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Am Rande des Machbaren

Serie Härten von metallischen Bauteilen, Teil 3: Härten wird heute meist als Dienstleistung eingekauft. Aber immer noch ist es eine Kunst, das richtige Verfahren für den richtigen Werkstoff und den richtigen Einsatzzweck in Einklang zu bringen. In einer vierteiligen Serie vermittelt die Härterei Gerster AG als grösster Schweizer Härtereidienstleister einen Einblick in die geforderten Fertigkeiten und gibt wichtige Praxistipps. Teil 3 behandelt die thermochemischen Diffusionsverfahren.

 

Der Hauptnutzen einer thermochemischen Diffusionsbehandlung (TDV) von Stahl liegt in der Verbesserung von Beständigkeit gegen Verschleiss durch eine harte Randschicht bei einer gleichzeitig hohen Zähigkeit des Kerns. Die eindiffundierten Elemente verhelfen dem Werkstück zu einer keramikähnlichen Oberflächencharakteristik.

Beim Nitrieren von Stahl entsteht folgender Schichtaufbau: Aus­senschicht, Verbindungsschicht (VS), Diffusionszone (DZ) und Kernzone (KZ). Die Verbindungsschicht besteht aus Nitriden mit keramikähnlichen Eigenschaften wie gute Gleitwerte sowie hohe Härte gegen Verschleiss. In der Diffu­sionszone (DZ) nimmt die Konzentration vom eingebrachten Stickstoff und allenfalls Kohlenstoff und damit die Härte stetig ab. Sie dient der VS als Stützschicht. Darunter befindet sich die Kernzone (KZ).

Die so entstehende harte Aussenzone kann bei gewissen Bauformen wie wellenförmige Teile als «Exoskelett» dienen. Das heisst, die Bauteilaussenhaut fungiert als harte, versteifende Schale, welche Biegefestigkeit sowie Biegewechsel­festigkeit steigert. Speziell Stähle, die aufgrund eines zu geringen Kohlenstoffanteils (< 0,3 Prozent) klassisch nur unzureichend gehärtet werden können, sind im Fokus der TDV.

Der vorliegende Bericht konzent­riert sich auf gas- und plasmabasierende Nichtmetall­diffusionen und deren sinnvolle Einsatzmöglichkeiten: Einsatzhärten, Carbonitrieren, Nitrieren und Nitrocarburieren. Ebenfalls Berücksichtigung findet das Hard-inox-Verfahren zur Aufstickung von rostfreien Stählen.

Einsatzhärten (Randaufkohlen per Diffusion und Abhärten mittels Austenitisierung und Abschreckung) ist ein oft benutztes Wort im Engineeringalltag; aber wo liegt die optimale Verwendung dieses Verfahrens? Die richtige Zielhärte ist die eine, die Kostenbetrachtung die andere wichtige Aufgabe. Einsatzhärten ist zeitaufwendig, bringt aber den Vorteil, dass aus günstigem, kohlenstoffarmem Stahl beispielsweise ein innen zähes und aussen verschleissfestes Zahnrad entsteht. Häufig verlangt sind Schichtdicken von bis zu 2 mm bei rund 20 h Prozessdauer.

Das Carbonitrieren kommt in erster Linie bei un- oder niedriglegierten Stählen zum Einsatz. Es handelt sich eigentlich um Einsatzhärten mit Stickstoffzugabe. Letztere führt nicht wie beim Nitrieren zu zusätzlicher Härte, sondern verstärkt die Wirkung des Kohlenstoffeintrags. Häufig werden Stanz- und Biegeteile, also Massenprodukte, damit behandelt. Gängige Verbindungsschichtdicken (VS-Dicken) betragen bis zu 20 µm.

Beim Gas-Nitrieren lagert man härtegebenden und Nitridphasen-bildenden Stickstoff in der Randschicht ein. Praktischer Nutzen: Gemischte Chargen können als Schüttgut gefahren werden, da das Prozessgas jede Stelle im Ofen erreicht. Die Gleiteigenschaften der keramikähnlichen Struktur sind ausgezeichnet und werden deshalb unter anderem im Hydraulik-Motorenbereich genutzt.

Durch optimierte Prozessführung kann beim Gasnitrieren bewusst die spröde Verbindungsschicht bis zu einem gewissen Mass unterdrückt werden. Das bringt den Vorteil, dass bei Werkzeugen für Spritz- oder Druckgussteile diese harte Schicht nicht aufwendig mechanisch entfernt werden muss; ein klarer Zeit- und Kostenvorteil!

Das Gas-Nitrocarburieren basiert auf der Anreicherung mit Stickstoff und Kohlenstoff. Besonders niedrig- und mittellegierte Stähle werden so verschleissfester bei einer Verbesserung der Härte und der tribologischen Eigenschaften wie Abrasion, Adhäsion und Oberflächenermüdung.

Die Verfahren Plasma-Nitrieren und Plasma-Nitrocarburieren laufen in einer ionisierten Atmosphäre ab. Die Empfänglichkeit der Metall­oberfläche für den Stickstoff und Kohlenstoff wird durch sogenanntes «Sputtering» (Ionenbeschuss) erreicht. Ein Vorteil ist die Bandbreite prozesszulässiger Werkstoffe: Niedrig- bis hochlegierte Stähle sowie Nickel-, Kobalt- und Titanwerkstoffe sind geeignet.

Weiterer Vorteil ist die Einfachheit des Abdeckens nicht zu härtender Zonen: Eine rein mechanische, nicht gasdichte Abdeckung reicht: Man legt zum Beispiel einen Deckel auf eine Gewindebohrung. Sogar rostfreie Stähle können plasmanit­riert werden, verlieren aber einen Teil ihrer Korrosionsbeständigkeit.

Um gleichzeitig Härte und Korrosionsbeständigkeit zu steigern, hat die Härterei Gerster AG das Hardinox-Verfahren entwickelt. Ausgangspunkt war das Bedürfnis, ferritische, martensitische und austenitische rostfreie Stähle härten zu können, bei gleichzeitigem Erhalt oder einer Steigerung der Korrosionsbeständigkeit. Letzteres wird erreicht, indem durch den Prozess das Chrom nicht zu Chromnitriden abgebunden wird, sondern weiterhin für die Passivierung (Chromoxid gegen Rostbefall) verfügbar ist.

Hauptprozesselemente sind Stickstoff und Kohlenstoff. Martensitische und ferritische rostfreie Stähle werden mittels Hardinox-P-Verfahren behandelt. Die Schichtdicke beträgt bis zu 1 mm bei einer Randschichthärte von 55-58 HRC. Der grosse Vorteil für das Bauteil besteht darin, dass aus einem festen und zähen Kernmaterial wie 1.4057 ein Bauteil mit der Korrosionsbeständigkeit eines austenitischen rostfreien Stahls entsteht.

Austenitische rostfreie Stähle werden mit dem Hardinox-S-Verfahren behandelt. Die Schichtdicke liegt hier zwischen 0,01 und 0,03 mm bei über 900 HV Härte. Typische Anwendungen finden sich im Automobilbau, der Feinmechanik (1.4404), beim Chemie-, Pharma- und Lebensmittel-Apparatebau (1.4435) sowie in der Ventiltechnik.

(Der 4. Teil der Serie erscheint in der Novemberausgabe TR 11/14; der 1. Teil erschien in der Ausgabe TR 8/14, der 2. Teil in der Ausgabe TR 9/14.)


Härterei Gerster AG
4622 Egerkingen, Tel. 062 388 70 00
gersterag@gerster.ch