chevron_left
chevron_right

Dekorativ, funktional und von hervorragendem Klang

Über 140 Fachleute aus Industrie und Hochschule trafen sich zum fünften Rapperswiler Kunststoffforum. Eingeladen hatte das Institut für Werkstofftechnik und Kunststoff­verarbeitung der HSR, Hochschule für Technik Rapperswil. Mit dieser alljährlichen Veranstaltung fördert das IWK seit 2006 die Zusammenarbeit zwischen Praxis und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung. - Irene Jung

Wie lassen sich beim Spritzgiessen Ressourcen und Kosten sparen und zudem Bauteile dekorativer und funktionaler gestalten? Antworten auf diese Fragen gab IWK-Institutsleiter Frank Ehrig in seinem Vortrag «Innovative Produktionstechniken und Funktionsintegration beim Spritzgiessen». Denn, wie er einleitend anmerkte, die Kunststoff verarbeitende Industrie wird von ihren Kunden in den letzten Jahren mehr denn je aufgefordert, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Spritzgussteile besonders effizient auszulegen. Aufbauend auf frühere Projekte, die u.a. anlässlich des letzten Rapperswiler Kunststoffforums vor zwölf Monaten vorgestellt wurden («Technische Rundschau» berichtete in Ausgabe Nr. 19/20 2009), präsentierte er aktuelle Weiterentwicklungen des IWK, die meist in Zusammenarbeit mit der Industrie und andern Hochschulinstituten realisiert wurden. Dazu gehört die erfolgreiche Simulation der gesamten Prozesskette des Metallfolienhinterspritzens – von der Vorformung der Metallfolie bis zu deren Umformung während des Hinterspritzens. «Wenn z.B. beim Hinterspritzen von Metallfolien die Folien immer wieder reissen, ist die Ursache dieses Produktionsproblems relativ schwer herauszufinden, denn das Werkzeug ist ja während des Einspritzvorgangs geschlossen. Hier hilft uns die Simulation des Prozesses, denn dadurch gewinnen wir sehr wichtige Erkenntnisse und können nachvollziehen, wie sich die Folie beim Einspritzvorgang verhält – zum Beispiel wie sie sich verformt, wo Falten auftreten und zu welchem Zeitpunkt sie gegebenenfalls reisst», erklärte Frank Ehrig.

