chevron_left
chevron_right
Management

Noch fehlt der richtige Schwung

Zwei Jahre Euro-Stützungskäufe: Die Devisenintervention der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sorgt seit September 2011 dafür, dass der Franken nicht unter 1.20 zum Euro fällt. Diese Massnahme hat viel zum Überleben der Schweizer MEM-Landschaft beigetragen. Die «Technische Rundschau» wollte wissen, wie es aktuell um die Befindlichkeit der Unternehmen bestellt ist.

Am 6. September 2011 veröffentlichte die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine dürre Vernehmlassung mit weitreichenden Folgen. Unter anderem heisst es darin: «Die Schweizerische Nationalbank strebt daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens an. Sie toleriert am Devisenmarkt ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter dem Mindestkurs von 1.20.»
Für nicht wenige Schweizer Zulieferbetriebe der Maschinen-, Elektro- und Metallbranche (MEM) waren diese Zeilen das Billett zum Überleben. Branchenkenner gingen damals davon aus, dass zwischen 30 und 40 Prozent der Schweizer MEM-KMU den hohen Frankenkurs gar nicht oder nur schwer angeschlagen überleben würden. Heute, zwei Jahre nach Einführung der Stützungskäufe, scheint sich die Lage entspannt zu haben, wenn auch auf niedrigem Niveau.
Fakt ist, dass die Ertragslage der Unternehmen deutlich geschmälert wurde, bemerkt Oliver Müller, Verbandsdirektor des Branchenverbandes Swissmechanic: «Man kann davon ausgehen, dass heute das Preisniveau unserer Branche in Franken ausgedrückt mindestens 10 Prozent tiefer liegt als vor Beginn der Krise. In einer Branche, in der Ebit-Margen im zweistelligen Bereich hervorragend sind, heisst das, dass die Gewinne bei einer Mehrheit der KMU eingebrochen sind.» Eine Folge davon spüren die KMU ganz deutlich. «Wir stellen einen verschärften Preiskampf fest», sagt Marcel Egli, Geschäftsführer der Egli Maschinenbau AG.
Für Raphael Jehle, Geschäftsführer der Jehle AG, ist das allerdings nur ein Aspekt. Er konstatiert in Summe ein langsames Ausbluten der Schweizer Lohnfertiger: «Das lief sozusagen in drei Phasen ab. Phase 1: Wir bekommen weniger Geld für unsere Leistung. Phase 2: Es ist eine knappere Kalkulation gefordert bei deutlich geringeren Margen. Zudem müssen wir um die Aufträge viel mehr kämpfen. Phase 3: Wir werden zum Teil gar nicht mehr angefragt, da gewisse Firmen sich vom Schweizer Einkaufsmarkt verabschieden wollen.»
Etwas differenzierter beurteilt Fréderic Springmann die Lage. Der Geschäftsführer des Werkzeugmaschinenhandelshauses Springmann SA/AG zählt als Händler zu den indirekt Betroffenen, wenn den Unternehmen die Mittel zum Investieren fehlen. Was ihm hilft, ist die Verteilung des Geschäftes auf mehrere Standbeine: «In gewissen Bereichen waren wir mit einem klaren Rückgang konfrontiert. Die Vielfältigkeit unserer Produktpalette – auch in Nischenmärkten – sowie eine breite Branchenverteilung unserer Kundschaft ermöglichen jedoch einen gewissen Ausgleich.»

