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Präzisionsbearbeitung in XXL

Wirtschaftliche Grossteilebearbeitung: Die Köppel AG ist einer der wenigen Schweizer Lohnfertiger, der sich auf die Bearbeitung grosser bis sehr grosser Teile spezialisiert hat. Flexibilität ist Trumpf, auch deshalb wurde in eine Fahrständermaschine PowerSpeed 6 von SHW WM investiert: Die Maschine ist nicht nur schnell und rüstfreundlich, sondern erlaubt eine 5-Seiten-Bearbeitung in einer Aufspannung.

Marcel Köppel ist sichtlich stolz. Nicht nur auf den neuen Hauptsitz, den sein Unternehmen vor Kurzem in Berneck bezogen hat, oder auf das 50-jährige Firmenjubiläum in diesem Jahr; der Geschäftsführer der Köppel AG ist auch stolz auf sein neuestes Baby: «Die SHW PowerSpeed 6 ist eine der grössten Bearbeitungsmaschinen in der Ostschweiz.» Mit einem X-, Y- und Z-Weg von 10 x 3,1 x 1,5 m und einer Gesamthöhe von rund 6 m imponiert die Maschine durchaus mit ihren Ausmassen.
Die Köppel AG, Berneck, ist ein klassischer Lohnfertiger mit schweizerisch untypischem Werkstückspektrum. Gefertigt werden Werkstücke in Stahl und Aluminium bis zu 10 t Gewicht und knapp 10 m Länge, sowohl als komplette Maschinenteile wie auch Baugruppen vom Prototyp bis hin zu mittleren Serien; wobei diese – werkstückspezifisch – mehr als 30 Stück selten übersteigen. Typisch schweizerisch dagegen ist die Verpflichtung zu Präzision, Flexibilität und Termintreue.
Der Maschinenpark ist entsprechend dimensioniert. So verfügt das kleinste Bearbeitungszentrum, eine StarragHeckert «CWK 1250», über einen X-Weg von 1850 mm und die bis dato grösste, eine FIL «FCM 700», über einen X-Weg von 7000 mm. «Mehr war aus Platzgründen in der alten Halle gar nicht möglich», bemerkt Marcel Köppel. Die FIL wurde mittlerweile ausgemustert.
Geliebäugelt hatte er immer schon mit einer 10-m-Maschine, und auch mit dem deutschen Werkzeugmaschinenhersteller SHW Werkzeugmaschinen GmbH (SHW WM) bestand seit 2004 Kontakt. Diese erste Begegnung auf der Messe AMB in Stuttgart verlief für Marcel Köppel und seinen Bruder Roger, der das Schwesterunternehmen Köppel Aufzüge AG leitet, so überzeugend, dass ein universelles Bearbeitungszentrum vom Typ «UniSpeed 5» geordert wurde; seit 2010 ersetzt durch eine «UniSpeed-6»-Maschine.
Warum musste es gerade eine SHW-Maschine sein? Roger Köppel erinnert sich: «Vor allem das kompakte Konzept hat uns überzeugt und die Nähe zum Hersteller im baden-württembergischen Aalen. In knapp zwei Stunden kann ein Servicemitarbeiter hier vor Ort sein.» Was nicht heissen soll, und auf diese Ergänzung legt er Wert, dass die SHW-Maschinen anfällig sind. Aber ein Service der kurzen Wege ist einfach beruhigend.
Die Repräsentanz von SHW WM in der Schweiz liegt ansonsten in den bewährten Händen der Springmann AG, Neuchâtel. Von dort werden vor allem die welschen Kunden direkt betreut, aber auch die restliche Schweiz kann sich auf die Betreuung aus der Westschweiz verlassen. «Die Zusammenarbeit mit SHW WM besteht jetzt seit etwa sechs Jahren», sagt Kurt Reutegger, Handlungsbevollmächtigter der Springmann AG, «und bisher haben wir sechs Maschinen verkauft.»
Jenseits des guten Gefühls einer intensiven Betreuung gab es bei der Köppel AG natürlich auch technologische Gründe, auf die SHW-Maschinen zurückzugreifen. Ein wichtiger war der Schwenkkopf der Maschine. In Kombination mit einem Rundtisch ermöglicht er die 5-Seiten-Bearbeitung in einer Aufspannung. Wobei der SHW-Schwenkkopf in der orthogonalen Ausführung eine Besonderheit ist, wie Wilfried Rämer, Gebietsverkaufsleiter von SHW WM, betont: «Die Schwenkebenen unserer Köpfe liegen rechtwinklig zueinander. Die ausgewählte Position wird daher immer hundertprozentig genau angesteuert.» Im Klartext heisst das: Beim Orthogonalkopf gibt die Steuerung die exakten Winkelmasse vor, der Kopf schwenkt in die Position und wird per Planverzahnung (mit 1°-Teilung) genau dort geklemmt. Andere Dreh-Schwenk-Köpfe verfahren auf einer schrägen Bahn im Raum; dadurch kann es vorkommen, dass die Winkellage nicht immer sauber getroffen wird. Zudem geschieht die Klemmung oftmals nur NC-gesteuert, also nicht mechanisch wie bei der Planerzahnung. In Summe, so Wilfried Rämer, können sich dadurch Ungenauigkeiten ergeben: «Im Fräsbild ist das zu sehen.» Für Marcel Köppel war das ein wichtiger Grund, auf die SHW-Maschine zu setzen: «Diese potenzielle Fehlerquelle wollten wir einfach ausschliessen.»

