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«Die Spindel muss länger und schneller laufen»

Die Paul Horn GmbH gilt unter den Präzisionswerkzeugherstellern als der Spezialist und Problemlöser für die Bearbeitung zwischen zwei Flanken. TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich sprach mit Horn-Geschäftsführer Lothar Horn und Christian Haberzeth von der schweizerischen Vertretung Dihawag über spezifisch schweizerische Befindlichkeiten und aktuelle Herausforderungen.

Herr Horn, Hand aufs Herz: Wenn Sie ein vergleichbares Produkt «Made in Germany» oder mit dem «Swissness»-Label sehen und eines davon unbedingt besitzen möchten, welches würden Sie kaufen?
Horn: Beide. Denn wenn es um Präzision geht, bin ich überzeugt von den deutschen Unternehmen. Aber Hut ab vor dem, was die Schweizer machen. Weltweit dürften sie auf diesem Gebiet eine führende Position einnehmen ...Haberzeth: Dieser hohe Qualitätsanspruch ist auch die einzige Chance, die wir haben, um mit unseren Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wenn ein Markt so hohe Ansprüche stellt, bin ich überrascht, dass man die Bearbeitung einem Händler überlässt und dort nicht selbst tätig wird. Ist die Schweiz zu klein dafür?
Horn: Sicherlich nicht, Herr Pittrich. Die Schweiz gehört für uns zu den Top-5- oder -6-Märkten ausserhalb Deutschlands. Die Schweiz als Hochtechnologieland stellt an uns mindestens ebensolche Herausforderungen wie die deutschen Kunden. Die Interessenlage beider ist ähnlich: Sie stehen unter permanentem Verbesserungs- und Optimierungsdruck, um sich von den neuerdings sogenannten «Best-Cost-Countries» hervorzuheben.
Haberzeth: Wir arbeiten in der Schweiz sicherlich mit einer anderen Klientel zusammen, als das die Firma Horn mit den klassischen Automobilisten und deren 1st- oder 2nd-Tier-Suppliern in Deutschland gewohnt ist. Unser Fokus liegt auf KMU, die vor allem im Bereich Mikro- und Präzisionsbearbeitung, aber auch im klassischen Maschinenbau tätig sind. Wir müssen also eine grosse Bandbreite bewältigen, und das schweizweit.
Horn: Und das zu unserer vollsten Zufriedenheit. Die Frage lautet doch: Könnten wir es mit einem Direktvertrieb besser machen? Wenn ein Händler so strukturiert ist wie Dihawag, kann ich nur mit einem klaren Nein antworten.

Trotzdem besteht die Gefahr, dass der Name Horn nicht so bekannt ist wie in Ländern mit Direktvertrieb.
Haberzeth: Dihawag agiert sehr transparent und verkauft alle Produkte, die wir vertreten, unter dem jeweiligen Markennamen. Dadurch ist auch der Name Horn in der Schweiz sehr gut vertreten. Wir sehen uns als Dienstleister und haben einen Blick für spezifische Details entwickelt, von dem der Hersteller Dank der engen Zusammenarbeit stark profitieren kann. Uns geht es seit über 30 Jahren darum, für den Kunden eine Lösung zu finden, die ihn wettbewerbsfähiger macht. Mit dieser Ausrichtung sind wir deckungsgleich mit der Firma Horn.

Ein guter Händler fordert seinen Lieferanten.
Horn: Selbstverständlich passiert das, und es funktioniert auch recht gut. Wir haben mehr als ein Projekt, wo der Input aus der Schweiz so einflussreich war, dass wir daraus eigene Produkte generiert haben, als Lösung für eine ganze Branche.

Können Sie mir ein Beispiel nennen?
Haberzeth: Dazu gehört sicherlich die Wirbeltechnologie für die Décolletage-Bearbeitung, hauptsächlich im Medizinalbereich. Dieses Projekt haben wir hier in der Schweiz für Horn sehr erfolgreich angestossen.

Was unterscheidet die Horn-Lösung von den anderen Gewindewirbelwerkzeugen, die ja gerade in der Schweiz von vielen, auch kleinen Herstellern angeboten werden?
Haberzeth: Wir waren die Ersten, die Schneidplatten für zweigängige Gewinde in den Markt gebracht haben. Dieser Lösungsansatz ist Horn-spezifisch und macht den Erfolg aus: Man versucht nie, etwas zu kopieren, sondern kommt immer mit einer eigenen, oft überraschenden Lösung. Das Produkt hat mittlerweile Einzug in den Standardkatalog von Horn gefunden.

So nach dem Motto: «Switzerland, Switzerland, if you can make it here, you`ll make it anywhere?»
Horn: In der Tat. Man muss klar feststellen: Was man in der Schweiz verkaufen kann, ist auch global ein wettbewerbsfähiges Produkt. Der schweizerische Anwender ist sehr kritisch. Deshalb nutzen wir die Schweiz auch teilweise als Testmarkt für neue Produkte, und deshalb ist die Partnerschaft zwischen Horn und Dihawag auch sehr offen.

