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Hybrid-Antrieb spart viel Diesel auf dem See

Das neue Vierwaldstättersee-Motorschiff MS Diamant spart dank ihres kombinierten Antriebs mit Diesel- und Elektromotoren im Vergleich zu einem reinen Dieselantrieb einen Fünftel des fossilen Treibstoffs ein. Die Lösung hat die Shiptec AG in Luzern gemeinsam mit Siemens-Spezialisten entwickelt und realisiert.

Das neuste Kurs- und Bankettschiff der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV), die MS Diamant, ist mit einem parallel-hybriden Antrieb unterwegs, bei dem Diesel- mit Elektromotoren gekoppelt sind. Im Normalbetrieb treiben zwei Dieselmotoren die MS Diamant an. Die daran gekoppelten Elektromotoren arbeiten als Generatoren und versorgen das Schiff mit elektrischer Energie oder laden die Batterien auf. Bei schwierigen Wetterbedingungen oder grosser Beschleunigung unterstützen die Elektromotoren die relativ kleinen Antriebsdieselmotoren. «Im Vergleich zu einem reinen Dieselantrieb braucht das Schiff damit weniger Treibstoff und stösst weniger CO2 aus», klärt Martin Einsiedler auf. Er ist Leiter Schiffsentwurf und Engineering bei der Shiptec AG, einer Tochtergesellschaft der SGV. Die Kosten sinken mit dem effizienten Antrieb, denn der Treibstoff macht bei Schiffen etwa einen Drittel der Betriebskosten aus.

Umgesetzt hat Shiptec das Antriebssystem gemeinsam mit Siemens. Einsiedler erzählt: «Siemens Marine Systems in Hamburg hat Erfahrung mit ähnlichen Systemen, verfügt über ein breites Produktportfolio und die Komponenten basieren auf bewährten Konzepten von Trolleybussen. Damit haben sie bewiesen, dass sie sehr zuverlässig sind.»

Als die SGV den Bau der MS Diamant ins Auge fasste, analysierten die Spezialisten von Shiptec und Siemens gemeinsam die Anforderungen. Einsiedler erzählt: «Siemens stellte klar, welche unserer Wünsche technisch umsetzbar sind. So erarbeiteten wir Kompromisse und einfache Lösungen.» Fast alle Ideen konnte das Team realisieren. Martin Wünsch, der das Projekt für Siemens betreute, dazu: «Wir haben unser «SISHIP EcoProp» genanntes Hybridsystem schon in anderen Schiffen umgesetzt, doch in Form und Grösse ist es in der MS Diamant einzigartig.» Einsiedler zur Zusammenarbeit generell: «Wir haben viel voneinander gelernt – Shiptec über technische Möglichkeiten, Siemens in Sachen Schiffsdynamik und Betrieb eines Schiffes.»

Zu Beginn fehlten wichtige Grundlagen. «Aus Schlepptankversuchen wussten wir, wie viel Widerstand der Rumpf generiert», erzählt Einsiedler. «Doch den effektiven Energieverbrauch des Antriebs kannten wir nicht. Der dynamische Teil war schwer zu schätzen. Wir wussten auch nicht, wie viel Strom an Bord im Betrieb tatsächlich nötig ist.» Also sammelte Shiptec in Messungen Daten auf anderen Schiffen und kalibrierte die Ergebnisse mit den Daten der MS Diamant. So wurden die dynamischen Anforderungen ans System sichtbar. «So konnten wir den Energiebedarf des Schiffes und die Leistungen, die die Propellerwelle aufnimmt, abschätzen», erzählt Einsiedler. Heute hat Shiptec die Ausrüstung und das Wissen, um Systeme zu messen und zu simulieren, und bietet solche Messdienstleistungen auch extern an.

Die für die MS Diamant erhobenen Daten zeigten, wo und wie viel sogenanntes «Peakshaving» möglich ist. Einsiedler erklärt: «Peakshaving bedeutet, Spitzenlasten elektrisch zu brechen.» Braucht das Schiff mehr Energie, als die Leistung, welche zwei Scania-Diesel zusammen generieren, liefern zwei Elektromotoren von Siemens mit je 180 kW Leistung diese aus den Batterien. So müssen die Dieselmotoren die Spitzen nicht abdecken können und kleinere Einheiten mit je 405 kW Leistung reichen aus.

Das Batteriepaket mit einer Gesamtkapazität von 84 kWh wird über den Wellengenerator geladen, beispielsweise bei konstanter Geschwindigkeit, bei welcher der Antrieb meist nicht die ganze Energie des Dieselmotors benötigt. Senkt der Schiffsführer die Motordrehzahl, schaltet das System um und die Batterien speisen das Bordnetz.

Da die Bordenergieerzeugung ins Konzept integriert ist, wird das Antriebssystem als «vollintegriertes Energie- und Antriebssystem» bezeichnet. Einsiedler dazu: «Es bringt nichts, nur den Antrieb zu optimieren. Man muss das ganze System mit allen Verbrauchern auf dem Schiff betrachten.»

Da die Simulationen den Betrieb nicht zu 100 Prozent voraussagen konnten, befindet sich die MS Diamant nach den ersten Testfahrten im Oktober 2016 momentan in der Optimierungsphase, deren Fokus auch auf dem Bordnetz liegt. Dieses hält grössere Herausforderungen bereit als den Antrieb, denn zahlreiche Systeme an Bord benötigen Strom, neben den Sensoren und Geräten für die Navigation und den Klimaanlagen, die für 1100 Passagiere konzipierte Gastronomieküche. Sie ist der grösste Verbraucher, ihre Geräte erreichen eine Maximalleistung von über 600 kW, die oftmals fast auf einen Schlag abgerufen wird. «Dabei muss das Schiff als autarkes System absolut zuverlässig funktionieren. Treffen wir keine Vorkehrungen, überlastet dies das Stromnetz», erklärt Einsiedler.»

Das Fazit zum Antrieb aus den ersten Betriebsmonaten ist durchwegs positiv. Das mehrfach redundante System ist sehr zuverlässig und sparsamer als erwartet. Der im Vorfeld errechnete, 13 bis 18 Prozent geringere Verbrauch wurde mit Einsparungen von 18 bis 25 Prozent im bisherigen Betrieb sogar unterschritten. Das System spart zudem noch 28 bis 36 Prozent den Wartungskosten ein. (msc)

 

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