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«Produktivität» heisst das Zauberwort

EMO-Nachlese Präzisionswerkzeuge: Hinter den Werkzeugmaschinen stellten die Präzisionswerkzeughersteller die zweitgrösste Ausstellergruppe der diesjährigen EMO in Hannover. Und nach wie vor bilden sie die technologische Speerspitze, wenn es um die Bearbeitung zukunftsträchtiger Werkstoffe oder um Produktivitätssteigerungen im Fertigungsprozess geht. Neuheiten gab es daher auf der EMO viele. Wir stellen einige vor.


Gut ein Drittel aller EMO-Aussteller waren Hersteller von Präzisionswerkzeugen oder verwandten Bereichen. Nicht ohne Grund: Gerade die Werkzeuge sind es, die in den letzten Jahren enorm zur Produktivitätssteigerung in den Unternehmen beigetragen haben. Neue Schneidstoffe, Geometrien und Beschichtungen lassen höhere Maschinengeschwindigkeiten zu und führen zu materialschonender Bearbeitung. Neue Materialien wie hochfeste Nickelbasislegierungen oder die tückischen, weil abrasiven Composites konnten ihren Siegeszug nur deshalb antreten, weil es kongeniale Werkzeuglösungen für ihre Bearbeitung gab.
Dass die Werkzeugtechnologen in ihrem Ringen nach innovativen Lösungen nicht nachlassen, zeigen die neuen Schleifscheiben «Cubitron II» des 3M-Geschäftsbereiches «Precision Grinding & Finishing», zu dem auch die Winterthur Technology AG gehört. Bereits der Slogan zur Produkteinführung verweist auf Einmaliges: «Schleifen mit Cubitron II ist Bearbeiten mit geometrisch bestimmter Schneide.»
Bei diesen neuartigen Schleifmitteln sind Präzisions-Sinterkorund-Dreiecke auf gebundene Schleifscheiben integriert. Diese, auch «Precision Shaped Grains» (PSG) genannten, scharfkantigen Dreiecke – daher auch die geometrisch definierte Schneide – erlauben einen sauber geschnittenen Span; im Gegensatz zur eher drückenden und pflügenden Bearbeitung mit bisherigen Schleifmitteln. Erste Anwendungen bei der Liebherr Verzahntechnik GmbH zeigen eine bis zu 50 Prozent verkürzte Schleifzeit und ein nahezu gegen null gehendes Risiko von Schleifbrand. (Die «Technische Rundschau» berichtet in der nächsten Ausgabe ausführlich darüber.)
Mit Superlativen geizt auch Mikron Tool nicht. Dem Unternehmen ist nach eigenen Angaben ein «Quantensprung» beim Fräsen von rostfreiem Stahl, Titan, Chrom-Kobalt-Legierungen und Superalloys gelungen. Das Objekt der Verehrung ist ein neu konzipierter Kleinfräser, auf der EMO als Weltneuheit präsentiert. Wobei die Ankündigungen des Herstellers fast euphorisch zu nennen sind: «Der Fräser verbessert in jeder Hinsicht die bisher möglichen Resultate, und zwar um ein Vielfaches: So gelten ab sofort neue Massstäbe beim Fräsen von Nuten, Taschen und Wandungen in Bezug auf Schnittgeschwindigkeiten, Zustellung, Performance, Standzeit und Oberflächenqualität.» Zur Verfügung stehen je drei Versionen von zylindrischen und torischen Fräsern für unterschiedliche Frästiefen von 1,5 bis 5 x D, im Durchmesserbereich von 0,5 bis 4 mm.