Arbeitsraum wird bis in den letzten Millimeter ausgenutzt
Zwar baut der SHW-Kopf grösser als konventionelle 45°-Schwenk-Köpfe, besitzt aber durch die steifere Ausführung den Vorteil der höheren Schnittwerte und stabileren Werkzeugführung. Aufgrund des asymmetrischen Aufbaus – die Schwenkachse der Spindelebene befindet sich nicht in der Symmetrieachse des Kopfes – kann der Arbeitsraum bis zum letzten Millimeter genutzt werden. «Wir können einen Drei-Meter-Kubus von allen Seiten bearbeiten», sagt Marcel Köppel, «sogar vier Meter sind eingeschränkt möglich.»
Für Anton Müller, geschäftsführender Gesellschafter von SHW WM, ist der Orthogonalkopf ein wesentliches Merkmal der Maschinen aus Aalen: «Dieser Kopf ist unsere Erfindung, und wir haben eine 50-jährige Erfahrung damit. Er ist deutlich stabiler als andere Köpfe dieser Kategorie.» Inzwischen gibt es Ausführungen mit bis zu 80 kW Leistung und 2500 Nm Drehmoment. Nicht umsonst sind alle SHW-Köpfe wassergekühlt. Bei Köppel kommt eine Version mit knapp 50 kW Leistung, 1250 Nm Drehmoment und 8000 min-1 Drehzahl zum Einsatz.
Um auch in der X-Achse möglichst flexibel zu sein, hat sich Marcel Köppel bei der Tischvariante für die Kombination Längstisch/Rundtisch entschieden. «Dadurch können wir Neun-Meter-Teile sogar über Stirn fräsen.» Übrigens bietet SHW WM bei den Tischen eine Anzahl von individuellen Kombinationsmöglichkeiten.
Ein weiterer, für Marcel Köppel ganz wichtiger Knackpunkt ist die Möglichkeit des hauptzeitparallelen Rüstens. Der Rundtisch kann nämlich separat aus dem Arbeitsraum heraus bewegt werden: «Diese Pendelbearbeitung bringt uns eine sehr hohe Flexibilität, da das Rüsten der Teile bei uns durchaus einige Stunden bis zu einem Tag in Anspruch nehmen kann.» Mittlerweile können Expressaufträge, wie dringende Reparaturarbeiten an einem Kundenwerkstück, bequem zwischen laufende Projekte geschoben werden, da die Rüstzeiten keinen Maschinenstopp mehr erzwingen.
Ein anderer Pluspunkt der PowerSpeed 6 ist das sehr dynamische Bewegungsverhalten. Mit Eilgängen von bis zu 30 m/min und einer Beschleunigung von 5 m/s2 bewegt man sich laut SHW-WM-Geschäftsführer Müller «im Wettbewerbsumfeld ganz vorne. Da muss sich der Maschinenbediener gut festhalten, wenn er Gas gibt. Immerhin wiegt alleine der Turm bereits 25 Tonnen.»
In Summe hat sich die Köppel AG für eine Maschine entschieden, die schnell und stabil ist, flexibel und genau, zudem die 5-Seiten-Bearbeitung in einer Aufspannung zulässt. Bleibt die Frage, wie man diesen rund siebenstelligen Franken-Invest wirtschaftlich nutzen will. Für Marcel Köppel ist klar, dass die Maschine nicht nur bestehende Aufträge abwickeln wird, sondern zu einer Ausweitung des Kundenspektrums führen soll.

