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Fortsetzung folgt bei Industrie 4.0

Mehr als 180.000 Besucher aus gut 100 Ländern kamen in diesem Jahr zur Hannover Messe, HMI, auf der rund 5000 Aussteller ihre Produkte präsentierten. Gut jeder Vierte von ihnen kam nicht aus Deutschland, die meisten ausländischen Gäste – 57 Prozent – stammten aus der Europäischen Union, 20 Prozent von ihnen aber auch aus Süd-, Ost- und Zentralasien.

Die Bilanz sowohl der Aussteller wie der Veranstalter der Messe, deren diesjähriges Motto «Integrated Industry – Next Steps» lautete, liest sich positiv. Jochen Köckler, Mitglied des Vorstandes des Veranstalters Deutsche Messe AG, liess sich so zitieren: «Die weltweit wichtigste Industriemesse hat das zentrale Zukunftsthema der Industrie besetzt und Lösungen für die intelligenten Fabriken der Zukunft präsentiert. Weltweit zeigt nur die HMI das gesamte Bild von der Einzelkomponente bis zur voll funktions-
fähigen smarten Fertigungsstrasse. Das kommt bei Entscheidern aus der Industrie hervorragend an. Hier wurde deutlich: Industrie 4.0 eröffnet den Ausstellern vollkommen neue, langfristige Wachstums-potenziale.»
Köckler weiter: «Industrie 4.0 wird schneller kommen, als viele es vor einem Jahr noch für möglich gehalten haben. Die Aussteller haben bewiesen, dass sie die nächsten Schritte der vierten industriellen Revolution schnell und konsequent gehen werden.»
An vielen Ständen und auf den an der HMI erstmals angebotenen Industrie-4.0-Touren erlebten die Besucher, wie sich Produkte selbstständig durch Anlagen steuerten, um anschliessend individuell bearbeitet zu werden. Dass die grössten Herausforderungen für die breite Akzeptanz der sich selbst organisierenden Fabrik, wie man Smart Factory auch übersetzen kann, die IT-Sicherheit ist, musste dem interessierten Messebesucher dabei klar werden.
Das Thema beschäftigt alle grossen Systemanbieter intensiv und war deshalb auch omnipräsent in den Pressekonferenzen. Siemens kündigte an, in Zukunft bei Security Lösungen für Industriekunden mit McAfee, einer Division von Intel Security, zu kooperieren, um den Herausforderungen an Sicherheit durch industrielle Integration, zunehmende Konnektivität und das «Internet der Dinge und Dienste» erfolgreich begegnen zu können.
Der laut Siemens schnell wachsenden Bedrohung globaler Produktionsprozesse durch Cyber-Attacken will man beispielsweise mit neuen Sicherheitsdiensten wie Firewalls der nächsten Generation,
mit «Security Information and Event Management», SIEM, Sicherheitstechnologien für Endgeräte und einer globale Gefahrenerkennung als Teil von «Managed Security Services» begegnen.
Für den IT-Laien entstand allerdings der Eindruck, dass die Grossen der Branche mehrheitlich an relativ proprietären Sicherheitskonzepten arbeiten. Nur Beckhoff nahm für sich explizit in Anspruch, ein offenes System zu erarbeiten.Über die Sicherheit von Prozessen und Daten wurde auch im Forum Industrial IT mit mehr als 3500 Teilnehmern diskutiert.
Im Ausstellungsbereich der industriellen Zulieferung spielte das Leitthema «Integrated Industry – Next Steps» ebenfalls eine gewichtige Rolle. «Zulieferer sind unverzichtbare Partner bei der Herstellung von Industrie-4.0- und Energietechnologien. Smart Factories brauchen smarte Zulieferkomponenten. Diese kommen von innovativen Zulieferern. Die enge Verzahnung macht die Unternehmen der Zulieferindustrie daher bereits heute zu Vorreitern integrierter Fertigungsprozesse», sagte Köckler. Dies könnte insbesondere von Schweizer Unternehmen, die deutsche OEMs beliefern, als Weckruf verstanden werden.
Neben diesen eher theoretischen Oberthemen bot die HMI auch jede Menge handfester Lösungen. Dass dabei der allgegenwärtige 3D-Druck eines der Highlights der in die HMI integrierten Digital Factory darstellte, erstaunt angesichts des Hypes um das Thema niemanden. Neben konkreten Anwendungen von additiven Fertigungsverfahren im Maschinenbau präsentierten Alphacam und Fabberhouse in einem Gemeinschaftsprojekt, wie aus 3D-Daten in Eigenregie reale Kunststoffteile werden.
Wie eng die 3D-Technologien bereits in die Prozesse des Maschinenbaus eingebunden sind, wurde im Technology Cinema 3D deutlich. Dort zeigten Unternehmen wie Carl Zeiss und ESI Software unter dem Motto «Simplyfy 3D» den Fortschritt von 3D-Visualisierung und Virtual Reality.
Die Pepperl+Fuchs GmbH stellte mit dem R2100 einen zweidimensionalen Mehrstrahl-LED-Scanner mit Pulse Ranging Technology (PRT) vor. Diese gilt als das derzeit präziseste industrietaugliche Verfahren zur Entfernungsmessung. Es erfasst Distanzen von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Hundert Metern absolut punktgenau und soll damit, unabhängig von Umgebungs- und Objektbedingungen, höchst präzise Messungen bei hoher Wiederholgenauigkeit und kurzen Ansprechzeiten ermöglichen. Seine Fähigkeit, in der Fläche zu messen, verdankt der R2100 mehrfach nebeneinander angeordneten LED-Sendeelementen, die einen Scanbereich von 88 Grad aufspannen und damit die Messung auch inhomogener Oberflächen begünstigen.
Bosch Rexroth integriert per Fingertipp bedienbare Apps in die Maschinenwelt: Mit dem Softwareportfolio Open Core Engineering und dessen Schnittstellentechnologie Open Core Interface können Hersteller Mobilgeräte nutzen, um Maschinen in Betrieb zu nehmen, zu bedienen und zu warten. Sie programmieren auf ihren Smartphones oder Tablet-PCs selbst die Apps für ihre Maschinen. Open Core Interface sorgt dafür, dass die Maschinensteuerung die Befehle dieser Applikationsprogramme direkt versteht und ausführt. Die Apps zeigen den aktuellen Zustand der gesamten Anlage und erfassen die Beschaffenheit von einzelnen Komponenten. Notwendige Wartungen werden vorhergesagt und automatisch bei der Instandhaltung durchgeführt.
In einer Live-Präsentation gab  die Baumüller Nürnberg GmbH Antworten auf die Frage: Wie erleichtert intelligente Vernetzung den industriellen Produktionsbetrieb? Das Team führte vor, wie einfach es ist, vom Messestand in Hannover aus eine Maschine, die in der 340 Kilometer entfernten Betriebszentrale in Nürnberg stand, zu warten und zu bedienen.
Die nächste Hannover Messe wird vom 13. bis 17. April 2015 veranstaltet.■
Alphacam
9443 Widnau,  Tel. 071 775 82 40
www.alphacam.ch

