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Schleifen: Innovative und vitale Technologie

Schleifen tut not: Unsere hochtechnisierte Welt ist ohne zuverlässige Schleiftechnik nicht vorstellbar. Schleifen ist häufig die finale Bearbeitung von Bauteilen. Es beseitigt die Verwüstungen vorhergehender Fertigungsprozesse und muss dem Bauteil die finale Oberfläche und Gestalt geben. Aber Schleifen ist eingebettet in die Vielfalt der Fertigungsverfahren und steht zu diesen im Wettbewerb. Professor Konrad Wegener vom IWF der ETH Zürich skizziert den Stand der Schleiftechnik und bricht eine Lanze für das Verfahren.

 

Schleifen ist das ultimative Hartbearbeitungsverfahren. Der Erfolg der Verfahren mit geometrisch definierten Schneiden, Hartdrehen und heute auch Hartfräsen, drängt die Schleiftechnik in diese Richtung. Bei den geforderten Werkstoffen sind vielfach die Superabrasives Diamant und CBN (kubisches Bornitrid) auf metallischer oder hybrider Bindung der Werkzeugaufbau der Wahl. Allerdings erfreuen sich keramisch und kunstharzgebundene Schleifscheiben ungeteilter Beliebtheit.

Klocke [1] hat aufgezeigt, wo im Wettbewerb Schleifen gegen Hartdrehen die Vorteile des Schleifens liegen: Oberflächenqualität, Zuverlässigkeit und insbesondere Druckeigenspannungsfeld sind die Positiva. Von Oliveira [2] liegt eine Untersuchung vor zum Vergleich zwischen Hartdrehen und Schleifen unter dem Gesichtspunkt Kosten und Ressourceneffizienz. Dabei zeigt sich, dass aufgrund der günstigen Werkzeugkosten und der geringen Aufwendungen für die Werkzeugherstellung Schleifen in vielen Fällen kostengünstiger ist als das Hartdrehen.

Von allen Fertigungsverfahren ist Schleifen einer der bestuntersuchten und dennoch am schlechtesten verstandenen Prozesse. Wissenschaftlich besteht die Schwierigkeit darin, dass Schleifen die integrale Wirkung einer extremen Anzahl unterschiedlicher Einzelereignisse ist, die sich noch nicht einmal einheitlich beschreiben lassen. Während bei Zerspanung mit geometrisch definierten Schneiden inzwischen die FEM-Simulation eingesetzt wird, um Werkzeuge zu optimieren, braucht es beim Schleifen entweder eine nachgeschaltete stochastische Simulation, um das eigentliche Werkzeug von einem zerspanungstechnischen Grundverständnis aus zu beschreiben; oder es müssen integrale Ansätze verwendet werden, für die dann die Herausforderung in der zutreffenden Beschreibung des Materialkontakts besteht.

Schleifen hat viele Erfolgsfaktoren. Das heisst umgekehrt, man kann in diesem Prozess viel falsch machen, was den Antrieb zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch im industriellen Umfeld mit dem Schleifen erfordert. Maschine, Maschinenausstattung, Werkzeug und dessen Präparation, Kühlschmiermittel sowie die Prozessbedingungen bestimmen über die Qualität des Werkstücks und ob mit dem Prozess Geld verdient werden kann.

Qualität und Dynamik haben auf der Maschinenseite zum Teil komplementären Charakter. Weshalb deutliche Anstrengungen unternommen werden, um über dynamische Kompensationen wie auch die Berücksichtigung von Cross- und Intalk und natürlich eine dynamikgerechte Konstruktion der Maschine dieses Junktim abzumildern oder gar aufzuheben.

Gerade hat die schleiftechnische Gemeinschaft das Kühlschmiermittel (KSM) als flüssiges Werkzeug wiederentdeckt. Die Chemie und Physik des KSM ist der eine Teil, die richtige Zufuhr der andere. Daneben ist über die Anwendbarkeit von trockenen, kryogenen und minimalgeschmierten Prozessen bei weitem noch nicht grundlegend entschieden.

Auch das Konditionieren der Schleifscheiben ist ein schleiftechnisches Dauerthema. Aufgrund von neuen Schleifscheibenkonzepten, metallischen Bindungen, hybriden Schleifscheiben, vermehrtem Diamant- und CBN-Einsatz kommen auch physikalische Abrichtprozesse so langsam aus den Forschungslaboren in die industrielle Anwendung. Dabei wird profiliert, geschärft und vermehrt auch strukturiert, also gezielt die Korndichte verändert und sogar die Kornform gestaltet. Die langanhaltende Diskussion, ob CBN das richtige Abrasivmittel sei, wird natürlich anwendungsbezogen, aber vermehrt mit «ja» beantwortet.

Für schwierige Bearbeitungsfälle werden hybride Prozesse, also mit anderen Mechanismen assistierte Prozesse, vorgeschlagen. Wobei vor allem die Überlagerung mit Ultraschall in der industriellen Anwendung Fuss fasst und zu bemerkenswerten Verbesserungen des Schleifprozesses führen kann.

Durch vermehrten Einsatz von Expertensystemen auf Schleifmaschinen, mit deren Hilfe Prozessparametersätze, geeignete Werkzeuge und KSM für den jeweiligen Werkstoff und die Werkstückgeometrie bereits modell- oder erfahrungsbasiert festgelegt werden, wird die Wirtschaftlichkeit des Schleifens – was in vielen Fällen ja schon der Erfolgsfaktor des Schleifprozesses ist – nachhaltig gesteigert. Hinzu kommt vermehrt Prozessüberwachung auf der Basis von Körperschall, Barkhausenrauschen, Temperaturmessungen, optischer Prozess- und Bauteilanalyse sowie von Kraft- und Leistungsüberwachung, um den gesteigerten Anforderungen an nachprüfbare Werkstückqualität nachzukommen.

Als Finishing-Verfahren ist die Schleiftechnik insbesondere den allfälligen Trends nach Erhöhung der Genauigkeit oder Miniaturisierung der Bearbeitungsaufgabe ausgesetzt, was in der Realisierung alle einzelnen Elemente der Verfahrensumsetzung betrifft. Fazit: Die Schleiftechnik bleibt eine vitale und innovative Technologie.

[1] Klocke, F., Brinksmeier, E., Einert, K. (2005): Capability Profile of Hard Cutting and Grinding Process, in: Annals of the CIRP 55, pp. 557-580. [2] Araujo, J., Oliveira, J. (2011): Evaluation of two competing Machining processes by means of sustainability Indicators, CIRP LCE


Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung (IWF), ETH Zürich
8092 Zürich, Tel. 044 632 63 90
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