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«Kundert, wir haben ein Problem»

Polyurethane als Alternative zu Kautschuk: Wenn es um die effektive Dämpfung in schwingungsbelasteten Systemen geht, sind Polyurethane eigentlich erste Wahl. Eigentlich. Denn leider sind deren unbestrittene Vorteile wie hohe Verschleissfestigkeit oder UV- und Chemikalienresistenz bei der breiten Masse der Entwickler und Konstrukteure immer noch zu wenig bekannt. TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich sprach mit Markus und Stefan Kundert von der Kundert AG über das grosse Potenzial der PU-Systeme.

Die Kundert AG gehört in der Schweiz zu den führenden Unternehmen, wenn es um Kunststoffprodukte und deren mechanische Weiterverarbeitung und Veredelung geht. Bei Polyurethansystemen dürfte ihre Expertise sogar einzigartig sein, speziell in der Kombination mit kundenspezifischen High-End-Lösungen.
Dass ein deutlicher Trend hin zu Polyurethan (PU) vorhanden ist, bemerkt Stefan Kundert, Geschäftsleiter Finanzwesen und Organisation der Kundert AG, schon länger. Er weiss aber auch: «Es gibt ein grosses Wissensdefizit bei Konstrukteuren und Ingenieuren, wenn es um das technologische Potenzial von PU geht.»
Das gilt auch für die dämpfenden Eigenschaften von PU. Generell gilt: Der Einsatz eines PU-Systems macht vor allem dort Sinn, wo eine hohe Dämpfung gefordert ist.
Markus Kundert, Geschäftsleiter Verkauf und Technik bei der Kundert AG, schätzt PU vor allem deshalb, weil sich eine Vielzahl von Eigenschaften bündeln lässt: «Neben der tiefen Rückprallelastizität bieten Polyurethansysteme eine hohe Verschleissfestigkeit. Sie verfügen über ein ausgezeichnetes dynamisches Verhalten genauso wie über eine hohe Stosselastizität, auch bei sehr niedrigen Temperaturen. Sie zeigen zudem eine gute Beständigkeit gegenüber Ozon, UV- und energiereicher Strahlung sowie Fetten, Benzin oder Lösungsmitteln.»
Allerdings gilt, ähnlich wie bei Kautschuksystemen: PU ist nicht gleich PU. «Die Welt der Polyurethansysteme ist ähnlich gross wie die der Thermoplaste», sagt Stefan Kundert. Polyurethane lassen sich hart und spröde, aber auch weich und elastisch ausbilden.
Bleiben wir bei unserem Beispiel der dämpfenden PU-Systeme, wäre es also naheliegend, auf ein hart eingestelltes PU zurückzugreifen, da augenscheinlich dort die Rückprallelastizität am geringsten scheint. Jein. Zwar ist die Angabe der Härte ein Auswahlkriterium, aber die entscheidende Weichenstellung spielt sich im molekularen Bereich ab, sagt Markus Kundert: «Wir haben die Möglichkeit, über die Vernetzung der Moleküle die Systeme so zu steuern, dass bei gleicher Härte sehr unterschiedliche Dämpfungs-, aber auch Schwingungsverhalten entstehen. Vor allem, wenn hohe Abriebfestigkeit oder eine besondere chemische Beständigkeit gefordert sind, eignen sich Polyurethane wesentlich besser als Kautschuk.»
Die grosse Erfahrung der Kundert AG bei PU-Systemen beschränkt sich nicht nur darauf, die richtige Rezeptur zu finden und das Material aufzubereiten. Genauso akribisch kümmert man sich um die Applikationsmöglichkeiten von PU auf Trägersysteme wie Thermoplaste oder Metalle. Know-how ist vor allem bei der Haftung der Materialien untereinander und beim blasenfreien Auftrag gefordert. So müssen PU-beschichtete Rollen für Papiermaschinen Geschwindigkeiten bis zu 1800 m/min ebenso verkraften wie die abrasive Wirkung der Papierfasern. «Bei diesen Anwendungen», sagt Stefan Kundert, «gibt es nicht mehr so viele Anbieter, die funktionierende Lösungen liefern.»
