chevron_left
chevron_right

Pragmatische Sicht auf die Dinge

Gut 30 Jahre nach ihrer Premiere hat die «Control», Messe für Qualitätssicherung, nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Im Gegenteil: In diesem Jahr pilgerten über 28 000 Fachleute nach Stuttgart, um sich bei den rund 880 Ausstellern über die neusten Trends rund um Messtechnik und Qualitätsssicherung zu informieren. Die «Technische Rundschau» war ebenfalls vor Ort und wirft einen individuellen Blick auf Neuheiten.

Natürlich drehte sich auch bei der Control 2018 (24. bis 27. April) fast alles um das Thema «Digitale Transformation». Allerdings wird in Stuttgart die pragmatische Sicht auf die Dinge präferiert, wie Voker Schiek, Geschäftsführer des Landesnetzwerks Mechatronik, auf der Eröffnungs-Pressekonferenz antönen liess: «Was wir auf der Control sehen, ist Nutzen zum Anfassen.» Wobei die Innovationen nicht zu kurz kamen. Denn: Da die Control das Prädikat «Weltleitmesse» im Namen führt, ist es für die Aussteller fast ein Muss, dort auch mit Weltpremieren aufzutreten. Es war deshalb ein wenig schade, dass die Hannover Messe als weltweiter Digitalisierungs-Megaevent zeitgleich ihre Pforten geöffnet hatte. Nicht wenige Control-Aussteller hätten sich auch gerne dort präsentiert, und wenn es nur als Besucher gewesen wäre. Umgekehrt munkelte manch Aussteller im trauten Gespräch, dass doch der eine oder andere Besucher aufgrund der Hannover-Messe in Stuttgart fehlen könnte.

Unabhängig davon war die Stimmung auf der Control gut, und es gab genügend Neuheiten zu bestaunen. Bereits im Vorfeld der Messe hatte Alicona heftig die Werbetrommel gerührt und darauf hingewiesen, dass man zur Control «neue Massstäbe in der Fertigungsmesstechnik» setzen wolle. Das Versprechen wurde mit dem optischen 3D-Messgerät «µCMM» voll eingelöst. Das Gerät verbindet die Vorteile aus der taktilen Koordinatenmesstechnik und der optischen Oberflächenmesstechnik und misst mit nur einem Sensor Mass, Lage, Form und Rauheit von Bauteilen. Das optische Koordinatenmessgerät bietet hohe geometrische Genauigkeit von mehreren optischen 3D-Messungen zueinander, was die Messung von kleinsten Oberflächendetails inklusive präziser Bestimmung der Lage ermöglicht. «µCMM ist das genaueste rein optische Mikrokoordinatenmesssystem seiner Klasse», sagt dazu eine sichtlich stolze Astrid Krenn, Marketingleiterin der Alicona Imaging GmbH. So bleibt die Längenmessabweichung im gesamten Bauraum von 310 × 310 × 310 mm unter E = (0,8+L/600) µm und ist angelehnt an ISO 10360/VDI 2617.

Ein weiterer Vorteil laut Frau Krenn: Die 3D-Messung erfolgt lediglich an den relevanten Messstellen und damit in sehr kurzer Zeit. Anwender haben die Möglichkeit, mit nur einem Sensor sowohl die Oberflächenrauheit als auch Form- und Lagetoleranzen («GD&T-Merkmale») im einstelligen µm-Bereich zu bestimmen. Das Spektrum messbarer Oberflächen umfasst matte und polierte sowie spiegelnde Bauteile sämtlicher industrieüblichen Materialien und Verbundstoffe wie Kunststoff, PKD, CFK, Keramik, Chrom oder Silizium. Luftgelagerte Achsen mit Linearantrieb ermöglichen die verschleissfreie Nutzung sowie eine hochpräzise, schnelle Messung und versprechen daher den dauerhaften Einsatz auch in der Produktion. Das Fazit des Chronisten: Ein Highend-Messgerät, das auch in der Schweizer Präzisionsindustrielandschaft eine «bella figura» abgeben würde.

Ganz im Zeichen des vollautomatischen Messens steht das neue 3D-Messsystem «Blaze 600A» von Hexagon Manufacturing Intelligence, ein Teilbereich des Hexagon-Konzerns. Das System für Roboter-Fertigungsanlagen feierte auf der Control seine Premiere und liefert hochgenaue Freiformflächen- sowie Elementedaten. Das grosse Messfeld erfasst hochdichte Punktewolkendaten. Eine ausgefeilte Scantechnologie verspricht das Detektieren von glänzenden, lackierten und reflektierenden Oberflächen, schwarzen Teilen sowie Verbundmaterialien ohne vorherige Oberflächenbehandlung.  

