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Ernsthafte Alternative zum Dreh-Fräs-Zentrum

Drehmaschine mit schwenkbarem Revolver für komplexe Teile: Mit der NTJ-100 scheint Nakamura-Tome den Nerv der Lohnfertiger getroffen zu haben, die komplexe Teile in kleinen bis mittleren Serien bearbeiten müssen. Schnell, bedienerfreundlich, hochgenau – so lautet das Urteil der Aeschlimann AG, die als Schweizer Erstanwender das neueste Baby der Walter Meier (Fertigungslösungen) AG unter Span fährt. Die TR war exklusiv vor Ort.

Es ist sicherlich nicht normal, dass ein Anwender eine Maschine kauft, die er nur vom Papier her kennt. Wenn es doch passiert, zeugt es einerseits vom Vertrauensverhältnis zum Lieferanten, andererseits muss die Performance der Maschine sehr überzeugend sein. Aus Sicht der Aeschlimann AG trifft beides zu: Zur Walter Meier (Fertigungslösungen) AG besteht seit rund 20 Jahren ein sehr guter Kontakt. Und das Drehzentrum «NTJ-100» von Nakamura-Tome bietet ein paar sehr spezielle Leckerbissen.Die Aeschlimann AG ist einer der grossen Lohnfertiger im Land. Rund 165 Mitarbeiter und ein hochmoderner Maschinenpark mit etwa 70 CNC-gesteuerten Drehautomaten und Bearbeitungszentren sorgen – neben den rund 190 Langdrehern, Mehrspindlern, Rundtaktautomaten und anderen Maschinen – für die Produktion hochpräziser Drehteile in kleinen, mittleren und grossen Stückzahlen. Abnehmer sind die Autombilindustrie und deren 1st- und 2nd-Tier-Supplier genauso wie die internationalen Elektronikfertiger oder die heimische Uhrenindustrie.Neben der Qualität, die von den Aeschlimann-Kunden als Basis vorausgesetzt wird und durch ISO/TS 16949 sowie ISO 9001 dokumentiert ist, zählt vor allem die Flexibilität zu den grossen Pluspunkten des Drehteileherstellers. Das äussert sich unter anderem in einer etwas speziellen Beschaffungspolitik: «Wir investieren bei unseren Maschinen meist in die High-End-Variante, auch wenn wir sie vielleicht aktuell nicht benötigen», sagt Michael Kunz. «Aber wenn die Markttüre aufgeht, wollen wir schnellstmöglich den Fuss drin haben.»
Der junge Zerspanungsprofi leitet bei Aeschlimann eine Abteilung mit 14 Mitarbeitern und 26 CNC-Maschinen. Sein neuestes Baby ist das Nakamura-Tome-Drehzentrum «NTJ-100», das wie massgeschneidert zu der Investitionsphilosophie des Drehteilespezialisten passt. Ausgestattet mit zwei Revolvern, zwei angetriebenen Spindeln und der High-Speed-Steuerung «31i-B-2-Path» von Fanuc nebst komfortablem 19-Zoll-Monitor und Touchscreen-Funktion, bleibt eigentlich kein Anwenderwunsch mehr offen. Vor allem, wenn man sich die Ausstattungsmerkmale genauer ansieht. So verfügt der obere Revolver über eine schwenkbare B-Achse von 182°, einen X-Weg von 330, einen Y-Weg von 80 und einen Z-Weg von 1040 mm. Der untere Revolver kann ebenfalls in X-(127,5 mm), Y- (65 mm) und Z-Richtung (678 mm) bewegt werden. Zusammen mit den beiden indexierbaren C-Achsen der Haupt- und Gegenspindel sowie der B-Achse der Gegenspindel (710 mm) macht das satte 10 Achsen, auf deren Einsatz sich der Anwender freuen kann. Noch eindrucksvoller wirkt die Maschine beim Blick auf die Werkzeugbestückung. Beide Revolver können bis zu 54 Werkzeuge aufnehmen. Davon sind 48 indexierbar und wiederum 24 Plätze sind für angetriebene Werkzeuge vorgesehen. Werden noch Doppelhalter für die linke und rechte Bearbeitung eingesetzt, können sogar bis zu 102 Werkzeuge auf die NTJ-100 gepackt werden. Wobei dieser Grenzwert bei realistischer Betrachtung eher ein theoretischer ist. Für August Wirz, Verkaufsleiter Werkzeugmaschinen bei Walter Meier Fertigungslösungen, wird die Maschine durch die hohe Werkzeugbestückung vollends zu einem Schmuckkästchen: «Mit dieser Kombination von Werkzeuganzahl und B-Achs-Revolver lässt die NTJ-100 jedes reinrassige Dreh-Fräs-Zentrum hinter sich. Die Bearbeitungszeit pro Werkstück ist nämlich bei passender Bearbeitungskonfiguration konkurrenzlos.»Passend heisst für ihn: kleine bis mittlere Losgrössen und hochkomplexe Teile, die im Vergleich zur Rüstzeit ein lange Laufzeit aufweisen. Dann