Ebenfalls ungewöhnlich, wenn auch auf andere Art, waren die Ankündigungen gleich zweier Hersteller, das eigene Portfolio deutlich zu erweitern. So offeriert die Komet Group erstmals ein Programm fürs Fräsen. Mit dem Planaufsteckfräser «hi.aeQ» verlässt der bisherige Bohr- und Aufbohrspezialist angestammtes Terrain. Der Fräser bietet eine auf den Durchmesser bezogene hohe Schneidenzahl und soll sich vor allem beim prozesssicheren Eck- und Planfräsen von Gusswerkstoffen bewähren. Der Aufsteckfräser ist in den Durchmessern 63, 80, 100, 125 und 160 mm erhältlich, Mit diesem Schritt geht Komet in Richtung Vollsortimenter. Dazu passt ganz gut die Ankündigung, in Zukunft eine eigene Hartmetallfertigung aufbauen zu wollen.
Während die Ausweitung des Programms bei Komet durchaus nachvollziehbar ist, kam die Ankündigung des Spannmittelspezialisten Haimer, ab sofort auch Vollhartmetall-Schaftfräser zu vertreiben, aus heiterem Himmel. Mit der «PowerMill»-Fräsreihe möchte man vor allem die eigene «SafeLock»-Schnittstelle besser im Markt positionieren. Diese speziell geformten und gewuchteten Werkzeugschäfte können direkt in Schrumpffutter und Spannzangen gespannt werden. Ein Umweg über das ungewuchtete und damit notorisch ungenaue Weldon-System kann entfallen. Ziel von Haimer ist, in zehn Jahren die Weldonspannfläche entbehrlich zu machen. Die PowerMill-Fräser gibt es von 2 bis 20 mm als 3-, 4- und 5-Schneider. Die Fräser werden übrigens im eigenen Haus gefertigt.
Wie hoch der Begriff «Swissness» im Kurs der Präzisionsbearbeiter gehandelt wird, demonstriert die Paul Horn GmbH mit ihrem System «S274» für die Mikro-Drehbearbeitung. Der Zusatz «Swiss Finish» verweist sowohl auf die Art des Einsatzes – meist auf Langdrehern, also swiss type lathes –, aber auch auf die besonderen Herausforderungen, denen sich das Werkzeug stellen möchte. Das Dreh-Schneidplattensystem «Swiss Finish» soll vor allem in der Uhrenindustrie Standzeiten und Produktivität erheblich steigern. Dazu sind die Schneiden feinstgeschliffen und werden im Werk zu 100 Prozent auf Ausbrüche geprüft. So realisierte man in hauseigenen Testläufen bereits eine 15-fache Standmengenerhöhung gegenüber herkömmlichen Systemen.
Über gröbere und vor allem wesentlich heissere Späne hat sich Kennametal den Kopf zerbrochen. Genauer gesagt geht es um das Drehen von Guss mit polykristallinem kubischem Bornitrid (PCBN). Durch die trockene Bearbeitung sind die Plattenhalter oft extremen Belastungen ausgesetzt. Die heissen Späne prallen mit hoher Geschwindigkeit auf die Pratzen und lassen sie zum Verschleissgut werden. Teilweise muss ein Wechsel bereits nach einer Bearbeitung von 5000 Werkstücken erfolgen. Spannpratzen aus Hartmetall eignen sich nur bedingt als Alternative; sie sind zu steif und könnten im Laufe der Bearbeitung zu einer Aufweitung des Plattensitzes führen.
Bei der «Beyond-Shield»-Technologie schützt Kennametal die Pratzen aus Stahl mit einer Verschleissfolie aus Hartmetall. In Kombination mit speziell geformten Platten, die aufgrund der Dreipunktklemmung den Schwerpunkt der Befestigung auf die Plattenvorderseite legt, sollen sich die Standzeiten von Halter und Platten deutlich erhöhen.
Ebenfalls um den richtigen Plattensitz und damit um die Wirtschaftlichkeit der Bearbeitung hat sich Mapal gekümmert. Das Herzstück des «EasyAdjust»-Systems für Führungsleistenwerkzeuge mit Wendeplatten ist eine innovative Kassette, welche die vier- oder sechsschneidigen «HX»-Wendeplatten spielfrei und stabil aufnimmt. In diese Kassette ist die Verjüngung der Nebenschneide bereits integriert. Der Einstellaufwand für die Verjüngung entfällt also komplett. Der sichere Halt der Wendeplatte ist durch ein kraftschlüssiges und stabiles System aus Spannkerbe und -pratze gewährleistet.
