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«Automatisieren heisst investieren!»

Industrielle Montage und Handhabung ist heute ohne Automatisierung und diese ohne Robotik kaum mehr denkbar. Gerade jetzt erfährt diese Entwicklung mit dem Streben nach immer kleineren Losgrössen bei gleichzeitig enormem Druck auf die Produktionskosten einen erneuten Schub. Der Redaktor der «Technischen Rundschau» befragte einen Experten zu den aktuellsten Trends und Entwicklungen in diesem Bereich.

 

Herr Erismann, welche bestehenden Trends werden sich in Montage und Handhabung 2015 fortsetzen?

Die Automatisierung in der Montagetechnik ist schon seit Jahren eine grosse Herausforderung für die Anlagenbauer und Systeminteg­ratoren, weil die Komplexität und die Vielfalt der einzelnen Komponenten, die miteinander in einem Arbeitszyklus zusammengefügt respektive zu einer kompletten Einheit montiert werden müssen, stetig zunimmt. Die Zuführung von Einzelteilen, deren lagerichtige Positionierung, das optimale Greifen, das präzise Fügen verlangen technisch optimal auf die Bedürfnisse ausgerichtete Einrichtungen, das heisst, Industrieroboter mit sensitiv wirkender Kinematik, also sensorischem Feingefühl, dazu Vision-Systeme mit hochauflösenden Kameras für einwandfreie Teileerkennung. Weiter braucht es formschlüssige Greifsysteme und Werkstückmagazine mit hochpräzisen Positionierstationen. Über alles hinweg benötigen wir eine perfekte Prozessüberwachung.

Welche neuen Trends identifizieren Sie für die Zukunft?

Die Trends für die kommenden Jahre liegen in der weiteren Entwicklung innovativer Prozessabläufe in Form von optimal konzipierten Lösungen zur Baugruppenmontage. Die moderne Montagetechnik ist ohne technisch hochstehende Antriebssysteme nicht mehr denkbar. Gefordert sind kurze Entwicklungszeiten mit nachweisbarem Nutzungspotenzial für den Anwender. In der Handhabungstechnik zeichnet sich Ähnliches ab. Die Verkettung von Produktionsabläufen im Mehrschichtbetrieb setzt eine optimale Planung des Gesamtkonzeptes voraus. Auch hier gilt der Grundsatz: Entscheidend für einen gewinnbringenden Nutzen ist die Gesamtlösung.

Wo liegen dabei die speziellen Schwierigkeiten?

Die Herausforderung ist heute für den Hersteller von Gesamtanlagen sehr hoch. Der Preiskampf ist enorm und lässt keinen grossen Spielraum in der Ausführung mehr zu, weil in den vergangenen Jahren das Anwender-Know-how über die Landesgrenzen hinausgewachsen ist und eine zunehmend internatio­nale Konkurrenz mitbietet. Erfahrung ist hier unabdingbar und die Anwendungstechnik ist ausschlaggebend.

Welche Prognose stellen Sie für die Schweizer Branche?

Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz ist die Steigerung des Automatisierungsgrades von grösster Wichtigkeit. Dem enormen weltweiten Preiskampf in der Herstellung von Produkten kann nur mit einer optimalen, technisch einwandfreien und kostengünstig funktionierenden Systemlösung begegnet werden. Die geforderten, immer kürzeren Produktionszeiten und die zunehmende Produktvielfalt stellen an die bestehenden Systeme hohe Anforderungen. Mit der aktuell angewandten Automatisierungstechnik sind zukunftsweisende technische Verbesserungen und Neuentwicklungen bei Hard- wie Software zu erwarten. Zum Teil sind diese schon entwickelt und mehrfach im Einsatz, wie etwa kollaborative Roboter mit sensorischem Gefühl für Sicherheit, schnelles Lernen und einfache Bedienung. Sie erschliesst neue Einsatzbereiche im Umfeld von Menschen, die der Robotik bislang verschlossen waren.

Wo sehen Sie bei dieser Entwicklung die grösste Herausforderung für Schweizer Industrieunternehmen?

Sie besteht darin, die Produktion trotz der hohen Produktionskosten in der Schweiz zu halten. Für die Betriebe in der Schweiz wird es immer schwieriger, den ausländischen Anbietern Paroli zu bieten. Diese Produktionskosten lassen sich nur durch eine optimal durchdachte Automatisierung und die Steigerung der Produktivität senken.

Wie lautet Ihr Rezept dazu?

Investitionen für Automatisierungssysteme lassen sich nur durch kostengünstige, flexibel einsetzbare, service- und bedienerfreundliche sowie sicherheitskonforme Projekte realisieren. Ohne planmässiges Vorgehen zusammen mit erfahrenen Anlagen- und Systemintegratoren aus der Automatisierungsbranche wird in Zukunft die Erhaltung des Werkplatzes Schweiz immer schwieriger. Automatisieren bedeutet aber auch investieren. Ohne eine Investition in die Zukunft kann kein Gewinn erwirtschaftet werden. Entscheidend dabei ist eine Kooperation mit Partnern, die dasselbe Ziel verfolgen: die Erhaltung des Werkplatzes Schweiz!

Auf der Motek im Oktober erhielt man den Eindruck, dass sich immer mehr KMU für Roboterlösungen interessieren und dass die Anbieter auch verstärkt auf diese Kundengruppe fokussieren. Korrekt?

