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3D-Printing – Revolution oder Sturm im Wasserglas?

Einfach vom Internet herunterladen und das Objekt der Wahl im gewünschten Material ausdrucken: In seiner Marktprognose «3D Printing Materials 2014–2025» sagt Dr. Wendy Kneissl voraus, dass 3D-Printing bis 2025 an die 600 Mio. US-Dollar wert sein wird. Was ist tatsächlich schon im Einsatz, gesellschaftlich nützlich und wirtschaftlich zukunftsweisend?

Das Prinzip ist verlockend: Der 3D-Drucker baut in hauchdünnen Schichten ein dreidimensionales Objekt auf, indem er das Ausgangsmaterial durch eine Düse abscheidet. Ingenieure und Designer fertigen so kostengünstig in ein paar Stunden einen Prototyp, an dem sie früher wochenlang herumbastelten, bis sie erste Tests starten konnten.

So unterzeichneten GE Aviation und Sigma Labs im Frühjahr 2013 ein Joint Technology Development Agreement, um gemeinsam ihre PrintRite3D-Technologie für die additive Fertigung metallischer Teile für Triebwerkskomponenten voranzutreiben. Das patentierte System bewertet mittels Echtzeitdaten die Qualität eines Teils während des 3D-Printing-Prozesses. Damit löst PrintRite3D das Problem hoher Kosten für die Endkontrolle wichtiger, in 3D gedruckter Metallteile. Im Fokus steht die Herstellung von Werkstoffen mit vorhersehbaren Eigenschaften, die für eine erfolgreiche Produktvermarktung kritisch sind. Bis 2020 will GE Aviation über 100 000 Komponenten herstellen. Sigma Labs will Anwendungen in Branchen ausserhalb der Luftfahrt erschliessen und erwartet für  2014 Umsätze von 975 000 US-Dollar.

Für die Luftfahrt, wo Innovation und technische Kreativität ein Muss sind, setzt auch Airbus S.A.S. auf 3D-Printing. Die ersten additiv gefertigten Teile tauchen auf der A350 XWB der nächsten Generation sowie auf den Jetlinern der A300/A310-Familie auf. Für Airbus bedeutet 3D: leichtere Teile, kürzere Durchlaufzeiten, weniger Material in der Produktion und eine wesentliche Reduktion der Umweltbelastung. Laut Airbus wiegen die neuen Flugzeugteile 30 bis 55 Prozent weniger, wobei der Rohmaterialverbrauch bis zu 90 Prozent reduziert wurde. Verringern konnten die Techniker zudem den Energieaufwand um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Herstellmethoden. Als zukunftsträchtig erweist sich 3D-Printing, um kosteneffizient und auf Abruf nicht mehr produzierte Ersatzteile zu fertigen. Die Durchlaufzeit beträgt bei Komponenten, basierend auf einem bestehenden Design, rund einen Tag, für neu entworfene Teile weniger als zwei Wochen.


Faserkunststoffverbund und Hochleistungskeramik

Gerade für Luft- und Raumfahrt, aber auch den Automobilbau und andere Sektoren steigt die Nachfrage nach Leichtbauteilen aus Faserkunststoffverbund-Werkstoffen. Eine Knacknuss ist hier die beschränkte Realisierung der Materialien, da sie jede Menge Handarbeit und die Verwendung einer Form verlangen. Dieses Problem lösten die Forscher Andreas Fischer und Steve Rommel am Fraunhofer IPA, indem sie Schmelzschichtverfahren einsetzen, um Faserverbundkunststoff mit generativen Verfahren zu fertigen. Mit diesem speziellen 3D-Druckverfahren werden geschmolzene Polymere mit einer dreidimensional im Raum verfahrenden Düse aufgespritzt und das am Computer erzeugte Werkstück wird schichtweise aufgebaut.

