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Die Stärke liegt im Kopf

Der Westschweizer Werkzeugmaschinenbauer Emissa ist immer wieder für ganz besondere Entwicklungen gut. Entwicklungen, wie das flexible Bearbeitungszentrum Winflex 3800, das zwei unterschiedliche Konzepte vereint: Es bietet die Produktivitätsvorteile von Transferlinien und die Flexibilität von Werkzeugmaschinen

(re) Die vor über 70 Jahren gegründete Emissa S.A. ist im Jura, im Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie beheimatet. Über die Jahre hat sich das Unternehmen mit seinen hochproduktiven Sondermaschinen einen guten Ruf erarbeitet. Für die grossen Uhrenhersteller fertigt Emissa unter anderem kleine, besonders schnelle und präzise Zentren, zum Beispiel Rundtischmaschinen des Typs Rotopal, auf denen Platinen besonders rationell bearbeitet werden können.
Die Westschweizer sind jedoch nicht nur in der Uhrenindustrie, sondern auch in anderen Bereichen – etwa in der Automobilbranche – erfolgreich. Für diese Klientel wurde das flexible Bearbeitungszentrum Winflex 3800 entwickelt. Es eignet sich speziell, um Elemente für Verbrennungsmotoren, Getriebegehäuse oder Pumpen zu bearbeiten. Im Vergleich zu Transferstrassen, auf denen solche Bauteile gerne gefertigt werden, ist die sechsachsige Maschine mit ihrer Stellfläche von knapp 4 m x 7 m ausgesprochen platzsparend. Ein grosser, fast 3,5 t schwerer Revolverkopf des Herstellers Pibomulti sorgt für hohe Produktivität, denn seine vier, sechs oder acht Werkzeugstationen können – mit Mehrspindel-, Winkel- und Fräsköpfen bestückt – sehr gut an die Bearbeitungsaufgabe angepasst werden.
Maschinen von Emissa sind durchwegs mit Bearbeitungsköpfen von Pibomulti ausgestattet – kein Zufall, denn Inhaber und Geschäftsführer dieser beiden Firmen ist ein und dieselbe Person: Pierre Boschi. Für ihn ist klar: «Pibomulti-Köpfe und -Spindeln sind die Besten, die es auf dem Markt gibt.» Die Mitarbeiter von Pibomulti besitzen langjährige feinwerktechnische Erfahrung und fundiertes Know-how in Sachen spanender Fertigung. «Dies hat uns weltweit in die erste Reihe der Hersteller angetriebener Werkzeuge gebracht», merkt der Firmenchef an.
Die Pibomulti S.A. hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Mehrspindel-, Winkel- und Revolverköpfen sowie Schnelllaufspindeln spezialisiert. Diese Produkte werden hauptsächlich in der Grossserien- und automatisierten Fertigung verwendet und tragen dazu bei, Zeitverluste durch Mehrfach-Aufspannungen zu vermeiden. Besonders beim Einsatz auf Transfer- und Spezialmaschinen, Dreh- und Bearbeitungszentren wirken sie sich positiv auf die Produktivität aus.

Werkzeuge in weniger als 3 s gewechselt
Die Leistungsfähigkeit der Pibomulti-Köpfe macht sich auch Emissa zunutze. Das Unternehmen hat sich mittlerweile darauf spezialisiert, Maschinen zu bauen, die die Pibomulti-Köpfe optimal einsetzen. In der Regel sind dies jedoch keine Maschinen aus dem Katalog, sondern Sondermodelle, die nach Bestellung für bestimmte Produktionsvorgänge gebaut werden. Sie können jedoch nach geringfügigen Umbaumassnahmen für andere Produktionsaufgaben gerüstet werden.
Wenn die Auftragssituation etwas Luft lässt, nutzt Pierre Boschi dies gern, um eigene Ideen umzusetzen und Entwicklungen zum Wohle der Kunden voranzutreiben. So geschehen bei der Winflex 3800. Pierre Boschi verrät: «Diese Maschine entstand aus zahlreichen Gesprächen mit unseren Kunden aus der Automobilbranche. Sie sind immer auf der Suche nach effizienten Kombinationen aus Produktivität, Flächenbedarf und Fertigungskapazität. So haben wir um den Revolverkopf TRH1000 eine Maschine entwickelt, die dessen Vorzüge voll zu Geltung kommen lässt.»

