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Klasse statt Masse?

Klasse statt Masse?

In der Schweizer Composites-Branche beherrscht die Nische das Marktgeschehen. Rund 100 Firmen und Institutionen beschäftigen sich derzeit mit faserverstärkten Verbundwerkstoffen. Sie entwickeln und produzieren dabei vornehmlich genau das, was die Schweizer Industrie auszeichnet: Hightechprodukte und Spezialanfertigungen der absoluten Spitzenklasse. Nicht nur bei der NASA vertraut man auf Composite-Bauteile, auch Automobilhersteller wie BMW oder Innovationstreiber in der Medizinaltechnik haben die Vorteile dieses Werkstoffes entdeckt.

Bei so viel Klasse mag man sich fragen, ob Schweizer Unternehmen bei Nischenprodukten bleiben? Faserverbundwerkstoffe weisen bessere Eigenschaften aus als Metall; weshalb soll diese boomende Branche also nicht nach den Sternen greifen und die Massenproduktion und Automatisierung anvisieren?

Keine Angst, sie tut es. Und zwar auf die gleiche Art und Weise, wie sie sich in den letzten Jahren weiterentwickelt hat: wissensbegierig, offen und trotzdem zielorientiert. Denn Klasse, verbunden mit Masse, ist die grosse Chance dieser Industrie für die Zukunft und verspricht ein grosses Wertschöpfungspotenzial. Es bleibt spannend.

Connova: Hitzeschutzschild für Porsche 918 Spyder

Die Firma Connova AG in Villmergen ist Technologie- und Entwicklungspartner für den neuen Porsche 918 Spyder und hat gemeinsam mit dem deutschen Partner zum ersten Mal einen Hitzeschutzschild für die Motorenabdeckung aus reinem Carbon gefertigt. Unter der Motorhaube dieser Sportwagen entwickeln sich besonders hohe Temperaturen von bis zu 250 °C. Diese Hitze muss gedämmt und abgeführt werden. Gleichzeitig soll das Material möglichst leicht sein und jeglicher Belastung standhalten können.

Zu den speziellen Eigenschaften des Hitzeschutzschildes gehören eine Hochtemperaturtoleranz von bis zu 750 °C sowie die Fähigkeit, extreme mechanische Belastbarkeit (Vibrationen) auszuhalten. Zudem ist er dank dem Einsatz von Carbon-Composite wesentlich leichter als bisherige Hitzeschutzschilde, die aus Leichtmetall gefertigt waren. Das komplette Bauteil wiegt 6377 Gramm, womit sich rund 40 Prozent Gewicht einsparen lies­sen. Die Produkteinnovation, die in den neusten High-End-Serienfahrzeugen von Porsche eingesetzt wird, besteht aus einem speziellen Hybrid-Composite-Lageaufbau sowie einer eigens für diese Anwendung entwickelten Reflektionsschicht. Die Entwicklungsdauer betrug rund 10 Monate, was nur dank enger Zusammenarbeit der Partner sowie sehr guter Vorkenntnisse aus Projekten in Raumfahrt und Formel 1 möglich war.

www.connova.com

Composites Europe
(7. bis 9. Oktober, DE-Düsseldorf): Europäische Fachmesse und Forum für Verbundwerkstoffe und Anwendungen. (Siehe auch Artikel auf Seite 78.)
www.composites-europe.com

4. Fachtagung Carbon Compo­sites
(18. und 19. November, DE-Augsburg): Austauschplattform rund um den industriellen Einsatz von CFK.
www.fachtagung-carboncomposites.de

Swisstech 2014
(18. bis 21. November, Basel): Fachmesse für Werkstoffe, Komponenten und Systembau.www.swisstech-messe.ch

Symposium «Composites im Maschinenbau»
(27. November, Zürich): Composites-Hersteller treffen auf die Maschinenindustrie; mögliche Anwendungen, Potenziale und Lösungen.
www.cc-schweiz.ch/aktuelles/ veranstaltungsliste

*Weitere Termine und Anmeldung: www.cc-schweiz.ch/aktuelles/veranstaltungsliste

Nägeli Swiss AG: Eine Innovationswerkstätte erster Güte

Wer innovativ sein will, muss immer wieder bereit sein, sich zu wandeln. Eine Eigenschaft, die ausgesprochen gut auf die Nägeli Swiss AG in Güttingen passt. Vor über siebzig Jahren als Zulieferer von Stanzteilen in die Metallindustrie und Kugellagerhersteller gegründet, beschäftigt sich der Familien­betrieb heute auch intensiv mit dem Thema Composites.