Welche technologischen Herausforderungen sehen Sie aktuell für den schweizerischen Markt?
Haberzeth: Die dürften ähnlich sein wie in anderen Hightech-Ländern. Der Trend geht hin zu immer kleineren und genaueren Bauteilen sowie zu immer spezielleren Materialien wie Chrom-Nickel-Stähle oder Titan. Aber auch CFK und Composites sind immer mehr im Kommen. Das heisst nicht, dass wir im normalen Maschinenbau nicht auch eine Herausforderung sehen. Aber es geht durchaus in die Richtung: Je schwieriger und spezieller die Materialien zu bearbeiten sind, desto grösser ist die Chance, dass sie in der Schweiz gefertigt werden.
Horn: Ich glaube, die Technologie, um diese Werkstoffe zu bearbeiten, haben wir und andere Werkzeughersteller im Haus. Die Herausforderung heute ist eine ganz andere: Wie kann ich mich prozessorientiert verbessern, um mehr Teile in der gleichen Zeit zu produzieren? Der Lohnfertiger in der Schweiz erlöst für seine Teile nicht mehr, nur weil er in der Schweiz produziert. Er erlöst mehr, wenn er anstatt 50 Teilen am Ende der Schicht 100 Teile in der Ablage hat. Und genau hier setzen wir an, beispielsweise mit unseren Sonderwerkzeugen.

Wie kann das aussehen?
Horn: Indem wir Prozesse, die vorher über mehrere Stationen gelaufen sind, in einem Werkzeug zusammenfassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir haben Sonderlösungen zum Überdrehen aller Durchmesser eines Werkstücks entwickelt, wo wir die Ausbringungsmenge pro Tag um über 60 Prozent steigern konnten; wohlgemerkt, bei sonst gleichen Bedingungen.Haberzeth: Genau das versuchen wir: Lösungen anzubieten, um die Spindel schneller und länger am Laufen zu halten. Die Kosten pro Bauteil sind massgebend.

Apropos Kosten: Ist der Leidensdruck aufgrund der Frankenstärke mittlerweile so gross, dass Lösungen von Horn verstärkt nachgefragt werden?
Haberzeth: Ich glaube nicht, Herr Pittrich, dass dieser Optimierungsgedanke mit Leidensdruck zu tun hat. Denn eigentlich haben wir mit unseren Kunden schon immer auf dieser Ebene zusammengearbeitet. Vielleicht ist das ein wenig schweizspezifisch. Man sieht den Lieferanten nicht in erster Linie als Kostenfaktor, sondern als Partner. Und je besser wir unser Know-how vernetzen, desto optimaler ist das Ergebnis für den Endkunden. Aber natürlich hat es jetzt mehr Unternehmen, die sagen, ich muss meine Produktion optimieren. Ich sehe die Frankenkrise auch als Chance, um sich für die kommenden Aufgaben auf dem Weltmarkt richtig fit zu machen.

Etwas zu optimieren ist eine Sache. Die andere ist, das versprochene Sonderwerkzeug schnell ausliefern zu können ...
Haberzeth: Es gibt meines Wissens keinen Hersteller, der über diese Reaktionsschnelligkeit in Kombination mit dem notwendigen Engineering verfügt wie Horn. Man weiss das in der Schweiz zu schätzen.
Horn: Durch unsere Produktionsphilosophie «Greenline» sind wir in der glücklichen Lage, Sonderwerkzeug innerhalb kürzester Zeit liefern zu können ...
Haberzeth: So unterstützen wir unsere Kunden oft, indem wir ihnen innert zehn Tagen beschichtete Sonderwerkzeuge liefern
...Horn: Dazu gehört auch, dass wir uns nicht nur um die reine Werkzeugherstellung kümmern, sondern vor- und nachgelagerte Prozesse wie Substrataufbereitung oder Beschichtung mit gezieltem Know-how-Transfer forcieren. Wir investieren sehr viel in diese Prozesse und die dazu notwendige Infrastruktur.

In den letzten beiden Jahren waren es laut Ihrer Aussage, Herr Horn, über 70 Millionen Franken. Fast die Hälfte davon floss in die neue Hartstofffertigung, die vor ein paar Wochen den Betrieb aufnahm. Inwieweit ist das für die Optimierung der Herstellprozesse notwendig?
Horn: Es geht schlicht und einfach darum, den Prozessgedanken, den wir ja unseren Kunden nahebringen und predigen, auch in der eigenen Fertigung umzusetzen. Das heisst: Wir wollen vom Substrat bis hin zum fertigen Werkzeug den Produktionsprozess kontrollieren und optimieren. Das versetzt uns letztlich in die Lage, über mehr Volumen preisstabiler zu sein.

Die Preisexplosion bei den Rohstoffen, beispielsweise APT, wird allerdings schwerlich abzufedern sein.
Horn: APT ist ein Vorprodukt von Wolfram und deshalb für uns ein Basisprodukt. Die Preise sind in den letzten eineinhalb Jahren um das 2,2-fache gestiegen, was uns vor grosse Herausforderungen stellte und zu noch stärkeren Optimierungen zwang.
Haberzeth: Dank dem tiefen Euro-Wechselkurs konnten wir in der Schweiz aber nicht nur die Rohstoffpreiserhöhung abfedern, sondern sogar die Preise für Horn-Produkte senken.

Dihawag, 2500 Biel, Tel. 032 342 42 33, info@dihawag.ch
Paul Horn GmbH, DE-72072 Tübingen, Tel. +49 7071 70 040, info@phorn.de
EPHJ/EPMT/SMT, Stand F01
Lausannetec, Halle 36, Stand 3630 B