Automationssysteme erübrigen sich
Der grosse, bis zu 40 kW leistende Revolverkopf kann schwere und voluminöse Werkzeuge aufnehmen, zum Beispiel Mehrspindelköpfe mit mehr als 24 Spindeln und einem Stückgewicht von über 200 kg – und dies auf sechs oder acht Stationen. Auch mit einer Einheit zum Tieflochbohren mit innerer Kühlschmiermittelzufuhr (100 bar) oder mit Messerköpfen, die in kein Werkzeugmagazin und keinen Wechsler passen, kann der Revolver bestückt werden. Er ist tatsächlich der «Kopf» der Maschine, der mit einer Wechselzeit von weniger als 3 s und der Vielzahl an komplexen Werkzeugen eine vielseitige, rationelle Serienbearbeitung ermöglicht. Somit bringt er die positiven Eigenschaften einer Transferanlage ein und sorgt trotzdem für Flexibilität bezüglich der Teile.
Das patentierte Konzept der Maschine hat noch mehr zu bieten: Um jegliche Werkzeugwechselzeit zu überbrücken, hat Emissa zwei weitere Bearbeitungsspindeln integriert: eine horizontale Spindel mit 20fach-Wechsler und eine vertikale mit einem 12er-Magazin. Der Werkzeugwechsel findet jeweils ausserhalb des Bearbeitungsraums statt, um Verunreinigungen der Schnittstellen zu vermeiden.
Auffällige Besonderheit der Kinematik ist die an einem massiven schrägen Schlitten vertikal angeordnete C-Achse. Sie übernimmt den Transport des Werkstücks in den Bearbeitungsraum und zurück. Roboter oder andere Automatisierungskomponenten erübrigen sich. Über eine spezielle Vorrichtung wird das Werkstück oben gegriffen, wodurch es unten und an den vier Seiten bearbeitet werden kann. Durch die mögliche 360°-Rotation und das Zusammenwirken mit anderen Achsen lassen sich auch geneigte Flächen bearbeiten und Bohrungen in jedem Winkel einbringen – ohne eine Sekunde Werkzeugwechselzeit zu benötigen.
Die Über-Kopf-Bearbeitung hat den Vorteil, dass die Späne von selbst nach unten fallen. Pierre Boschi erklärt: «Dadurch müssen die Späne nicht abgespült werden. Dies spart Kühlschmierstoff und Energie, was ja in unserer Zeit immer wichtiger wird.» Über einen Schneckenförderer werden die Späne aus der Maschine entfernt. Das Kühlschmiermittel wird gefiltert und dem Prozess wieder zugeführt.

Maschine nach Bedarf zusammenstellen
Bei den eingesetzten Steuerungen richtet sich Emissa im Allgemeinen nach dem Kundenwunsch, der in vielen Fällen «Fanuc» lautet. Bei der Winflex 3800, die Emissa sozusagen als Prototyp auf eigene Veranlassung entwickelt hat, entschieden sich die Verantwortlichen ebenfalls für diesen Anbieter. Lionel Bourquard, zuständig für den gesamten elektrischen Bereich, argumentiert: «Fanuc ist weltweit bekannt, geschätzt und wird von verschiedensten Kunden nachdrücklich gewünscht. Wir selbst haben beste Erfahrungen gemacht, was die Qualität und Zuverlässigkeit der Steuerungen anbelangt. Hervorzuheben ist zudem die Unterstützung durch die Schweizer Niederlassung. Gerade bei Neuentwicklungen ist so eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit für uns als kleine Firma besonders wichtig.»
Für die Winflex 3800, bei der maximal vier Achsen simultan verfahren werden, und die Programmierung einkanalig stattfindet, wird eine Fanuc-CNC der Serie 31i eingesetzt. Für Lionel Bourquard eine ideale Lösung: «Diese Steuerung ist so klar strukturiert, dass die Anpassarbeiten trotz der relativ komplexen Kinematik schnell zu bewältigen waren. Die Oberflächen haben wir mit Fanuc Picture gestaltet, um dem Bediener den Umgang mit dieser Sondermaschine so einfach wie möglich zu machen.» Unterstützung von Seiten des Steuerungsherstellers gab es auch hinsichtlich der eingesetzten Antriebe. Für die horizontale und vertikale Bearbeitungsspindel werden zum ersten Mal Built-in-Spindelmotoren von Fanuc verwendet.
Eine wesentliche Eigenschaft des Maschinenkonzeptes der Winflex 3800 ist ihre Flexibilität, die auf einem konsequent modularen Aufbau beruht. Flexibilität herrscht auch bezüglich der Maschinenkonfiguration. Der Interessent kann sich seine Maschine nach Bedarf zusammenstellen – abgesehen vom Grundkörper, der gleich bleibt. Zur Wahl stehen verschiedene Bearbeitungseinheiten. Die Vertikal- und Horizontal-Spindeln können variiert oder weggelassen werden. Selbst der Revolverkopf ist kein absolut fixes Element: Es gibt Köpfe in verschiedenen Grössen und Ausführungen, die beliebig bestückt werden können. Ein automatischer Wechsler erlaubt sogar, dass komplette Mehrspindelköpfe hauptzeitparallel gewechselt werden können.

www.emissa.ch
www.pibomulti.ch
www.fanucfa.ch