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Grosse Empörung

Eigentlich leistet die KTI (Kommission für Technologie und Innovation) gute und sinnvolle Arbeit – so jedenfalls lautet die bisherige Meinung. Mit der Abwicklung der im vorigen Jahr beschlossenen Sondermassnahme des Bundes gegen die Frankenstärke war die Kommission aber anscheinend überfordert. Die Schelte seitens Unternehmer und Swissmem war jedenfalls heftig. TR ist der Sache auf den Grund gegangen.

Die Empörung war gross. Hans Hess, Präsident des mächtigen Industrieverbandes Swissmem, lies es an Deutlichkeit nicht fehlen: «Bei den aktuellen Missständen bei der KTI-Projektförderung handelt es sich aber nicht um ein temporäres, sondern um ein strukturelles Problem. Die heutigen Strukturen der KTI und die zur Verfügung stehenden Kredite sind ungenügend, um den ausgewiesenen Förderbedarf zu decken.» Stein des Anstosses war das «Sonderprogramm des Bundes gegen den starken Franken». Die Massnahme wurde im September 2011 von Bundesrat und Parlament beschlossen, um exportorientierte Unternehmen zu unterstützen, damit Innovationen schneller und effektiver umgesetzt werden können. Dafür stellte man 100 Mio. CHF als Sofortmassnahme zur Verfügung.Sauer aufgestossen war einigen Unternehmen und auch Swissmem, dass von den 1064 Projekten nur 545 Gesuche behandelt und davon 246 als förderungswürdig anerkannt wurden. Der Rest ging kommentarlos an die Antragssteller zurück. Die «Technische Rundschau» ist um Aufklärung bemüht und hat sowohl die Unternehmerseite wie auch die KTI um Stellungnahme gebeten. Nachfolgend die Aussagen von Franziska Tschudi, CEO Wicor Holding AG, und von Walter Steinlin, Präsident der KTI.

Franziska Tschudi, CEO Wicor Holding AG

Frau Tschudi, Sie üben primär Kritik an der Organisation der KTI, die mit der Sondermassnahme 2011 anscheinend überfordert war. Welche Ihrer Kritikpunkte wiegen für Sie am schwersten?
Unsere Kritik bezieht sich nicht generell auf die KTI, sondern auf die Abwicklung der Sondermassnahme. Die Abläufe wurden nicht klar kommuniziert, beispielsweise in Bezug auf das tatsächliche Einreichedatum oder hinsichtlich des Stichtages für die Einreichung der Gesuche, wenn bereits vier Wochen vor Ablauf dieser Frist keine Anträge mehr berücksichtigt wurden. Noch kritischer finden wir, dass die Stundensätze für die Forschungseinrichtungen angesichts der Mittelknappheit so massiv angehoben wurden. Und wir fragen uns, ob die Auswahl, Behandlung und Bewertung der Beitragsgesuche rechtlich und qualitätsmässig in Ordnung war, wenn offensichtlich nur 48 Prozent der eingegangenen Anträge bearbeitet wurden. Es ist wohl davon auszugehen, dass qualitativ hochwertige und für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie wichtige Projekte ins Hintertreffen geraten sind.

Welches Fazit werden Sie für Unternehmen daraus ableiten?
Da es unser erstes grösseres Förderprojekt war, werden wir weiter mit den gegebenen Möglichkeiten und Anforderungen der KTI arbeiten, bringen uns aber auch gern in einen Dialog zur effizienteren Gestaltung und schnelleren Umsetzung der Projekte über die entsprechenden Institutionen und Verbände ein.

Wie beurteilen Sie generell die Fördermöglichkeiten des Bundes und die damit eng verbundene Arbeit der Kommission?
Die KTI ist eine sehr wichtige Form der Unterstützung unserer Innovationsbemühungen. Allerdings muss der Ressoucen- und Mitteleinsatz massiv erhöht und über längere Zeit gesichert werden, um effektiv zu sein.

Swissmem-Präsident Hans Hess hat über die KTI folgenden Satz gesagt: «Die heutigen Strukturen der KTI und die zur Verfügung stehenden Kredite sind ungenügend, um den ausgewiesenen Förderbedarf zu decken. Dadurch bleibt in der Schweiz enorm viel Innovationspotenzial ungenutzt.» Teilen Sie diese Einschätzung?
Wir teilen diese Einschätzung in jeder Beziehung! Die immer schneller und kürzer werdenden Innovationszyklen im internationalen Wettbewerb fordern entsprechend mehr personelle und finanzielle Kapazitäten, die insbesondere von KMUs nicht bereitgestellt werden können.

Was könnte man besser machen?
Will man die KMU wirklich nachhaltig unterstützen, darf die Finanzierung nicht nur auf die beteiligten Forschungspartner wie Hochschulen oder EMPA begrenzt werden. Auch den Unternehmen sollte ein Teil der Aufwendungen erstattet werden, analog den Fördermitteln des BMBF in Deutschland. Damit könnten auch kleine Unternehmen kreative Ideen umsetzen, die sonst nicht einmal ihren Eigenanteil zu finanzieren imstande sind.

