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Wind- und Sonnenenergie in Gas umwandeln

Mit elektrischer Energie aus Wind- oder Sonnenkraftwerken hergestelltes Methangas lässt sich leichter speichern als Strom. Zudem ist die Infrastruktur für eine «Gaswirtschaft» in Industrienationen in der Regel vorhanden. Das Synthesegas stellt eine umweltfreundliche Energieform dar und hat den Vorteil, dass ein auf den Bedarf abgestimmter Verbrauch möglich ist.

Elektrizität aus Windkraft oder Strom aus Solarzellen kann in einem mehrstufigen Umwandlungsverfahren in Methangas umgewandelt werden. Dieses Synthesegas kann problemlos in bereits vorhandenen Erdgasinfrastrukturen gespeichert oder als Antriebsenergie für Kraftfahrzeuge genutzt werden.
Fraunhofer-Wissenschaftler des IWES (Institut für Windenergie und Energie-Systemtechnik), Kassel, Ingenieure des ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung), Stuttgart, sowie des Bio-Tech-Unternehmens Solar Fuel GmbH, Stuttgart, haben ein bereits patentiertes Energieumwandlungsverfahren entwickelt, mithilfe dessen aus Wind- oder Sonnenstrom synthetisches Methangas
(e-Gas) hergestellt werden kann. Ab 2013 soll dieses weltweit erstmals praktizierte Umwandlungsverfahren im Industriemassstab in einer zu bauenden Anlage im norddeutschen Emsland durchgeführt werden. Ein erstes Pilotprojekt funktioniert problemlos seit zwei Jahren auf einem Firmengelände in Stuttgart. Wirtschaftlicher Bedarf für eine solche Umwandlung von Energieformen ist vorhanden, da Windkraft wie Solarzellen sehr schwankende Leistungen ausweisen. Bei Stromüberschüssen aus Windkraft sind derzeit noch keine passenden Speichermöglichkeiten vorhanden.

Die Elektrolyse soll’s richten
Umgewandelt wird überschüssiger Strom aus Windkraft oder Solarenergie über die umgekehrte Elektrolyse. Dadurch entstehen zunächst Wasserstoff und Sauerstoff. Unter Zusetzung von CO2 wird aus dem Wasserstoff ein umweltfreundliches, synthetisches Gas produziert, das zu 80 bis 99 Prozent Methan enthält. Dieses e-Gas kann problemlos in bereits vorhandenen Infrastrukturen für Erdgas gespeichert werden. Damit können entweder Strassenverkehrsfahrzeuge angetrieben oder die Erdgasheizung befeuert werden. Da das Umwandlungsverfahren grosse Mengen Kohlendioxid (CO2) benötigt, ist darauf zu achten, dass eine genügend grosse CO2-Quelle in der Nähe der Umwandlungsanlage vorhanden ist, damit möglichst rationell gearbeitet werden kann.

Aus Strom wird speicherbares Methan
Gegenwärtig krankt die umweltfreundliche Energielösung «Strom aus Windkraft» an den fehlenden Energiespeichern und stärkeren Stromnetzen sowie den damit verbundenen Energieverlusten. Im nordostdeutschen Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise müssen Windkrafträder stillgelegt werden, wenn die Winde zu stark wehen und zuviel Strom ins Netz eingespeist wird. Erwogen werden hier neue, stärkere Stromnetze. In der Schweiz sollen in höheren Lagen Pumpspeicherkraftwerke entstehen. Mit überschüssigem Strom aus Windenergie soll das Wasser eines Sees in einen höhergelegenen Stausee gepumpt und bei geringer Windaktivität wieder zu Tal geschickt werden, wobei das Gefälle zur Stromerzeugung durch Turbinen genutzt wird. Dies ist ein ziemlicher Umweg, zu dem sich Energieverluste sowie eine geringe Akzeptanz in der Bevölkerung gesellen.
Demgegenüber bietet das industrielle Energieumwandlungskonzept der Fraunhofer- und ZSW-Wissenschaftler einige Vorteile, denn es beruht auf bereits bekannten und erprobten Technologien. Grössere technische Probleme, beispielsweise im Winter, dürften hier nicht mehr auftauchen. Vorläufig bleibt noch als offene Frage die Wirtschaftlichkeit dieses Energieumwandlungsverfahrens, die von anderen volkswirtschaftlichen Gegebenheiten abhängig ist. Gegenwärtig liegt die Effizienz der Energieumwandlung nach Mitteilung der Fraunhofer-Ingenieure bei über 60 Prozent.