nämlich schlägt der Vorteil der schnellen Schaltzeiten der Revolver von 0,1 bis 0,2 s voll durch. Dagegen wirkt ein Dreh-Fräs-Zentrum mit Span-zu-Span-Zeiten von 6 bis 8 s wie eine Schnecke. Die grosse Anzahl an Werkzeugplätzen bietet zudem den Charme, einige Plätze mit Schwesterwerkzeugen zu belegen und die Maschine für die mannlose Schicht fit zu machen. Für den Drehspezialisten Michael Kunz ist das sogar Pflicht: «Die Maschine läuft bei uns rund um die Uhr. Die muss einfach Späne machen, sonst wird sie unrentabel.»Zu dieser gnadenlosen Effektivität gehört auch, dass bei Aeschlimann die neue Nakamura-Tome mit dem Werkzeugschnellwechselsystem «KM» von Kennametal ausgerüstet ist. Die Werkzeuge können dadurch hauptzeitparallel vorgerüstet werden und sind schnell auf die Maschine gebracht.Stellt sich die Frage, ob bei der NTJ-100 aufgrund ihrer Komplexität die Bedienfreundlichkeit nicht auf der Strecke bleibt? Zumindest für Michael Kurz ist das kein Thema: «Wie bei jeder Zwei-Revolver-Maschine muss man auch hier seine Sinne beieinander haben. Aber dann ist die Bedienung eigentlich kein grosser Unterschied zu einer konventionellen Drehmaschine.» Die beiden Revolver sind unabhängig voneinander programmierbar, die Synchronisation erledigt die Steuerung über einen entsprechenden G-Code. «Das ist sehr benutzerfreundlich gelöst.» Sollten sich doch Unsicherheiten seitens des Bedieners einschleichen, hilft die komfortable Simulationssoftware. Alternativ dazu lässt sich das Programm manuell per Handrad abfahren. Für ein Mehr an Sicherheit steht die «Airbag»-Funktion, die serienmässig installiert ist: Kommt es zu einer Berührung von Werkzeug und Werkstück oder Futter, unterbricht der Revolver innerhalb von 8 ms seine Vorwärtsbewegung. «Die Erfahrung zeigt», sagt dazu Guerino Rossi, Technischer Verkaufsberater Werkzeugmaschinen bei Walter Meier Fertigungslösungen, «dass dadurch bei rund 50 Prozent der Kollisionen kein Servicetechniker benötigt wird.»Neben der Maschinenkinematik ist Michael Kunz speziell von der Steuerung und dem 19-Zoll-Touchscreen-Bildschirm begeistert. Er bietet genügend Übersicht, um die verschiedenen Oberflächen wie die Original-NT-Maske, die G-Code-Programmierung oder die bildliche Darstellung der Maschinenzustände visualisieren zu können. Auf der anderen Seite setzt hier auch seine einzige Kritik an der Maschine an: «Noch scheint die Software nicht hundertprozentig ausgereizt, was die Bedienerfreundlichkeit angeht.» So poppt bei offener Türe beim Wechsel von einer Oberfläche zur anderen immer das Bild der Türe und ein entsprechendes Warnsignal auf. «Das ist ein bisschen lästig und kostet Zeit.» Wiewohl er auch weiss: «Dabei handelt es sich um eine Kleinigkeit. Mechanisch ist die Maschine einwandfrei. Da gibt es nichts zu meckern.»Das gilt für die Genauigkeit genauso wie für die Wärmegangkompensation oder die Energiesparfunktion. So wird die Rundlaufgenauigkeit ab Werk mit 5?µm angegeben. Laut Michael Kunz sind daher «IT-6-Passungen am Aussendurchmesser auch bei schwierigen Materialien problemlos möglich.» Die serienmässige Wärmegangkompensation verhilft der Maschine zu einer Kalt-Warm-Abweichung von nur 20 µm. Das ist wiederum ein Pluspunkt, wenn die Stand-by-Funktion greift, die die Maschine nach einer definierten Zeit in den Schlummermodus verabschiedet.In Summe hat sich das Engagement von Walter Meier Fertigungslösungen AG also rentiert. Denn sie und allen voran August Wirz waren es, die bei Nakamura-Tome die B-Achse im oberen Revolver gefordert haben: «Wir wollten zu den konventionellen Dreh-Fräs-Zentren eine wirtschaftliche Alternative schaffen, wenn es um die Bearbeitung komplexer Teile mit B-Achse geht.» Mit einer ausgeklügelten Maschine zu einem Preis von deutlich unter 500`000 CHF ist das auch gelungen. Zwischen sechs und zehn der japanischen Drehzentren «Powered by Suisse» sollen daher jährlich in der Schweiz über den Ladentisch gehen. Und der Anfang ist gemacht: Von jetzt an ist das Schmuckstück nicht nur auf dem Papier, sondern live unter Span zu erleben. -Wolfgang Pittrich