Dem Handel nützt der tiefe Euro – theoretisch

Wobei sich Stimmen mehren, die gerade den Handelsbereich als Gewinner des schwachen Euros sehen: Produkte aus dem EU-Raum können günstig importiert werden. Auch hier hält Springmann dagegen: «Spontan könnte man das meinen. In Tat und Wahrheit haben wir es jedoch mit einem zweischneidigen Schwert zu tun: Unserem Handelsunternehmen, welches fast ausschliesslich Produktionsmaschinen und die dazu passende Peripherie aus Europa bezieht, ermöglicht der Wechselkurs effektiv, unserer Kundschaft einen zusätzlichen Vorteil anbieten zu können.» Wenn überhaupt Geld ausgegeben wird.
Denn die zurückgehenden Margen, so Springmann, «wirken sich nicht gerade sehr fördernd auf die Investitionen aus». Und falls gekauft wird, dann gezielt dort, wo der Franken seine Kaufkraft ausspielen kann, wie auch Raphael Jehle bemerkt: «Das Einkaufsvolumen wird verstärkt in den Euro-Raum verlagert.»
Um die Margen wieder flottzubekommen, war bereits frühzeitig nach Ausbruch der Krise die Rede von Auslagerung oder Teilauslagerung ins billigere Ausland. Aus heutiger Sicht keine durchschlagende Lösung, wie es sehr deutlich Marcel Egli formuliert, dessen 12-Mann-Unternehmen als Lohnfertiger auf spanende Bearbeitung spezialisiert ist: «Für uns als kleiner Fertigungsbetrieb ist das kein Thema. Uns fehlen die Mittel, und die Risiken sind gross.»
Aber auch für den über 100 Mitarbeiter zählenden Blechbearbeiter und Automobilzulieferer Jehle AG ist der Weg ins Ausland mehr als ein steiniger: «Für ein Unternehmen unserer Grössenordnung», sagt Raphael Jehle, «und bei der damit geforderten Kapitalintensität ist dies nicht schnell durchführbar.» Er warnt zudem vor weitreichenden Folgen für den Werkplatz Schweiz: «Was betriebswirtschaftlich Sinn macht, ist volkswirtschaftlich eine Katastrophe. Dadurch werden Arbeitsplätze dauerhaft ins Ausland verlagert. Eine De-Industrialisierung ist die Folge.»
Ganz so schwarz möchte Verbandsdirektor Oliver Müller nicht malen: «Für unsere Firmen stellt sich die Frage: Sind alle Tätigkeiten im Unternehmen in diesem Umfeld zu halten? Wenn einfache Arbeiten nicht Know-how-relevant sind, aber bei der Eigenproduktion zum Kostennachteil werden, dann muss man sich überlegen, ob man diesen Nachteil nicht durch Zukauf entsprechender Komponenten oder die Verlagerung der Tätigkeiten eliminieren kann.»
Ist der Weg ins Ausland versperrt oder nicht praktikabel, müssen andere Lösungen her. Welche, davon hat Raphael Jehle sehr genaue Vorstellungen. Zum einen ist es für ihn wichtig, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu besinnen. Zum anderen geniesst die Optimierung der Produktion eine hohe Priorität: «Wir forcieren unsere Automatisierungsanstrengungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Anlagenauslastung.» Sein Credo lautet daher: «Während viele Firmen die Arbeitszeit erhöht haben, habe ich immer dafür plädiert, die Effizienz zu erhöhen. Dazu gehören, Ratio-Potenziale aufzudecken und sich ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln.»
Auch Fréderic Springmann hält aus seiner Erfahrung heraus den Blick auf den Workflow für sinnvoll: «Innovative Fertigungslösungen und entscheidende Industrialisierungsprozesse sind Investitionen, die sich rechtfertigen lassen, weil sie dem Kunden helfen, wirtschaftlicher oder prozesssicherer zu produzieren.»
Ein Mittel, auf das in Krisenzeiten immer gerne zurückgegriffen wird, ist der Abbau von Arbeitsplätzen. Doch dieses Schwert scheint den Schweizer Unternehmen zu stumpf, um als schlagkräftige Waffe zu dienen. «Es ist eine Möglichkeit», sagt Raphael Jehle, «stellt aber keine strategische Massnahme dar. Aufgrund des Fachkräftemangels sind wir getrieben, die gut ausgebildeten Mitarbeiter zu halten, denn sonst besteht die Gefahr des Know-how-Verlustes. Und Know-how ist das, was die Schweizer Industrie ausmacht.» Auch Marcel Egli sieht keinen Handlungsbedarf: «In der jetzigen Situation werden wir keinen Mitarbeiter einstellen, aber auch keinen abbauen.»
Obwohl die Situation immer noch angespannt bleibt, ist bei einigen Unternehmen, wie der Jehle AG, vorsichtiger Optimismus angesagt: «Trotz schwieriger Auftragslage erhalten wir immer wieder neue Aufträge. Jedoch können von der Nominierung für ein Projekt bis tatsächlich Umsatz generiert wird, bis zu zwei Jahre vergehen. Wir sind verhalten optimistisch. Falls der Euro-Franken-Kurs sich zu unseren Gunsten entwickelt, so sind wir zumindest fitter als vor der Krise. Das stimmt uns zusätzlich positiv.»
Ein wenig vorsichtiger möchte Fréderic Springmann die nahe Zukunft interpretieren: «Ich denke nicht, dass wir insgesamt zu einer euphorischen Lage tendieren. Vielmehr bin ich der Meinung, dass die strategischen Investitionen, die wir heute in die Wege leiten, die Stellung am Markt bis dahin entscheidend beeinflussen können.»
Sorge bereitet ihm vor allem der Asien-Hype: «Was mich beunruhigt ist, dass Europa so stark von Asien abhängt. Der Exportanteil vieler europäischer Unternehmen nach Asien ist auf ein Niveau angestiegen, das fatale Auswirkungen haben könnte. Auch der sehr grosse Anteil an asiatischen Produkten, welche bei uns gekauft werden, hat einen massiven Einfluss auf den Werkplatz Schweiz und Europa. Wie es uns in Zukunft gehen wird, wenn diese Entwicklungslinie weiter geradeaus fährt, verdient tatsächlich ein Nachdenken.» Eines ist für ihn sicher: «Jeder von uns ist durch sein Verhalten Bestandteil der Antwort.»
Auch Raphael Jehle ist in seiner Analyse der nahen Zukunft nicht frei von Zweifeln: «Es ist nicht zu vergessen, dass um uns herum die meisten Länder mit hohen Schulden und hohen Arbeitslosenzahlen zu kämpfen haben. Das wirkt sich negativ auf die Konjunktur aus.»
Fakt ist, die Eurokrise hat deutliche Spuren hinterlassen. Trotz vorsichtigem Optimismus schwingt immer noch die Sorge vor Rückschlägen mit. Eine Lehre daraus lautet: Der Swissness-Gedanke, so Swissmechanic-Direktor Oliver Müller, zählt mehr denn je: «Das Wichtigste, was wir aus dieser Krise lernen müssen, ist, dass wir nur mit Top-Know-how, Zuverlässigkeit und Innovation weiter eine Chance haben, in der Schweiz zu produzieren. Damit lohnend produziert werden kann, müssen dafür Märkte gefunden werden. Dies wiederum bedingt den Mut, seine Situation zu überdenken und sich zu fokussieren.»•
-Wolfgang Pittrich

