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«Die Intelligenz liegt künftig in der Software»

Simon Ryser ist seit Anfang Juli 2017 General Manager der Schneider Electric (Schweiz) AG. An deren Hauptsitz in Ittigen hat der gelernte Elektroingenieur die «Technische Rundschau» im Exklusivinterview aufgeklärt, was es mit der Umweltinitiative seines Arbeitgebers auf sich hat, wie die Gesamtlösung «EcoStruxure» gestaltet ist und was man neu im Robotikbereich anstrebt.

Herr Ryser, wie läuft das Geschäft für Ihr Unternehmen momentan? Sind Sie zufrieden?

Sicher. Unsere Gruppe erwirtschaftete 2017 global rund 24,7 Mrd. Euro. In diesem Jahr rechnen wir mit einem starken Plus weltweit und auch in der Schweiz. Stark heisst hier: per Ende ersten Halbjahres ist Schneider Electric bei plus 7 Prozent angelangt. Massgeblich ist dabei nebst Energiemanagement-Produkten auch die Indutrieautomation, die überdurchschnittlich zum Wachstum beiträgt, deutlich getrieben durch die verbesserte Franken–Euro-Kurssituation und durch die wirtschaftliche Erholung generell. Wir stellen fest, dass die strategische Fokussierung auf unsere gesamtheitliche Lösung «EcoStruxure» zu greifen beginnt. Schneider Electric verkauft auch in der Schweiz immer mehr Gesamtlösungen und nicht nur die Hardware, von der wir eigentlich herkommen. Parallel verzeichnen wir auch einen starken Zuwachs bei den Systemintegratoren, die unsere Lösungen implementieren.

 

Seit wann ist das Konzept EcoStruxure auf dem Markt?

Die Idee von EcoStruxure existiert bei uns seit langem. Der erste Vorläufer wurde schon in den Neunzigerjahren, als man in die Digitalisierung einstieg, unter dem Begriff «Transparent Factory» umgesetzt. Dies ist wichtig zu erwähnen, weil es illustriert, wie lange die Historie von Schneider Electric in diesem Digitalisierungsbereich bereits andauert. EcoStruxure als übergreifende Lösungsarchitektur ist seit zwei Jahren auf dem Markt erhältlich.

 

Ihr Unternehmen arbeitet weltweit intensiv an seinem grünen Image. Wie steht`s damit in der Schweiz?

Für mich persönlich wie auch für das Unternehmen ist das sehr wichtig. Nachhaltigkeit ist bei uns ein integraler Bestandteil und in unserer DNA verankert. Was für das Klima gut ist, ist auch gut für die Wirtschaft, längerfristig betrachtet. Davon sind wir überzeugt. Bei unseren ökologischen Bemühungen will ich nicht zwischen einzelnen Ländern unterscheiden. Jedes Land hat seine eigenen Möglichkeiten und Schwerpunkte. Wir messen uns in einem Dreijahreszyklus in unserem «Sustainability Impact», dem bisherigen  «Planet & Society-Barometer» mit den Niederlassungen in den anderen Ländern, und setzen uns dabei Ziele. 2017 war ein wichtiges Jahr, weil da der letzte solche Zyklus zu Ende ging, und wir in der Schweiz unsere Ziele erreichen konnten. Massgebend ist jetzt der nächste Zyklus, in dem wir uns vorgenommen haben, bis 2020 in der Lage zu sein, 80 Prozent unseres Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Das ist auch für uns als Schweizer Niederlassung extrem anspruchsvoll.

 

Liegen Sie im Plan?

Ja, das zeigen die Resultate von Q2. Wir sind auf Kurs. Unsere Strategie basiert grundsätzlich auf drei Pfeilern: Einer ist der Energieeinkauf über Zertifikate. Dann haben wir entsprechende langfristige Beschaffungsverträge mit Energielieferanten für unsere Standorte abgeschlossen. Und drittens setzen wir auf unsere eigene Energieproduktion mittels erneuerbarer Energien. So können wir beispielsweise am Produktionsstandort Horgen trotz Produktionssteigerung den Energiekonsum um 20 Prozent beziehungsweise eine Million Kilowattstunden senken, obwohl dies in der dortigen Situation in einem Altbau mit ineffizientem Sheddach sehr schwierig ist. Die Standorte Ittigen und Horgen beziehen bereits heute zu 100 Prozent erneuerbare Energie. Zusätzlich ist in Horgen eine Dach-Photovoltaikanlage in Planung, um die Eigenproduktion auszubauen. Wir sind also im Plan mit unseren Zielen für 2020 und zuversichtlich, dass wir die erreichen werden.