«Die Verarbeitungstemperatur liegt zwischen 200 und 300 °C bei einer Schichtdicke von 0,1 bis 0,4 mm», so Projektleiter Andreas Fischer. «Wir können den Prozess jederzeit unterbrechen, etwa um Halbzeuge wie Magnete oder auch Elektronikkomponenten zu integrieren, was die Herstellung hochkomplexer Endprodukte erlaubt.» Denkbar sind Anwendungen wie die montagefreie Kapselung verschiedener Materialien oder ganzer Produkte, wie individualisierte ergonomische Griffe und Griffschalen für hochwertige Werkzeuge.

Wo andere Materialien nicht mehr mithalten können, kommt Hochleistungskeramik zum Einsatz. Das ist das Motto der 2011 gegründeten Lithoz GmbH mit Firmensitz in Wien. Lithoz ist derzeit weltweit das einzige Unternehmen, das ein Herstellungssystem für die generative Fertigung von Hochleistungskeramik anbietet, welches die hohen Ansprüche der Keramikindustrie erfüllt. Die gefertigten Bauteile weisen dabei die gleichen Materialeigenschaften wie konventionell gefertigte Bauteile auf. Vorarbeit leisteten CEO Johannes Homa und seine Kollegen als Forscher an der TU Wien. Aufbauend auf diese Forschungsarbeit entwickelte die Equipe von Lithoz das Lithography-based-Ceramic-Manufacturing- (LCM-)Verfahren anhand dessen sie – kostengünstig und schnell – voll einsatzfähige Prototypen und Kleinserien auf der Basis von CAD-Files realisieren kann.

Die LCM-Technologie basiert auf der selektiven Lichtaushärtung eines photosensitiven Harzes, in dem keramische Partikel homogen dispergiert sind. Während der Strukturierung bildet sich ein Komposit aus keramischem Pulver und der organischen Polymermatrix. «Die Photopolymere bilden zuerst das Grundgerüst des Bauteils», so der Firmenchef. «Sie dienen als Binder zwischen den keramischen Partikeln und ermöglichen die Formgebung sowie eine hohe Gründichte.» Nach dem thermischen Entbinden und Sintern der Bauteile entsteht so ein Bauteil, zu 100 Prozent aus Keramik, das eine sehr hohe Dichte sowie gute mechanische Eigenschaften aufweist. Die LCM-Technik liefert nicht nur rasch und kostengünstig Prototypen, sie ermöglicht auch die Realisierung von hochkomplexen Geometrien, die mit konventionellen Fertigungstechniken nicht realisierbar sind.

Die Verarbeitung von Eisenkohlenstoff-Werkstoffen wie Gusseisen mit Lamellen und Kugelgraphit sind die Kernkompetenz der Benninger Guss in Uzwil. Seit Frühjahr 2013 stellt sie mit einem 3D-Printer Sandformen her für die Gussproduktion von Prototypen, Ersatz- und Serienteilen mit speziellen geometrischen Formen. «Um diese Technologie optimal zu nutzen, besorgten wir uns eine Software für Reverse Engineering, um aus Scandaten einen kompletten parametrischen CAD-Datensatz auf die Beine zu stellen», kommentiert Martin Jans, Leiter Technischer Modellbau und digitale Gussproduktion, DGP, bei Benninger Guss. Gerade im Ersatzteilgeschäft für gusstechnisch anspruchsvolle Komponenten ist dies nötig, will man parallel eine Giesssimulation vornehmen.


Höchste Anforderungen in Medizintechnik

Besonders hohe Ansprüche an Qualität und Sicherheit stellt die Medtech-Branche. Doch auch hier hält 3D-Printing Einzug, wie die Phonak AG zeigt. Die Herstellung von Otoplastiken – Formpassstücke für Hörhilfen – erfolgt in einem parallelen Prozess mit Losgrössen von 20 bis 30 Stück. Die Teile werden nach der Fertigung gereinigt und nachbehandelt, wobei man restliche Monomere entfernt und die Oberfläche veredelt.