Funktionale Elemente integrieren
Auch die Weiterentwicklungen, die das IWK in Zusammenarbeit mit seinem Schwesterinstitut ICOM beim Einbringen von Beleuchtungselementen (LEDs oder Elektrolumineszenz) in Kunststoffteile erfolgreich umsetzen konnte, wurden den Tagungsteilnehmern vorgestellt. «Im letzten Jahr haben wir Ihnen bereits gezeigt, für welche Einsatzgebiete sich derartige Teile eignen – beleuchtete Schalter für Haushaltsgeräte zum Beispiel oder es können Bauteile im Innenraum von Automobilen so gestaltet werden, dass sie zum einen gut aussehen und zum anderen bei Nacht dank der Beleuchtung einfacher zu finden sind; allerdings war bei den Bauteilen, die wir vor einem Jahr zeigten, auch bei inaktiver Beleuchtung die Struktur des Schriftzugs oder des Logos, das beleuchtet werden sollte, auf der Oberfläche des Teils zu sehen. Inzwischen können wir für das Herstellen derartiger Bauteile auf Wunsch auch Folien verwenden, die wir hinterspritzen und die im unbeleuchteten Zustand so aussehen, als wäre die Oberfläche absolut homogen; erst wenn die Beleuchtung aktiviert wird, sind die Schriftzüge, Logos oder Piktogramme zu erkennen, die dargestellt werden sollen», lautete das Update von Frank Ehrig in Bezug auf beleuchtete Bauteile. Carbonfaserschallstücke einfach hergestellt Eine interessante Innovation präsentierten der stellvertretende Institutsleiter des IWK, Markus Henne, sowie Andreas Keller von der CarbonHorns Swiss GmbH, Lachen. In enger Zusammenarbeit entwickelte das IWK mit dem Unternehmen ein neuartiges Schallstück einer Trompete, das nicht aus Messing, sondern aus Carbonfaserverbundwerkstoff besteht. Als Herstellungsverfahren kam das sogenannte Resin Transfer Moulding bzw. RTM (trockenes Faserhalbzeug wird zugeschnitten, zu einem Preform geformt, in ein RTM-Werkzeug eingelegt, und in dieses Werkzeug wird dann das Harz injiziert) in Kombination mit der Schmelzkerntechnologie zum Einsatz. «Bei Blasinstrumenten aus Messing treten Kondenswasserbildung im Inneren und mit der Zeit auch Korrosionsprobleme und mechanische Anfälligkeiten auf; zudem ist die Fertigung derartiger Instrumente sehr aufwendig, da sich der Produktionsprozess kaum automatisieren lässt. Wird ein Schallstück dagegen aus Carbonfaserverbundwerkstoff produziert, können die genannten Nachteile sehr einfach eliminiert werden. Zudem zeichnen sich die Bauteile durch sehr geringe Toleranzen, eine hohe, optische Oberflächengüte auf der Aussenseite sowie durch eine hervorragende akustische Oberflächenqualität im Inneren des Instruments aus», erklärte Markus Henne zu Beginn des Vortrags. Um ein derartiges Schallstück aus Carbonfaserverbundwerkstoff herstellen zu können, wird ein zweiteiliger Schmelzkern benötigt, der aus einem Aluminiumendstück und dem Schmelzkernbereich, einer Bismutlegierung (BiSn), besteht. Das Endstück und der BiSn-Kern, der in einem Kokillenwerkzeug gefertigt wird, werden zusammengesetzt, mit einem Preform aus mehreren Kohlefaserflechtschläuchen belegt, und anschliessend wird alles zusammen in das für diese Anwendung konstruierte RTM-Werkzeug eingelegt und mit Harz getränkt. Nach kurzer Aushärtezeit kann das Trompetenschallstück entnommen und das Aluminiumendstück entfernt werden; der BiSn-Kern wird in einem heissen Wasserbad, dessen Temperatur höher ist als die Schmelztemperatur der Bismutlegierung, rückstandslos ausgeschmolzen. Die Bismutlegierung lässt sich zur Formung eines neuen Schmelzkerns verwenden.

Mit hervorragender Klangqualität
Wie Andreas Keller, Werkstoffingenieur ETH sowie Inhaber und Geschäftsführer der CarbonHorns Swiss GmbH, betonte, überzeugen die Carbonfaserverbundschallstücke durch höchste Klangqualität; er sagte: «Dass sich das Klangbild einer Trompete, die mit unserem Schallstück ausgestattet ist, überhaupt nicht vom Klang marktüblicher Spitzeninstrumente aus Messing unterscheidet, haben die Trompeter des Tonhallenorchesters in Zürich in einem Blindtest bestätigt. Ausserdem lassen sich unsere Trompeten im Vergleich zu Trompeten mit Messingschallstücken deutlich leichter spielen, da die Energieabsorption des Materials geringer ist.» Andreas Keller arbeitet nicht nur mit dem IWK zusammen, sondern auch mit dem renommierten Trompetenbauer Werner Spiri, der die CarbonHorns Swiss mitgegründet hat. Werner Spiri baut in seiner Instrumentenmanufaktur seit rund dreissig Jahren Trompeten, die zum Spitzensegment gehören; für die erfolgreiche Entwicklung der neuen Schallstücke war die langjährige Erfahrung seines Geschäftspartners genauso wichtig wie die technische Entwicklungsarbeit, hielt Andreas Keller fest. Die neuen Trompeten mit den Schallstücken aus Carbonfaserverbundwerkstoff werden laut Andreas Keller in Kürze im Markt eingeführt und im Segment der Spitzeninstrumente positioniert. Für die Serienfertigung der innovativen Schallstücke hat CarbonHorns die Nägeli Swiss AG in Güttingen beauftragt.
Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung IWK 8640 Rapperswil, Tel. 055 222 47 70 iwk@hsr.ch
www.iwk.hsr.ch