Baumüller Nürnberg GmbH
DE-90482 Nürnberg, Tel. +49 911 54 32
www.baumueller.de

Beckhoff Automation AG
8200 Schaffhausen, Tel. 052 633 40 40
www.beckhoff.ch

Bosch Rexroth Schweiz AG
8863 Buttikon, Tel. 055 464 61 11
www.boschrexroth.ch

Carl Zeiss AG
8714 Feldbach, Tel. 055 254 71 00
www.zeiss.ch

Pepperl+Fuchs GmbH
2557 Studen, Tel. 032 374 76 76
www.pepperl-fuchs.ch

Siemens Schweiz AG
8047 Zürich, Tel. 058 558 67 00
www.siemens.ch
 

Relevanz von Industrie 4.0 für deutsche Firmen
Im vergangenen Dezember befragte das SAP-Systemhaus Fistec AG Geschäftsführer aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie Komponentenfertiger zum Thema Industrie 4.0.  Die Kernaussagen der Umfrage lauten: Die deutschen Unternehmen befinden sich im Hinblick auf Industrie 4.0 noch in der Orientierungsphase. Die Bedeutung von Industrie 4.0 werde als «moderat» eingeschätzt, so die IT-Berater. In den nächsten fünf Jahren allerdings werde die Relevanz auf «hoch» bis «sehr hoch» steigen.
Die Umfrage bestätigt laut Fistec auch eine alte Vermutung: «Je einfacher das Produktspektrum, desto geringer die Relevanz des Themas für das Unternehmen.» So gaben nur 25 Prozent der Komponentenfertiger an, Industrie 4.0 auf der Agenda zu haben, bei Maschinenbauern waren es 50, bei Anlagenbauern dagegen 100 Prozent. Neben dem Produktengineering sehen die befragten Unternehmen die vertikale Integration als grösstes Potenzial an. Hersteller tendieren dabei stärker zur Optimierung der Fertigung als zur Integration ihrer Lieferanten.