Machbarkeitsstudie in einem Container
Das erste Pilotprojekt wurde vor zwei Jahren vom Biotech-Unternehmen Solar Fuel GmbH, Stuttgart, auf firmeneigenem Gelände errichtet. Es besteht aus einem handelsüblichen Container mit den Massen 2,60 x 2,50 x 6,09 m. Diese Demo-Anlage produziert pro Stunde einen Kubikmeter Erdgas bzw. Methan, das derzeit in Gastanks von Audis und VW Passats eingefüllt wird. Das Umwandlungsverfahren ist derzeit wirtschaftlich, weil der überschüssige Strom aus der Windenergie ansonsten verloren gehen würde. Als weiterer Pluspunkt ist die hohe chemische Qualität des e-Gas zu vermerken. Zusätzlicher volkswirtschaftlicher Nutzen ist dank der neuen Möglichkeiten dieses Umwandlungsverfahren, z. B. Koppelung mit Brennstoffzellen, absehbar.
Die Audi AG entschloss sich, das neue Projekt im Industriemassstab finanziell zu unterstützen. Der erste Spatenstich in Wehrlte, Ostfriesland, erfolgte im Juni 2011. In zwei Jahren sollen dort 6,3 Megawatt Strom, der umweltfreundlich aus Windkraft erzeugt wurde, in e-Gas umgewandelt werden. Es wird die erste e-Gas-Erzeugungsanlage weltweit sein. Sie soll eine Tagesproduktion von 3900 m3 Synthese-Gas erreichen. Eine Energiemenge, die für den Fahrbetrieb von 15 000 umweltfreundlichen Erdgas-Audis ausreicht.
Speicherproblem gelöst?
Aber auch ins örtliche Erdgasnetz kann das e-Gas eingespeist werden oder in eine in der Nähe befindliche Biogasanlage, die Strom erzeugt. Das Speicherreservoir des deutschen Erdgasnetzes beträgt über 200 Terawattstunden, was dem Verbrauch von mehreren
Monaten entspricht. Dagegen verfügt das Stromnetz nur über 0,04 Terawattstunden. Die Integration des e-Gases in die Erdgasinfrastruktur könne problemlos erfolgen, sagen die Fraunhofer-Wissenschaftler, denn es müssen keine neuen Speicher oder Netze gebaut werden. Das Erdgassubstitut könne wie herkömmliches Erdgas in vorhandene Versorgungsnetze, Pipelines und Speicher eingespeist werden. Auch können Erdgasautos ohne Umrüstung mit diesem e-Gas fahren.
Verlustfrei kann das e-Gas bis zu 3000 Stunden vorgehalten werden. Dies ist ein Zeitraum, der es als probate Lösungsmöglichkeit für das noch offene Energiespeicherproblem erscheinen lässt – falls es zur verstärkten Nutzung der Wind- und Solarenergie kommt, worauf alles hindeutet. Das in Erdgasspeichern gelagerte e-Gas kann nicht in die Atmosphäre entweichen. Dies verbessert den Umweltschutz, denn Methan in der Atmosphäre gilt als einer der grössten Klimakiller. Derzeit lässt die Audi AG in der Nordsee vier neue Windkraftanlagen zu je 3,6 MW Leistung erstellen. Diese werden rund 53 Gigawatt Strom pro Jahr produzieren.
Ob das e-Gas aus Windkraft letztlich als Antriebsenergie für Kraftfahrzeuge oder als Heizenergie genutzt wird, hängt auch vom Staat und seinen Energiesteuern ab. Von wirtschaftlichem Vorteil ist jedenfalls, dass überschüssiger Strom rasch als Erdgas in das Versorgungsnetz eingespeist werden kann. Eine Nutzung des e-Gases als Heizenergie erscheint dagegen noch unklar. Damit verbunden ist nämlich die Frage, weshalb man nicht gleich mit Strom aus Windenergie heizt, anstatt diesen zunächst in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen, um anschliessend mithilfe von CO2 e-Gas herzustellen. Für Strassenfahrzeuge wie Erdgasomnibusse stellt sich diese Frage nicht, denn diese benötigen e-Gas und keine Elektrizität.
Der Fraunhofer-IWES-Wissenschaftler Prof. Jürgen Schmidt ist jedenfalls der Auffassung, dass wir unseren Energiebedarf bis zum Jahr 2050 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien und zu vertretbaren Kosten decken können. ¡