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Konferenz: «Digitalisierung in der Industrie»

220 Teilnehmende informieren sich am 5. September an der HSR über das digitale Wettrennen. Die Digitalisierung hat die Spielregeln des Wettbewerbs verändert. Kein Uhrenhersteller dachte vor 10 Jahren, dass ein Tech-Konzern einmal zum Mitbewerber werden könnte. Kein Taxiunternehmen hat sich vor 5 Jahren vor eine Smartphone-App gefürchtet. Gegen solche Innovationen hilft nur die Flucht nach vorn. An der Digitalisierungs-Konferenz der HSR informierten sich mehr als 220 Unternehmer, wie sie im digitalen Rennen bestehen können.

Digitalisierung ist kein Buzzword mehr, sondern hat heute tiefgreifende reale Auswirkungen auf ganze Branchen. Aktuelles Beispiel ist laut Nicolas Bürer, Managing Director beim Verein Digital Switzerland, die Taxibranche. Sie wurde und wird immer noch von einem digitalen Geschäftsmodell erfolgreich angegriffen und verdrängt. Die Attacken kommen nicht mehr nur von Mitbewerbern, sondern aus völlig unerwarteter Richtung: Eine Smartphone-App wird zum Mitbewerber einer physischen Branche.

 

Ein anderes Beispiel sei ein europäischer Online-Kleider-Versandhändler, der in der Schweiz zwar rund 500 Millionen Franken Umsatz mache, aber keinen einzigen Arbeitsplatz in der Schweiz anbiete – auf solche Entwicklungen müsse man ein Auge haben, so Bürer. Er fasste in seinem Referat die mit digitalen Mitteln stark erhöhte Geschwindigkeit und den Druck im weltweiten Wettbewerb zusammen und rief zu mehr schweizweiter Kooperation auf, um zusammen mit Politik, Bildung, Start-ups, bestehenden Unternehmen und öffentlicher Kommunikation auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren.

 

Die rund 220 anwesenden Unternehmer verfolgten an der HSR ein dichtes Programm aus Praxisbeispielen, wie andere Unternehmen ihren Weg im digitalen Rennen gehen. Vom Start-up über Familienunternehmen bis zum Grosskonzern reichte die Speakerliste.

Aktuell hat die Schweiz im weltweiten Vergleich noch einen digitalen Vorsprung. „Aber den müssen wir verteidigen“, sagte FDP-Nationalrat Marcel Dobler in seinem Impulsreferat. Von eID und eVoting über autonomes Fahren bis zum digitalen Zoll reichte seine Auflistung der politischen und unternehmerischen Handlungsfelder. Statt dem „Businessmodell Jammern und Moratorien“ zu folgen, brauche es vorwärts gerichtete Impulse. Die Schweiz habe mit ihrem vergleichsweise hohen Bildungsgrad sehr gute Voraussetzungen für die Digitalisierung, so Dobler weiter, diese gelte es zu nutzen. Als Möglichkeit, diese guten Voraussetzungen anzuzapfen, empfahl HSR Rektorin Prof. Dr. Margit Mönnecke das DigitalLab@HSR, in dem sich die Digitalisierung nicht nur „passiv erleben, sondern aktiv gestalten und vorantreiben“ lasse.

 

Dass auch KMU erfolgreich digitalisiert werden können, zeigte Beat Jud, CEO und Verwaltungsratspräsident des Familien-Bauunternehmens JMS-Gruppe. In seinem Vortrag stellte er vor, wie heute drei Disponenten das Flottenmanagement für über 50 Lkw – die zwischen Baustellen, Betonwerken und Kieswerken verkehren - digital steuern und überwachen können. Gleichzeitig werden Aufträge digital erfasst, Kundenrapporte erstellt, Abrechnungen ausgefüllt und der Baustellen-Zutritt für Lkw inklusive Beladung und Menge digital erfasst und automatisch autorisiert. Das Unternehmen könne heute den gesamten Aushub-, Beton- und Baustellen-Kreislauf zentral und effizient steuern, so Jud. Die digitale Fahrzeug-Erkennung für die Baustellen wurde dabei in Zusammenarbeit mit der HSR entwickelt.

 

Weitere Vorträge zeigten Best-Case-Beispiele für eine erfolgreiche Digitalisierung aus der Wirtschaft. Die Maxon Motor AG berichtete, wie durch einen Online-Konfigurator die Variantenvielfalt in der Produktion beherrscht wird. Die ABB Turbosystem AG zeigte, wie der digitale Aussendienst (Digital Field Service) per App und Smartphone unter erschwerten Bedingungen möglich wird. Weitere digitale Praxisbeispiele folgten von der Bossard Group (Digitales Businessmodell für einen C-Teile-Lieferanten), vom Bosch-IoT-Lab@HSG (Ertragsmodelle im IoT- Geld verdienen, aber wie?), von der Tracktics GmbH (How to build a promising startup in the digital world?), von der Robert Bosch GmbH (Industrie 4.0: From Vision to Reality), von Cognizant Technology Solutions (What to do when machines do everything?).

 

Auch die Schweizerische Post AG gab einen Einblick in ein Unternehmen, das die „digitale Transformation in einem etablierten Geschäftsfeld“ meistern muss. Claudia Pletscher, Leiterin Entwicklung und Innovation, fasste den Ansatz der Post so zusammen: „Nicht ersetzen, sondern vernetzen, was schon da ist.“ Beispiele folgten am Laufmeter: Sensoren in Briefkästen der Post überwachen und melden Luftqualität und Lärmbelastung im Auftrag von Städten; Digitalisierte Medikamentenschränke in Spitälern werden praktisch unbemerkt, abhängig vom digital gemeldeten Bedarf, über Nacht neu befüllt; Drohnen tragen dringende Laborproben in Lugano per Luftpost über den Stau hinweg. Pletscher schloss ihren Vortrag mit den Worten „Digital ist nicht irgendein Ding – es ist eine neue Art, Dinge zu tun.“

 

Zum Abschluss der Digitalisierungskonferenz wurde der Preis der EY Start-up Challenge verliehen, die parallel zur Konferenz stattfand. Innerhalb dieses Wettbewerbs wurde durch eine Expertenjury die beste Start-up-Idee von Studierenden und Assistenten gekürt. Das Start-up „GrapeCheck“ bestehend aus Michèl Odermatt, Bernhard Fradl sowie deren Team, gewann eine zweitätige Workshop-Reise nach Spanien, wo sie ihre Idee mit professioneller Begleitung durch EY-Vertreter in einen fundierten Businessplan verwandeln können. Zusätzlich unterstützt die HSR mit der Infrastruktur und Ressourcen bei der Entwicklung und Erstellung des ersten Prototyps. „GrapeCheck“ will Rebberge digitalisieren und mit einer Plattform verknüpfen, die auf der Basis von Sensordaten Vorhersagen und Zustandsmeldungen für Winzer generieren kann.

 

hsr.ch/digitalisierungskonferenz17