Das stimmt. Die Robotertechnik hat in der heutigen Montagetechnik einen sehr hohen Stellenwert. Es gibt bereits kostengünstige flexib­le Systeme, die sich leicht für verschiedene Applikationen einsetzen lassen, wie etwa einfach zu handhabende Sechs-Achsen-Roboter, die sich durch Führen von Hand programmieren lassen – das sogenannte Playback-Programmieren  – und so leicht in Montageoperationen integrieren werden können. Für KMU eignen sich die Leichtbauroboter hervorragend, die ohne Schutzeinrichtung platzsparend aufgebaut werden können. Diese Roboter erledigen vor allem Montageaufgaben, leisten aber auch in der Verpackung von Produkten, etwa in der Pharma- und Food-Industrie, oder beim Be- und Entladen von Werkzeugmaschinen gute Dienste. Leichtbauroboter stellen für KMU eine erschwingliche, flexible Investition dar.

Stichwort kollaborierende Roboter: Wo liegen die Herausforderungen?

Die Kollaboration zwischen Mensch und Roboter gewinnt stark an Bedeutung. Die Herausforderung liegt in der richtigen Wahl einer Anwendung. Ein Montageprozess, der bis anhin manuell ausgeführt wurde, kann auf diese Weise besonders im Bereich Kleinserien qualitativ verbessert und wirtschaftlich automatisiert werden. Das Ziel muss darin bestehen, dass der Bediener den Roboter einfach programmieren und wie ein Werkzeug intuitiv bedienen kann. Kollaborierende Roboter arbeiten typischerweise ohne spezielle Schutzeineinrichtungen wie Zäune. Deshalb ist es von grösster Wichtigkeit, dass der Personenschutz gewährleistet ist und dass schon bei der Planung eines Projekts auf die Sicherheitsumgebung grossen Wert gelegt wird. Die entsprechenden Sicherheitsvorschrifiten sind unbedingt einzuhalten, damit jeder Personenschaden vermieden werden kann.

Wie beurteilen Sie in Bezug auf kollaborierende Roboter die momentane Situation bei Schweizer KMU?

Für diese Roboter finden sich auch bei unseren KMU gute und kostensparende Einsatzmöglichkeiten, besonders für unterschiedliche Aufgaben an verschiedenen Maschinen. Entscheidend sind Eigenschaften wie die Möglichkeit zum schnellen Umrüsten, eine einfache Programmierung, die Vernetzung von Daten und Produktionsinformationen durch komfortable Schnittstellen zwischen den einzelnen Steuerungen beim Roboter, bei der Maschinensteuerung und in der Peripherie. In der Mensch-Maschine-Integration lassen sich komplexe Produktionsabläufe auf sehr einfache Abläufe reduzieren. Wichtig ist, dass der Mensch dabei die absolute Kontrolle behält. Diese Entwicklung macht insbesondere grosse Fortschritte bei Laboranwendungen. Es gibt eine Anzahl von Instituten und Roboterherstellerfirmen, die ihre Produkte auf dem Markt anbieten.

Welche Anbieter sehen Sie hier vorne?

ABB Robotics, aber auch Universal Robots und Roboter der Anbieter Kuka, Yaskawa, dazu F&P Robotics.

Was lässt sich zu den Themen Teilemarkierung und «Vision/Bildverarbeitung» sagen?

Die Bildverarbeitung ist aus dem Gebiet der Montage- und Handhabungstechnik nicht mehr wegzudenken. Mit ihr können Prozesse dynamischer gestaltet und dazu auch der Materialfluss und die Logistik optimiert werden. Visionsysteme und deren Komponenten sorgen für die perfekte Lage und optimale Zuführung von Bauteilen. Spezielle Protokolle lassen dabei eine Kommunikation mit nahezu jeder Produktionssteuerung zu. Zudem vermittelt die Bildverarbeitung eine Echtzeit-Produk­tionskontrolle. Visionsysteme überwachen, kontrollieren und automatisieren heute hochkomplexe Fertigungs-, Handhabungs- und Montageprozesse.

Welche Bedeutung hat in Montage und Handhabung das Thema Datenbrille?

Positionsgenaue Einblendung räumlicher Informationen in einem «See Through Head Mounted Display», HMD, kenne ich lediglich aus der Medizin, wo sie bei sehr schwierigen Operationen zum Einsatz kommen. In der Uhrenindustrie könnte ich mir die Verwendung solcher Hilfsmittel vorstellen. Ihr Einsatz hat den Vorteil, dass die Montageinformationen unabhängig von der Körperposition und der Drehung des Kopfes immer im Sichtfeld des Benutzers bleiben. Mit den rapiden Fortschritten in der Robotertechnik und in der Medizinaltechnik besteht durchaus eine Möglichkeit, dass Untersuchungen mittels HMD kombiniert mit Einsätzen von Leichtbaurobotern kurz- oder mittelfristig zu einem Thema werden.

Was muss aus Ihrer Sicht beim Thema «Trends und Entwicklungen in Montage und Handhabung 2015» unbedingt noch angefügt werden?

Innovative Entwicklungen in den hier angesprochenen Bereichen wie sensitive Industrieroboter, kollaborierende und Leichtbauroboter, Steuerungen, Antriebstechnik, Teileerkennung, Sensorik, Fördermittel, Maschinensicherheit, Personenschutz schreiten in grossen Schritten vorwärts. Da ist es in allen Projekten von grösster Wichtigkeit, dass bereits bei der Planung möglichst viele Anforderungen an ein System berücksichtigt werden. Deshalb lohnt es sich, für eine technisch einwandfreie Beratung erfahrene Fachleute aus dem Anwendungsgebiet Robotics und Automatisierung beizuziehen. Mit deren Wissen und Erfahrung können Projekte funktionell richtig in einem kostengünstigen Rahmen realisiert werden.


Erismann Consulting, Robotics & Automation

8317 Tagelswangen, Tel. 079 692 56 62

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