Ein relativ junges Gebiet ist die Kombination von PU und Karbon-
oder Glasfaser-verstärkten Kunststoffen (CFK/GFK). Auch hier bewegt sich die Kundert AG an der Speerspitze der Entwicklung. Unter anderem deshalb, wie Stefan Kundert zu bedenken gibt, «weil an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen eigentlich sehr wenig über diese innovative Werkstoffkombination gearbeitet wird. Das Potenzial ist noch nicht annähernd ausgeschöpft. Hier ergeben sich phantastische Möglichkeiten für die Zukunft.» Er sieht vor allem
dort Einsatzmöglichkeiten, wo schnelllaufende Wellen um die Faktoren Elastizität und Abrieb ergänzt werden müssen.
Ein weiteres Gebiet, auf dem sich die Kundert AG eine gewisse Alleinstellung erarbeitet hat, ist die mechanische Bearbeitung von Polyurethan. Da PU sehr zäh und abriebfest ist, gleichzeitig aber auch gummielastische Tendenzen aufweisen kann, war es laut Stefan Kundert ein steiniger Weg zum Erfolg: «In PU-Systeme eine Rille zu drehen oder zu fräsen, ist extrem schwierig. Da haben wir lange gebraucht, um zu einer wirtschaftlich bezahlbaren Lösung zu kommen.»
Generell ist das Thema Wirtschaftlichkeit nicht einfach zu beantworten. Im Schnitt sind PU-Systeme im Vergleich zu Kautschuksystemen zwischen 30 und 50 Prozent teurer. Markus Kundert wehrt sich allerdings dagegen, nur auf den reinen Einstandspreis festgenagelt zu werden: «Der Anwender sollte sich immer fragen: Welchen Anforderungen muss mein Bauteil gerecht werden? Und hier kann es oft so sein, dass das vermeintlich teurere Produkt im Endeffekt das preiswertere ist, weil Gebrauchsdauer und Nutzungsintensität deutlich höher sind.»
Auch deshalb fordern beide Geschäftsleiter eine deutlichere Vertiefung der schulischen und universitären Ausbildung, wenn es um PU geht: «Die Akzeptanz im Sinne einer gesamtheitlichen wirtschaftlichen Betrachtung wäre deutlich grösser.»
Noch sehen die Kunden sehr genau hin, bevor sie auf Polyurethan zurückgreifen. Zu gross ist die Angst, bei einem Fehlgriff viel Geld in den Sand zu setzen. Und genau hier setzt das Know-how der Kundert AG an: Man weiss, welche PU-Systeme sich für welche Einsatzgebiete eignen, und kann ausserdem eine wirtschaftliche, mechanische Bearbeitung garantieren. Nicht umsonst sieht man sich als Problemlöser im High-End-Bereich und fühlt sich in dieser Nische wohl. Denn nicht wenige Anwender kommen mit der direkten Anfrage: «Kundert, wir haben ein Problem.»•
- Wolfgang Pittrich

Kundert AG Kunststofftechnik
8645 Jona, Tel. 055 225 16 16
info@kundert.ch


Kundert AG im Profil
Die Kundert AG ist ein führender Anbieter von Kunststoffhalbzeugen und Kunststofffertigteilen sowie von Formteilen und Beschichtungen aus Polyurethan. Mit einer breiten Palette an modernsten Fertigungsmöglichkeiten und einem umfassenden Werkstoffsortiment wendet sich das Unternehmen an einen Kundenkreis mit High-End-Anforderungen aus dem Maschinenbau, der Medizin-, Chemie- und Umwelttechnik sowie der Elektroindustrie. Die Kundert AG beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und setzt etwa 23 Mio. Franken um.