 

Schneider Electric will laut einer Pressemeldung «die Energieproduktivität bis 2030 verdoppeln». Was heisst das konkret?

Das bezieht sich nicht nur auf unser Unternehmen, sondern ist gesamtwirtschaftlich zu betrachten, also auch für unsere Kunden. Ankerpunkte sind dabei die Elektrifizierung und die Digitalisierung. Die International Energy Agency IEA geht in ihrem «World Energy Outlook» von 2017 davon aus, dass sich der Stromverbrauch bis ins Jahr 2040 um 60 Prozent erhöhen wird, auch durch die Ablösung von den fossilen Energien und die Elektrifizierung des Verkehrs. Hier sehen wir unseren Beitrag, denn Elektrifizierung ist zu 90 Prozent unser Kerngeschäft. Beim Stromverbrauch sehen wir riesige Effizienzpotentiale, nicht nur in Gebäuden, sondern auch in den industriellen Produktionsprozessen und letztlich auch in der Energieproduktion.

 

Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?

Sicher: Schneider Electric ist im EUREF-Campus in Berlin eingemietet mit einem Pilotprojekt zum Thema intelligente Stadt, in der die Klimaziele der EU von 2050 bereits seit 2014 umgesetzt werden. Dies belegt, dass das von uns implementierte digitalisierte Microgrid als ein Element zur Erreichung der Klimaziele funktioniert. Unser Campus in Boston ist eine quasi identische Kopie davon und ist energieautark. Weiter sind wir an der Universität Lausanne in über 40 Gebäuden gerade an der Umsetzung eines umfassenden Energiemanagement-Systems mit über 300 Messpunkten. Ziel ist es, die Lastprofile zwischen PV-Anlage und Verbrauchern auszugleichen und die Energieeffizienz durchgängig zu erhöhen.

 

Sind wir damit wieder bei EcoStruxure angelangt?

Richtig. Man kann bei diesen Beispielen sehr schön die drei Ebenen der EcoStruxure-Architektur aufzeigen. Die beginnt unten mit den vernetzten Produkten. Darüber kommt die mittlere bei uns als Edge-Control bezeichnete Steuerung der Geräte hinzu und über all dem steht die Management-Ebene mit Apps, Analytics und Services, in der das Gesamtsystem ganzheitlich gemanagt und optimiert wird. Das Areal der Unviersität Lausanne wird übrigens 2019 als 2000-Watt-Areal zu einem Leuchtturmprojekt des Bundesamtes für Energie.

 

Zurück zu EcoStruxure: Damit sammeln Sie also primär Daten, um dann daraus mittels Algorithmen Nutzen zu ziehen?

Die wichtige Erkenntnis was EcoStruxure anbelangt ist die, dass wir eben nicht mehr von Big Data, sondern von Smart Data sprechen. Die Aufgabenstellung auf der untersten Ebene mit den «Connected Products» ist eben gerade die, Produkte zu entwickeln, von denen man bereits intelligente Daten erhält. Dafür hat unser Unternehmen grosse Entwicklungskosten geschultert. Ziel war es, nicht einfach nur endlos jede Menge Daten zu sammeln, sondern herauszufinden, wo konnektierte Hardware Sinn macht und auch wirklich professionelle Daten ausgibt. Das ist die Grundidee unserer vernetzten Produkte. Die zweite Ebene «Edge Control» soll Daten mit einer geringen Latenzzeit, mit hoher Verfügbarkeit und kleinstmöglichem Datenpuffer bevorraten, und es so erlauben, eine Maschine oder Automatisierung mit intelligenten Daten schnell zu steuern. Die übergelagerte Apps, Analytics- und Services-Ebene fasst alle diese Daten zusammen und ist damit in der Lage, weltweite Infrastrukturen abzubilden. Damit lassen sich managementtaugliche Benchmarkdaten abgreifen, aufgrund derer sich komplette Geschäftsmodelle entwickeln lassen. In Zukunft liegt die Intelligenz also in der Software. Das ist der grosse Unterschied zu früher und da findet gerade ein komplettes Umdenken im industriellen Umfeld statt. Dies ist wichtig, weil wir von diversen Endmärkten sprechen: vom Indus­trie-, Gebäude- und Energiebereich, von Infrastruktur und auch von Rechenzentren. All diese Märkte können wir mit EcoStruxure abdecken. Ich kann also beispielsweise das komplette Energiemanagement von meinen industriellen Produktionsprozessen bis hin zu meinen Gebäuden mit einem homogenen Ansatz abdecken. Smart Data über diese ganze Landschaft abgreifen zu können. Das ist der Kern, das Herz von EcoStruxure.