«Wichtig für zukünftige Innovationen ist die Materialentwicklung für 3D-Printing», so Dr. Erdal Karamuk, Manager Advanced Materials and Technologies bei Phonak. «Heutige Materialien sind relativ steif und spröde, was die Bewegungen des Ohrkanals nicht kompensiert.» In der klassischen Otoplastik setzt man unter Aufbringung von Wärme aushärtende HTV-Silikone ein, doch gibt es noch keine Materialien mit vergleichbaren Eigenschaften, die man in 3D-Printing verarbeiten könnte. Eine Alternative bietet 3D Printing von individualisierten doppelwandigen Gussformen, in welche man anschliessend 2K RTV-Silikon eingespritzt. Damit sind jedoch keine dünnwandigen Schalen herstellbar. «Ein interessantes Innovationsfeld ist die gleichzeitige Verarbeitung von Polymeren mit unterschiedlicher Steifigkeit, um den Tragekomfort zu verbessern», so Erdal Karamuk. «Fitrate, Ästhetik und Herstellkosten liessen sich durch generell zuverlässigere Materialien mit hochwertigeren mechanischen Eigenschaften verbessern, was den Einsatz von dünnwandigeren Schalen und Schnittstellen zu Standard-Kunststoffteilen erlauben würde.»

Grosse Hoffnungen setzt die Medizin auf organähnliche 3D-Gewebemodelle für die Entwicklung von Wirkstoffen oder Toxizitätsprüfungen. Erste Adresse ist die Gruppe von Professor Ursula Graf-Hausner an der ZHAW Wädenswil. «Mit der Realisierung biologisch komplexer Strukturen im Layer-by-layer-Druckverfahren erschliesst sich in Zukunft die Herstellung menschlicher Organe», so die Initiantin des nationalen Kompetenzzentrums TEDD, Tissue Engineering for Drug Development. «Bis dahin wird es noch Jahre dauern. Wir konzentrieren uns auf menschliche Gewebe wie Haut, Muskel/Sehne, Leber und Niere und deren Krankheitsmodelle. An diesen organähnlichen Gewebemodellen können wir physiologische Zusammenhänge erforschen und Wirkstoffe effizient entwickeln und testen.»

Industriepartner Marc Thurner, CEO der regenHU Ltd., hat die Voraussetzungen dazu geschaffen, indem er mit seinem dreidimensionalen Bio-Drucker mit lebenden Zellen, Molekülen und diversen weichen und harten Materialien in 3D-Kompositstrukturen biomimetische Gewebemodelle gestaltet und nachahmt. «Die Druckprozesse sind automatisiert und standardisiert. Sie fertigen bei hohem Durchsatz Gewebe, das sich etwa für ein künstliches Lungenmodell eignet», so der regenHU-Chef.

Im medizinischen Bereich erwartet auch das US-amerikanische Industrie-Marktforschungsunternehmen Freedonia in seinem Bericht «World 3D Printing to 2017» das grösste Wachstum. Doch die Musik wird laut Freedonia in China spielen, wo nicht nur die meisten Produkthersteller beheimatet sind, die 3D-Drucker brauchen, sondern wo die Regierung den 3D-Druck nach allen Kräften fördern wird. Offenbar müssen wir uns warm anziehen, wenn wir da mithalten wollen.■

- Elsbeth Heinzelmann

Journalistin Wissenschaft und Technik


Faunhofer IPA

DE-70504 Stuttgart, Tel. +49 711 970-00

andreas.fischer@ipa.fraunhofer.de

www.ipa.fraunhofer.com


Lithoz GmbH

AT-1040 Wien, Tel. +43 650 466 2563

jhoma@lithoz.com, www.lithoz.com


Benninger Guss AG

9240 Uzwil, Tel. 071 955 88 00

martin.jans@benningerguss.ch

www.benningerguss.ch


Phonak AG

8712 Stäfa, Tel. 058 928 01 01

erdal.karamuk@phonak.com

www.phonak.com


regnHU

1690 Villaz-St-Pierre, Tel. 026 653 72 20

www.regenhu.com