Aeschlimann AG
Décolletages
4574 Lüsslingen, Tel. 032 625 70 25
info@ae-decolletage.ch

Walter Meier (Fertigungslösungen) AG
8603 Schwerzenbach, Tel. 044 806 46 46
ch.machining@waltermeier.com


Aeschlimann AG
Das Familienunternehmen wurde 1937 als kleines Schraubenmacheratelier in Lüsslingen gegründet. Heute stehen 160 Mitarbeiter in Lohn und Brot, davon 15 Lehrlinge, und 260 Maschinen produzieren und vermessen Millionen von Drehteilen mit einem Rohmaterialverbrauch von rund 1300 t. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Bearbeitung komplexer Drehteile bis 65 mm Durchmesser, auch mit speziellen Nachbearbeitungsverfahren wie Honen, Spitzen- und Centerlessschleifen, Glattwalzen und Super-Finish mit Oberflächengüten bis Ra = 0,01 Mikrometer. Zu den Kunden zählen internationale Unternehmen der Elektronik- und Automobilindustrie genauso wie nationale Unternehmen aus Medizin- und Messtechnik oder aus der Uhrenindustrie. Aeschlimann setzt jährlich rund 30 Mio. CHF um. Die Exportquote liegt bei 50 Prozent.

Der 19-Zoll-Touchscreen-Monitor bietet eine schnelle Übersicht und komfortables Bedienen. Mit dem integrierten Greifer (blau) können die Werkstücke mit genau definierter Haltekraft abgegriffen und entladen werden.Grosser Innenraum: Der obere Revolver kann komplett nach links verfahren werden und schafft so genügend Arbeitsfläche zum Rüsten.?Nakamura-Tome NTJ 100 Aeschlimann ist Erstanwender der Maschine in der Schweiz. Bearbeitet werden hochkomplexe Drehteile in Messing, Aluminium, Stahl und Edelstahl mit Stangendurchlass bis 51?mm in einer Stückzahl zwischen 10 und 8000. KO-Kriterien sind:– niedrigerer Invest im Vergleich zu einem Dreh-Fräs-Zentrum– oberer Revolver mit B-Achse– KM-Schnellwechselsystem von Kennametal– hohe Werkzeugbestückung mit bis zu 24 angetriebenen und 48 indexierbaren Werkzeugen– hohe Wirtschaftlichkeit durch dynamische und synchrone Teilefertigung– hohe Genauigkeit (Rundlauf: 0,005?mm)– stabiler Wärmegang durch Temperaturkompensation– energieeffizient (Stand-by-Funktion und Energierückgewinnung)