 

Ist Ihre Lösung denn so durchlässig, dass man von den Sensoren in der Produktion über ein MES bis hoch zum ERP keine  besonderen Schnittstellen und Software mehr benötigt?

IIoT ist nicht gleich IIoT, jedes Projekt ist anders. Dies mit völlig verschiedenen Kundenanforderungen. Insofern ist es gar nicht möglich, eine konsolidierte Software-Suite über eine komplette Landschaft zu giessen. Dennoch ist EcoStruxure durchlässig. Wir versuchen mit maximaler Transparenz und mit offenen Schnittstellen zu arbeiten, also alle Industriestandards zu bedienen und die Architektur so offen wie möglich zu halten. Letztlich geht es immer auch um Skalierbarkeit und Investitionsschutz für unsere Kunden.

 

Schneider Electric hat kürzlich im Bereich Roboter eine Kooperation mit Stäubli bekannt gegeben. Wieso gerade Stäubli?

Diese Zusammenarbeit mit Stäubli ist für uns eine Win–Win-Situation. Bei dieser Portfolio-Erweiterung mit einem SCARA-Roboter der TS-Reihe war uns wichtig, dass Stäubli eine Grösse und Komplexität hat, die es ihnen erlaubt, massgeschneidert und flexibel auf unser Bedürfnisse reagieren zu können. Der zweite positive Punkt: Wir waren für Stäubli als Partner interessant wegen unseres weltweiten Vertriebsnetzes. Die Partnerschaft war also eine logische Konsequenz.

 

Weshalb gerade dieses Modell von Stäubli und weshalb die Umbenennung auf «Lexium STS»?

Beim Labeling ist uns wichtig, dass der Brand Schneider Electric durchgängig zum Einsatz kommt. Weshalb dieses Modell: Die SCARA-Kinematik ist eine hervorragende Ergänzung der bisherigen Delta-Kinematiken und fügt sich genau in unser strategisches Industriesegment Packaging und Material Handling ein. Mit dieser Produktereihe können wir mit dem geringsten Aufwand den gewünschten Erfolg erzielen. Damit sammeln wir im Robotikbereich jetzt einmal Erfahrungen. Vielleicht kommen später weitere Modelle hinzu.

 

Laut einer Pressemeldung will Ihr Unternehmen mit dem Roboter neu verstärkt die Maschinenbauer ansprechen?

Der Roboter ist ein ultrapräziser, schneller Vierachser, der kürzeste Taktzeiten in Pick-and-place-Anwendungen erlaubt. Damit bietet er einen Mehrwert im Maschinenbau beim Positionieren, Handhaben und Sortieren. Dort wollen wir Fuss fassen.

 

Welches Potential in Sachen Industrieautomation sehen Sie für Schneider Electric hierzulande im Vergleich mit den Marktbegleitern?

Wir gehören sicherlich gesamthaft zu den Top 3 im Automatisierungsbereich in der Schweiz. Wir haben zwar noch Hausaufgaben zu erledigen, aber gemessen an der Grösse schlagen wir uns ganz gut. Mit der Digitalisierung haben wir hier aber gerade erst angefangen, und obwohl wir gegenüber einigen anderen Ländern etwas Vorsprung haben, gibt es noch grossen Handlungsbedarf. Da sehe ich durchaus noch Steigerungspotenzial für innovative Unternehmen wie uns. Zu erwähnen ist auch, dass Schneider Electric im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern, die parallel auf der Energieerzeugerseite aktiv sind, sehr auf die Energieverbraucherseite fokussiert ist. Immer im Kontext von Digitalisierung und Transformation. Das macht es für uns etwas einfacher, weil wir so nicht auf zwei Hochzeiten tanzen müssen. Dazu kommt, dass wir eine sehr nachhaltige Philosophie rund um die erwähnte EcoStruxure aufgebaut haben, gepaart mit einer cleveren Akquisitionspolitik in den letzten Jahren. Diese Spezialisierung, die unser Unternehmen hier aufgebaut hat, sollte uns langfristig noch ein hohes Potential in unserem Markt bescheren.  

 

Schneider Electric (Schweiz) AG

3063 Ittigen, Tel. 031 917 33 33

info@ch.schneider-electric.ch

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