«Über die Jahre haben wir uns immer mehr in Märkten positioniert, bei denen der Werkstoff Metall hinsichtlich Umformbarkeit und Leistungsfähigkeit an seine Grenzen stiess», erklärt Christoph Nägeli, Mitglied der Geschäftsleitung, von denen es im Betrieb insgesamt drei mit gleichem Familiennamen gibt. «Von Grenzen lassen wir uns aber nicht abschrecken», erklärt Nägeli. «Vielmehr sind sie für uns Ansporn, um immer wieder einen Schritt weiter zu gehen.»

So kam die Firma Mitte der 1980er-Jahre in Zusammenarbeit mit der ETH zu den Faserverbundwerkstoffen. Erstes Produkt waren Flügelteile für den Flugzeugbauer Dornier. Einen weiteren Erfolg verbuchte das Unternehmen dann mit der Herstellung von Fahrradrahmen für Villiger. Es folgten eine Vielzahl von Produkten wie Bettfedern, Roboterarme und Musikinstrumente – allesamt hergestellt aus Kohle- oder Glasfaser.

Ein interessantes Projekt im Bereich Maschinenbau war die Entwicklung von Peltonbechern aus Faserverbund für Wasserkraftanlagen. Durch den Einsatz der neuen Materialien haben sich raffinierte Lösungsmöglichkeiten für die Konstruktion dieser Räder ergeben, welche den Unterhalt beträchtlich vereinfachen und zu einer markanten Steigerung der Laufruhe führen. Peltonbecher dieser Art sind seit Jahren an verschiedenen Orten in der Schweiz im Einsatz.

Die Nägeli Swiss AG ist eine Innovationswerkstätte erster Güte. «Was uns interessiert, ist, wie eine Idee industriell umgesetzt werden kann», sagt Thomas Nägeli, der im Unternehmen hauptsächlich für die strategische Weiterentwicklung verantwortlich ist. Nicht Grösse ist das primäre Ziel der Unternehmung, sondern Qualität und höchste Fertigkeit. «Dazu sind wir darauf angewiesen, möglichst viel Wissen aufs Material zu bringen.»

Das gilt genauso für die Metallverarbeitung wie für den Faserverbund. Während in der Metallverarbeitung das Material bekannt und weitgehend ausgereizt ist, zeigen sich bei der Anwendung von Composites ganz andere Möglichkeiten. Durch die Orientierung der Fasern gemäss dem Kraftfluss des Bauteils lassen sich gewünschte mechanische Eigenschaften lokal einstellen, wodurch sich etwa die Performance eines Roboterarms im Vergleich zu Aluminium um bis zu 40 Prozent verbessert. Auch die Kombination von verschiedenen Funktionen in ein einziges Bauteil kann mit mit Composites realisiert werden, wie dies am Beispiel der integrierten Federung beim Fahrradrahmen gezeigt wurde. Weitere Vorteile sind die hohe Festigkeit und Steifigkeit im Verhältnis zum Gewicht, die Korrosionsbeständigkeit und der geringe Wärmeausdehnungskoeffizient.

So kann die Firma Nägeli, die einst in der Metallverarbeitung begonnen hat und noch heute dort tätig ist, kaum verstehen, weshalb in der Industrie noch immer vorrangig nach Lösungen in Metall gesucht wird, statt in Faserverbund zu denken. «Das Potenzial ist riesig», ist Thomas Nägeli überzeugt, «und es sind noch Quantensprünge möglich.»www.naegeli.ch