Egli Maschinenbau AG
5000 Aarau, Tel. 062 824 22 89
sekretariat@egli-cnc-ch

Jehle AG
5275 Etzgen, Tel. 062 867 30 30
jehleag@jehleag.ch

Springmann SA/AG
2008 Neuchâtel, Tel. 032 729 11 22
admin@springmann.ch

Swissmechanic
8570 Weinfelden, Tel. 071 626 28 00
info@swissmechanic.ch

Marcel Egli, Egli Maschinenbau AG, ist Realist: «Ich habe gelernt, dass mir schlussendlich niemand hilft. Verbände können in gewissen Situationen beratend unterstützen. Aber wenn man keine Aufträge hat, dann hilft auch ein Verband nicht.»

Fréderic Springmann, Springmann SA/AG, hat Verständnis für die KMU: «Sicher hat das wirtschaftliche Umfeld leider gewisse Firmen sogar dazu gezwungen, die Produktion zu verlagern. Doch gibt es bei uns nach wie vor Unternehmen, die in der vorteilhaften Lage sind, antizyklisch investieren zu können; dies bleibt der ideale Kaufprozess.»

Oliver Müller, Swissmechanic: «Die guten Resultate grosser Industriefirmen in unserem Land verzerren die Wahrnehmung. Sie wurden oft nur möglich durch die internationale Verankerung dieser Firmen, und die positiven Resultate werden oft ausserhalb unseres Landes generiert. Die Schweizer KMU, die diese Möglichkeiten nicht haben, sind auf die guten Rahmenbedingungen in der Schweiz angewiesen.»

Raphael Jehle, Jehle AG: «In den Wachstumsmärkten sollte man so präsent wie möglich sein. Wir als Zulieferer gehen nicht direkt in diese Märkte, profitieren aber davon, dass es unsere Kunden tun.»Eine Lehre der Eurokrise: Die Stärke der Schweizer Unternehmen heisst Swissness und muss jetzt mehr denn je forciert werden.