Walter Steinlin, Präsident KTI (Kommission für Technologie und Innovation)

Herr Steinlin, Unternehmen und auch der Verband Swissmem kritisieren die KTI dahingehend, dass man dort anscheinend mit der Abwicklung der Sondermassnahme gegen die Frankenstärke überfordert war. Wie ist dazu Ihre Sicht der Dinge?
Der Sonderkredit war in der Tat eine grosse Herausforderung für die KTI, der wir uns sehr gerne stellten. Die hohe Anzahl der Gesuche und damit das grosse Bedürfnis der Wirtschaft überraschte uns allerdings selber: In acht Wochen gingen mehr Gesuche ein als sonst im ganzen Jahr. Um dieser Situation gerecht zu werden, hat die KTI 9 temporäre Mitarbeiter eingesetzt und die Experten hielten bis zum Jahresende 34 zusätzliche Evaluationssitzungen ab.

Die Gesuche wurden nach ihrem Eingang beurteilt, wobei die Qualität der bewilligten Gesuche immer die oberste Priorität hatte. Die 100 Millionen reichten allerdings nur für die Hälfte der eingegangenen Gesuche, 519 konnten leider nicht bearbeitet werden.

Hans Hess, Präsident von Swissmem, sprach unter anderem davon, dass «die KTI bereits wieder mit offenen Augen in die nächste frustrierende Finanzierungslücke hineinrennt.» Das ordentliche KTI-Budget für 2012, das derzeit 110 Millionen umfasst, wird damit wohl bereits Mitte Jahr wieder ausgeschöpft sein. Die Innovationsförderung würde wieder rund ein halbes Jahr Pause machen. Viele Unternehmen werden frustriert.» Wie sieht die KTI das?
Mit dieser Aussage rennt Herr Hess bei uns grundsätzlich offene Türen ein. Der Gesucheingang ist in der Tat nach wie vor sehr hoch. Rund 30 Prozent dieser Projekte stammen von Gesuchstellern, deren Vorhaben im Rahmen der Sondermassnahmen nicht bearbeitet werden konnten. Um die besten der nicht berücksichtigten Gesuche zu fördern, braucht es Geld. Der Bundesrat ist sich dieser Problematik durchaus bewusst: Er hat deshalb Ende Februar die KTI ermächtigt, einen Nachtragskredit von 60 Millionen Schweizer Franken zu beantragen. 40 Millionen davon sind für nichtbearbeitete Gesuche aus den Sondermassnahmen bestimmt. Das Parlament entscheidet in der Sommersession über den Kredit.

Ein weiterer Vorwurf seitens Swissmem lautet: «Die heutigen Strukturen der KTI und die zur Verfügung stehenden Kredite sind ungenügend, um den ausgewiesenen Förderbedarf zu decken. Dadurch bleibt in der Schweiz enorm viel Innovationspotenzial ungenutzt.» Falls das stimmt, wie kann die KTI darauf reagieren?
Die KTI ist, wie der Name schon sagt, eine Kommission. Diese Tatsache hat zur Folge, dass wir an gewisse gesetzliche Vorgaben gebunden sind, die von uns mitunter als enges Korsett empfunden werden. Um den Herausforderungen des heutigen Innovationssystems gerecht zu werden und die zyklischen Schwankungen der Wirtschaft berücksichtigen zu können, wäre mehr finanzielle Flexibilität nötig. Denn schliesslich sollten im von Innovationen geprägten Wettbewerb der Schweizer Wirtschaft die staatliche Förderung gerade dann aus dem Vollen schöpfen können, wenn die Wirtschaft dies in Krisen am dringendsten braucht. Ein Überdenken des Finanzierungskonzepts der KTI macht deshalb sicher Sinn.

Eine weitere Forderung lautet, die Fördermittel für den Werkplatz Schweiz auf mindestens 150 Millionen Franken aufzustocken. Ist das ein realistisches Ansinnen?
Das ist durchaus realistisch. In der vom Bundesrat eben verabschiedeten BFI-Botschaft für die Jahre 2013 bis 2016 steigt das Budget der KTI durchschnittlich um 5,7 Prozent auf über 160 Millionen Schweizer Franken.

Wolfgang Pittrich

Wicor Holding AG8640 Rapperswil, Tel. 055 221 41 55
info.wicor@wicor.com
Kommission für Technologie und Innovation (KTI)
3003 Bern, Tel. 031 324 19 95
info@kti.admin.ch


Meine Meinung
Was gut gemeint war, entpuppte sich schlussendlich als Rohrkrepierer. Kaum war die Sondermassnahme gegen die Frankenstärke im September 2011 beschlossene Sache, gingen innerhalb weniger Wochen sage und schreibe 1064 Projektgesuche bei der KTI ein; das sind rund 300 Projekte mehr als sonst das ganze Jahr über. Dass nach 545 Gesuchen die Mittel verbraucht waren, ist eine Sache. Unverständlich ist das kommentarlose Retournieren der nicht bearbeiteten Anträge; wochenlange Arbeit bei den Antragstellern wanderte so frustriert in den Papierkorb. Hier hätte eine bessere Aufklärung seitens der KTI für weniger Ärger gesorgt. Schade auch deshalb, weil die bisherige gute Arbeit der Kommission plötzlich generell infrage gestellt wird. Aber den Überbringer der schlechten Nachricht zu köpfen, ist keine Lösung. Die Unternehmen und Verbände würden besser daran tun, mit ihrem Gewicht die Tür des Bundeshauses in Bern einzutreten, um sich Gehör zu verschaffen.
-- Wolfgang Pittrich, Redaktion Technische Rundschau