Und «revolutionär» geht es weiter. So jedenfalls bejubelt die Walter AG ihr neues Stechsystem «Cut-SX». Wohl zum einen, weil das Werkzeug aufgrund der einschneidigen Stechplatten sehr tief in das Werkstück eindringen kann; zum anderen, weil sich die Schneideinsätze sowohl auf Drehmaschinen zum Einstechen als auf Fräsmaschinen zum Trenn- und Schlitzfräsen einsetzen lassen. Ausgeklügelt scheint auf jeden Fall die Befestigung der einschneidigen Platte: Nicht nur, dass der Spannfinger hohe Spannkräfte aufbringen kann; dafür sorgt untere anderem die besondere Form des Plattensitzes. Auch die Durchleitung von KSS durch den Spannfinger direkt auf die Schneide hat es in sich. Die Stechplatten gibt es in den Breiten von 2,0 bis 6,0 mm und bis zu 33 mm Stechtiefe. Spezielle Tiefstechklingen erreichen 60 mm.
Sandvik Coromant, der im Sandvik-Konzern beheimatete Weltmarktführer bei den Zerspanwerkzeugen, hat sich unter anderem der Drehbearbeitung von Stahlwerkstoffen angenommen. Dazu gehört laut Pressetext «die Einführung einer bahnbrechenden Technologie, die neue Performance-Massstäbe in der Metallzerspanung setzt». Gemeint ist die «GC4325»-Hartmetallsorte. Sie soll in Kombination mit einer neuartigen Beschichtung für höhere Schnittgeschwindigkeiten sowie eine längere und vor allem berechenbarere Standzeit sorgen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Ankündigung, dass sich der Einsatz der Schneidplatten «über den gesamten ISO-P25-Anwendungsbereich erstreckt». Und das ist nicht gerade wenig. Wir sprechen hier von duktilen Stählen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt genauso wie von hochlegierten gehärteten Stählen; egal ob es als Stangenmaterial, Schmiederohling oder Gussteil zum Einsatz kommt.
Auffallend zur EMO war, dass sich die Neuheiten vieler Werkzeughersteller um die Guss-, Stahl- und Aluminiumbearbeitung drehten, also das Brot- und Buttergeschäft der Anwender. Exoten wie Composites, noch auf der letzten EMO im Fokus der Entwicklungsanstrengungen, traten ein wenig in den Hintergrund. In diese Lücke stiess Gühring mit seinem neuen CFK-Fräser für die Composite-Bearbeitung. Die Überlegung der Entwickler dazu lautete: «Bei den neuen CFK-Sorten macht sich ein Trend zu weniger Harzanteil und vor allem unidirektionaler Ausrichtung der Fasern bemerkbar.» Folge: Die Fasern können bei ungünstigen oder hohen Schnittbedingungen leichter aus dem Verbund gerissen werden.
Um das zu verhindern, besitzt der Fräser von Gühring eine neuartige Schneidanordnung: Zwei Schneiden stehen in einem Spiralwinkel von 25° zueinander. In Kombination mit einer ungleichen Schneidenteilung soll die Delaminationsneigung deutlich reduziert werden. •
- Wolfgang Pittrich

3M: www.winterthurtechnology.com
Gühring: www.guehring.ch
Haimer: www.dihawag.ch
Paul Horn: www.dihawag.ch
Kennametal: www.waltermeier.com/de/fertigungsloesungen
Komet Group: www.kometgroup.com
Mapal: www.mapal.com
Mikron Tool: www.mikron.com
Sandvik Coromant: www.sandvik.ch
Walter AG: www.walter-tools.com