«Wir glauben an den Werkplatz Schweiz»
Und dazu gehört neben der rein technischen auch eine emotionale Ebene: «Wir haben in den letzten Monaten unsere Produktion in Richtung Zukunft ausgerichtet. Wir glauben an den Werkplatz Schweiz. Deshalb ist diese Investition richtig und wichtig, um unser Versprechen der Flexibilität und Termintreue gegenüber unseren Kunden einhalten zu können.»•
- Wolfgang Pittrich


Köppel AG
9442 Berneck, Tel. 071 747 10 80
marcel@koeppelag.ch
SHW WM: Springmann SA
2008 Neuchâtel, Tel. 032 729 11 22
kurt.reutegger@springmann.ch
www.shw-wm.de
Prodex, Halle 1.0, Stand A09


Am Rand bemerkt: 25 Prozent weniger Stromverbrauch
Die SHW Werkzeugmaschinen GmbH redet nicht nur über Energieeffizienz, sie geht das Thema auch aktiv an. So wird ganz gezielt nach den grössten Verbrauchern in den Werkzeugmaschinen gesucht und diese werden optimiert. Unter anderem werden energieeffiziente Hydraulikaggregate eingesetzt, Spindeln ohne Getriebe verwendet oder die Maschine kann im Energiesparmodus betrieben werden. In Summe, so SHW WM, können bei der Powerspeed 6 pro Jahr bis zu 25 Prozent Energie im Vergleich zu einer konventionell betriebenen Maschine eingespart werden; immerhin der Jahresenergieverbrauch eines Einfamilienhauses. Dieses Energiekonzept wurde anlässlich der Messe Nortec in Hamburg mit dem Nortec-Award 2012 ausgezeichnet.



Köppel AG im Profil
Die Köppel AG ist ein Familienunternehmen mit 50-jähriger Tradition. Gegründet von Hansjörg Köppel als Schlosserei, hat sich das Unternehmen heute spezialisiert auf die Bearbeitung grosser Schweisskonstruktionen aus Stahl, Guss und Aluminium bis 10 m X-Weg und 10 t Gewicht. Gefertigt werden sowohl komplette Maschinenteile als auch Komponenten, Prototypen oder mittlere Serien. Neben der Köppel AG existieren noch die unabhängigen Schwesterunternehmen Köppel Aufzüge AG und Defag AG. Die Köppel AG beschäftigt 45 Mitarbeiter, 8 davon in der Grossteilebearbeitung.


Meine Meinung
Sie sind die Exoten unter den Lohnfertigern, die Grossteilebearbeiter. Es gibt nur wenige in der Schweiz, und das nicht von ungefähr. Neben der Logistik müssen auch die Fertigungsstätten ganz anders konzipiert sein; schwere Fundamente für die Maschinen und Hallenkräne mit 15 bis 20 t Gewicht sind die Regel. Die Investitionen in Maschinen bewegen sich in anderen Regionen; siebenstellige Frankenbeträge sind normal. Auch hier wird der Swissness-Gedanke hochgehalten und gelebt, wie das Beispiel Köppel AG eindrucksvoll zeigt. Man investiert optimistisch in die Zukunft und sucht gezielt die Fertigungsmittel und Partner, die Präzision, Termintreue und Kundenzufriedenheit versprechen.
Wolfgang Pittrich,
Redaktion Technische RundschauVerfahrwege: