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«Die Talsohle ist erreicht»

Die Schweizer Fluidindustrie musste im letzten Jahr deutlich Federn lassen; die Umsatzrückgänge beliefen sich – je nach Branche – auf über 20 Prozent. TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich sprach mit Sabina Schumacher Heinzer, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Tecalto AG und gleichzeitig Präsidentin des Branchenverbandes GOP, über die aktuelle Situation und kommende Herausforderungen, aber auch über Kundenverblüffungen und familienfreundliche Firmenpolitik.

Frau Schumacher Heinzer, das letzte Jahr dürfte bei Ihnen für wenig Freude gesorgt haben.
Das stimmt. Wir liefern zu einem grossen Teil in den Maschinenbau und sind daher starken konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt. In guten Jahren bewegt sich unser Umsatz bei 30 Mio. Franken; in schlechten Jahren ...
... wie dem letzten ...
liegen wir bei 24,5 Mio. Franken. Aber damit müssen und können wir leben.

Spiegelt die konjunkturelle Befindlichkeit von Tecalto auch die Lage im GOP-Verband wider?

Ich kann für den Verband aktuell nur die Zahlen des letzten Quartals 2012 im Vergleich zum Vorjahresquartal zitieren. Und hier ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Pneumatik-lastigen Unternehmen mussten einen Umsatzrückgang von knapp 10 Prozent verkraften, während der Hydraulikbereich über 22 Prozent verlor. Die Armaturenindustrie konnte dagegen um 10 Prozent zulegen.

Die aktuelle Stimmungslage ist also nicht unbedingt prickelnd.

Das kann man so nicht sagen, Herr Pittrich. Die Zahlen von Tecalto im Februar zeigen einen stabilen Auftragseingang mit leichter Tendenz nach oben. Der Umsatz ist sogar höher als budgetiert. Und der Trend für das nächste Quartal zeigt ebenfalls eine leicht positive Tendenz. Wir sind der Meinung: Die Talsohle ist erreicht. Aber, ganz klar: Wir haben es immer noch mit einem schwierigen Umfeld zu tun und agieren nach wie vor sehr kostenbewusst. Deshalb haben wir den Umsatz 2013 auf dem Niveau von 2012 geplant.

Auch hier: Gelten diese Zahlen analog zur Entwicklung im Verband?

Eindeutig. Die Erwartungen im Bereich Pneumatik gehen für 2013 im Vergleich zu 2012 von einem Plus von über 4 Prozent aus; sowohl beim Auftragseingang wie beim Umsatz. Die Hydrauliksparte prognostiziert ein Umsatzplus von knapp 2 Prozent und sieht den Auftragseingang sogar um knapp 5 Prozent ansteigen. Nur die Armaturenindustrie bescheidet sich mit einem ganz leichten Plus.

Nun war nicht nur das letzte Jahr geprägt von einem Rückgang, sondern diezurückliegenden vier, fünf Jahre kamen einer konjunkturellen Achterbahn gleich. Gibt es eigentlich eine Lehre, die man aus diesen turbulenten Jahren ziehen kann?
Wenn ich mit meinem Vater – der sich zwar aus dem täglichen Geschäft verabschiedet hat, mir aber immer noch mit Rat und Tat zu Seite steht, was ich sehr schätze – über schwierige Konjunkturverläufe beklage, dann lacht er nur: Das sei tägliches Brot eines Unternehmers und habe ihn öfters als einmal in seinem Berufsleben getroffen.

Also business as usual ...

Wenn ich eine Lehre ziehen wollte, dann die, dass wir in dieser Branche mit Schwankungen, teilweise mit extremen Schwankungen, leben müssen. Man muss sich eine gewisse Flexibilität antrainieren und darf in guten Zeiten nicht abheben. Wir verstehen uns als Unternehmer, und Gewinnmaximierung ist nicht oberstes Unternehmensziel. Man muss so wirtschaften, um auch schlechte Zeiten überstehen zu können. Dazu gehört übrigens auch, dass die Tecalto-Geschäftsführung ihr Salär reduziert hat, um ein Zeichen zu setzen.

Sie werden in schlechten Zeiten trotzdem personelle Anpassungen vornehmen müssen.
Das stimmt. Was wir allerdings nie machen werden, ist, unser Kernteam anzutasten. Die Verkaufsorganisation ist und bleibt stabil, da sie für uns der Garant zum Erfolg ist. Über 50 Prozent der Mitarbeiter dort sind bereits seit zehn Jahren und mehr an Bord.

Apropos stabil: Tecalto ist seit Jahrzehnten einer der grössten Distributoren von Parker Hannifin in der Schweiz. Rund 80 Prozent des Tecalto-Umsatzes kommen aus dieser Verbindung. Ist dieses Situation für Sie befriedigend?
Parker ist ein weltweit agierendes Unternehmen mit sehr guten Produkten, ohne Zweifel. Und wie das so ist, stellt eine Zusammenarbeit zwischen einem grossen Konzern und einem familiengeführten Unternehmen immer eine gewisse Herausforderung an die handelnden Personen. Wir sind eher servicelastig, während Parker Produkte verkaufen will. Kommt dann noch ein neues Management hinzu, wie das im vorigen Jahr bei Parker der Fall war, steigt der Diskussionsbedarf unter Umständen an. Aber das gehört eben zum Geschäft.

Ich nehme an, die Tecalto AG muss in dieser Verbindung ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wo sehen Sie die Stärken Ihres Unternehmens?
Eine unserer Stärken ist sicherlich, dass wir als Handelsunternehmen nicht nur Produkte, sondern auch Lösungen bieten, und zwar speziell auf die Kunden zugeschnittene Lösungen wie beispielsweise den maschinenspezifischen Schlauchkit. Zudem werden wir – das hat unsere Kundenbefragung ergeben – als sehr kulantes und kundenorientiertes Unternehmen wahrgenommen. Darunter fallen unsere Engineeringangebote genauso wie die Produktschulungen bei den Kunden.

Auf der Tecalto-Homepage sprechen Sie davon, die Erwartungen der Kunden mit «gezielten Verblüffungen» zu übertreffen. Eine interessante Formulierung für ein technikorientiertes Handelshaus.

Wir haben intern ein Stufenmodell definiert, dessen einzelne Elemente lauten: Standard, Basis, Extras und Verblüffungen. Im Bereich Standard und Basis bewegen sich viele Firmen. Bei den Extras fangen wir an uns abzugrenzen, und bei den Verblüffungen sind wir ziemlich alleine unterwegs.

Das müssen Sie mir näher erklären.

Hier bewegen wir uns nicht im technischen Bereich, sondern auf der persönlichen Beziehungsebene. Es kann ein Znüni sein, das der Aussendienstmitarbeiter zum Kunden mitbringt, oder der Grappa zum Geburtstag. Es geht einfach darum, ein persönliches Verhältnis zum Kunden herzustellen.

Ist das der weibliche Einfluss, den die Person Schumacher Heinzer ins Unternehmen trägt?
Ja und nein. Ich forciere das sicherlich, weil ich auch im persönlichen Umfeld Menschen, die ich mag, gerne mit Geschenken überrasche. Unabhängig davon hat unser Marketingteam, das zu 100 Prozent aus Secondos besteht, eine Strategie definiert, mit dem Ziel, den Kunden zufrieden und glücklich zu sehen. Das hat viel mit südländischer Gastfreundschaft zu tun, und die kann man – beispielsweise über die Verblüffung – auch auf eine Geschäftsbeziehung übertragen.

Das klingt wirklich nach Kundenorientierung ...

Wir versuchen diese Einstellung nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen zu leben. Jede Abteilung muss seine internen Kunden optimal bedienen. Die Geschäftsführung setzt sich zudem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Es kann nicht sein, dass Mütter nicht ins Berufsleben zurückkehren können, nur weil der Arbeitgeber die notwendige Flexibilität vermissen lässt. Auch ich arbeite nur vier Tage die Woche im Büro und den Rest von zu Hause. Und das funktioniert wunderbar.

Jenseits dieser Softskills: Wo sehen Sie die technologischen Herausforderungen für Tecalto?
Wir bewegen uns als Händler eher im Low-Cost-Bereich der Hydraulik. Uns berührt sicherlich die gesamte Umwelt- und Oberflächenthematik mit Chrom-6-freien Produkten. Ebenfalls stark im Kommen ist der Trend zu einfachen und fehlerfreien Verschraubungen. Gerade im Hinblick auf den diskutierten Fachkräftemangel braucht die Hydraulik Produkte, die auch mit ungelernten Kräften sicher zu montieren sind.

Mit der Leckagethematik hat die Fluidtechnik immer schon zu kämpfen. Das ist anscheinend nicht in den Griff zu bekommen.
Das stimmt so nicht, Herr Pittrich! Die Hydraulik war noch nie so sicher und dicht wie heute. Speziell mit der Weichdichtungstechnologie ist die leckagefreie Verbindung Realität. Die Hydraulik ist ein sauberes und dichtes Medium, wenn man die richtigen Produkte einsetzt.

Trotzdem bleibt die Fluidtechnik unter Beschuss. Speziell unter dem Aspekt der Umweltverträglichkeit fährt die elektrische Antriebstechnik schweres Kaliber auf
...
Diese Diskussion gab es bereits in der Vergangenheit und wird es auch in Zukunft geben. Ich sehe beispielsweise hybride Systeme als Ergänzung zur konventionellen Fluidtechnik. Warum soll man keine elektronische Steuerung einsetzen, um fluidische Prozesse zu optimieren?

Sie haben also keine Angst vor der Zukunft?
Die Fluidbranche ist kein Wachstumsmarkt. Wachstum wird, wenn überhaupt, nur durch Verdrängung geschehen. Aber: Es gibt kein anderes Medium, das so grosse Kräfte mit so wenig Aufwand überträgt, wie es die Hydraulik tut. Die Fluidtechnik wird daher nie verschwinden. Wir müssen nur so clever sein, immer neue Anwendungen zu entdecken. •
Wolfgang Pittrich

Tecalto AG
Das Schweizer Familienunternehmen feierte im letzten Jahr 70-jähriges Jubiläum. Der Marktführer für fluidische Verbindungen ist einer der grössten Händler von Parker-Hannifin-Produkten in der Schweiz und beschäftigt rund 60 Mitarbeiter. Sie betreuen 25 000 Artikel und 5000 Kunden. Pro Jahr werden etwa 32 000 Aufträge abgewickelt. Im vorigen Jahr betrug der Umsatz 24,5 Mio. CHF. www.tecalto.ch

Sabina Schumacher Heinzer
Die Kauffrau trat 1989 in den väterlichen Betrieb ein und übernahm im Jahr 1998 die Geschäftsführung. Als Vorsitzende der Geschäftsleitung steht sie einem Dreiergremium vor und verantwortet die Bereiche Finanzen und Personal. Im Jahr 2009 wurde sie zur Präsidentin des Schweizerischen Fluid-Branchenverbandes GOP berufen. Sabina Schumacher Heinzer ist in zweiter Ehe verheiratet und Mutter zweier Kinder.