genau zu lesen und Akzente richtig zu setzen. Der Bewerber sollte also zwischen den Muss-Kriterien («Voraussetzung ist ein Abschluss in Elektrotechnik») und den Kann-Kriterien («möglichst Auslandserfahrung») genau unterscheiden. Die Begeisterung für die eigenen Hobbys («Reisen in fremde Länder und Kennenlernen fremder Kulturen») könnte sonst schnell zu einem Eigentor werden.
Wobei, und darauf weist Staufenbiel-Geschäftsführer Plothe explizit hin, die sogenannten Soft Skills nicht zu unterschätzen sind. Denn sie machen die Persönlichkeit eines Bewerbers aus: «Soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit oder Empathie und persönliche Fähigkeiten wie Ausdauer und Ehrgeizig sind für die meisten Arbeitgeber wichtig.»
Neben den guten bis sehr guten Jobaussichten bietet die Schweiz für seine Jungingenieure noch ein weiteres Schoggi: Das Einstiegssalär ist im europäischen Vergleich Spitzenklasse. Freut sich beispielsweise der deutsche Ingenieurnachwuchs über ein Anfangsjahresgehalt von rund 40 000 Euro, wird sein Schweizer Kollege darüber nur lächeln können. Berufseinsteiger in der Schweiz, so der Branchenverband Swiss Engineering, «können nach dem Studium mit einem Anfangslohn von rund 80 400 Franken rechnen.»
«Ob diese Salärhöhen gerechtfertigt sind», räsoniert Christian Plothe, «ist eine berechtigte Frage, die letztlich zwischen Angebot und Nachfrage entschieden wird.» Wenn es danach geht, könnten sich die Einstiegslöhne sogar noch weiter nach oben bewegen. Denn neben einer generellen Ingenieurlücke droht laut VDI-Studie den Schweizer Ingenieuren die Überalterung. Über 20 Prozent sind über 55 Jahre alt; schlechter schneidet im Vergleich der 16 europäischen Industrienationen nur Deutschland ab. An der Spitze liegt Irland mit 8,3 Prozent. Auch beim Verhältnis alt zu jung nimmt die Schweiz einen der letzten Plätze ein. So kommen auf 100 erwerbstätige Ingenieure im Alter von «55+» nur 138 Ingenieure im Alter bis 34 Jahre. Zum Vergleich: Der Spitzenreiter Irland bringt es auf 547.
Und noch ein Manko bleibt: Bei der Frauenquote der Ingenieurabsolventen liegt die Schweiz mit 19,5 Prozent im letzten Drittel; Griechenland bringt es hier auf immerhin 40 Prozent.
Leider fehlen in der Schweiz aussagekräftige Zahlen, ob und welchem Umfang die Industrie auf einen Ingenieurmangel zusteuert. Aber es kommt dem reinen Bauchgefühl schon sehr nahe, wenn der Branchenverband Swiss Engineering fordert: «Trotz aller Anstrengungen wird die Schweiz auch in Zukunft auf gut ausgebildete Ingenieure aus anderen Ländern angewiesen sein.» Alleine, sie werden nicht mehr nur aus dem angrenzenden EU-Raum kommen. Denn auch dort herrscht bereits ein intensiver Kampf um den besten Ingenieurnachwuchs. •
Wolfgang Pittrich
Staufenbiel Institut GmbH
DE-60487 Frankfurt a. Main
Tel. +49 69 25 537-0
www.staufenbiel.ch


Tipps und Tricks zur richtigen Bewerbung
Vor der Jobsuche sollte eine Stärke-Schwäche-Analyse stehen: Was kann ich? Was will ich? Und was bietet mir der Arbeitsmarkt?
Im CV (Curriculum Vitae) sollten der Abschluss, die Schwerpunkte und der Inhalt des Studiums genau beschrieben sein. Für die Personaler können die Inhalte und die Zeit, die für ein Studium aufgewendet wurden, ausschlaggebend sein.
In der Bewerbung sollte der erlangte Titel genau beschrieben werden. Master ist nicht gleich Master, und nicht jeder Personaler kann die Titelbezeichnung korrekt zuordnen.
Die Stellenanzeige sollte genau gelesen und daraufhin eine schlüssige Darstellung abgegeben werden, warum man gerade auf dieses Anforderungsprofil passt und welchen Mehrwert man dem Unternehmen bieten kann.
Neben dem individuellen fachlichen Wissen sollte der Hinweis auf die persönlichen Soft Skills nicht fehlen (Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Ausdauer, Ehrgeiz)



Staufenbiel Institut
Der Recruiting-Dienstleister sieht sich als führender Jobvermittler für junge Akademiker in der Schweiz. Mit dem «Absolventenkongress Schweiz» wird seit 1989 die grösste Jobmesse für den akademischen Nachwuchs in der Schweiz veranstaltet (www.absolventenkongress.ch). Und das Onlineangebot www.staufenbiel.ch ist mit 100 000 Visits pro Monat die besucherstärkste Karriere-Website für Studierende und Absolventen auf dem Schweizer Markt.