Blaze 600A ist für die fertigungsbegleitende Messung optimiert. Der Anwender kann dadurch den Zeitaufwand für den Transport von Werkstücken aus der Fertigung zur Prüfung deutlich reduzieren. Das System scannt vollautomatisch und benötigt maximal nur einen Bediener. «Blaze 600A übertrifft die Systeme früherer Generationen in Bezug auf Genauigkeit und Wiederholbarkeit deutlich, bietet aber vor allem ein hohes Mass an Flexibilität und steigert so die Anwendbarkeit im gesamten Fertigungsverlauf», erklärt Pål Fugelli, Vertriebs- und Marketingleiter für automatisierte Lösungen bei Hexagon Manufacturing Intelligence.

Welchen Einfluss messtechnische Lösungen auf die additve Fertigung haben können, demonstrierte Zeiss in der Themenwelt «Additive Fertigung» mit dem «3D-ManuFact»-Ansatz. Claus Hermannstädter, verantwortlich für die Strategie und Geschäftsentwicklung des Zeiss Unternehmensbereichs Industrial Metrology, sieht hier gute Chancen für sein Unternehmen: «Wir gehen davon aus, dass immer mehr kritische Komponenten aus dem Drucker kommen werden. Wie effizient, das hängt stark davon ab, wie gut die additive Fertigungsprozesskette verstanden und kontrolliert wird.» Die Anzahl der noch notwendigen Iterationsschleifen lässt sich seiner Erfahrung nach signifikant über detaillierte Analysen von Materialien und Prozessen reduzieren.

Ein wichtiges Thema für die Qualitätssicherung ist beispielsweise die Charakterisierung des Pulvers, da das Pulverbettschmelzverfahren (Selective Laser Melting) die Verwendung von Pulvern mit sehr strengen Spezifikationen in Bezug auf Grösse, Form und Materialeigenschaften erfordert. Gezeigt wurde, wie komfortabel Anwender mit Licht- und Elektronenmikroskopen die Qualität des eingesetzten Metallpulvers prüfen können. Um diese Untersuchungen zu beschleunigen, entwickelte Zeiss unter anderem korrelative Techniken, die die Lücke zwischen Licht- und Elektronenmikroskopie schliessen und Kunden ein besseres Verständnis der Materialeigenschaften ermöglichen sollen.

Auf der Control demonstriert Zeiss ausserdem, wie Anwender die bisher gesammelten Erfahrungen aus der klassischen Fertigungsumgebung mit der Software «PiWeb» adaptieren können, «um die Prozessentwicklung für Additive-Manufacturing-Prozesse zu beschleunigen und somit die Leistungsrate insgesamt zu verbessern», betont Claus Hermannstädter.

Die Aerotech GmbH mit Sitz im deutschen Fürth ist eine Tochtergesellschaft der weltweit agierenden Aerotech Inc. und entwickelt und fertigt Hochleistungs-Bewegungssteuerungssysteme, Positioniertische und -systeme. Auf der Control war sie unter anderem mit der neuen Generation von «HexGen»-Hexapoden für Hochpräzisionsanwendungen bei mittleren Lasten vertreten. Der «Hex 300-230 HL» kann Werkstücke bis zu 45 kg positionieren. Laut Aerotech-GmbH-Geschäftsführer Norbert Ludwig sind die «HexGen-Hexapoden die einzigen am Markt verfügbaren Hexapoden, bei denen eine Wiederholgenauigkeit von unter 5 μm garantiert werden kann».

Je nach anwenderspezifischen Prozessanforderungen können die Plattform und der Sockel des Hex 300-230 HL problemlos modifiziert werden. Der Hexapod verfügt über eine Apertur von 100 mm Durchmesser in der Plattform sowie 60 mm im Sockel. Letztere ermöglicht freien Zugang zum Werkstück von unten. Für die Montage auf optischen Tischen bietet der Hexapod sowohl zöllige als auch metrische Anschlussbohrungen. Die Positioniertische eignen sich laut Norbert Ludwig auch für anspruchsvolle Vakuumanwendungen wie die Probenmanipulation an Synchrotron-Strahlungsquellen, optische Testaufbauten, die Halbleiterfertigung und -inspektion oder die Prüfung von Satelliten und Sonden.

Die Aerotech-eigene Steuerungssoftware «A 3200» ist zudem so ausgelegt, dass eine einfache Programmierung und Steuerung des Hexapoden in jedem benutzerdefinierten Koordinatensystem möglich ist. Und mit der «HexSim»-Software, sagt Geschäftsführer Ludwig, kann der Nutzer den verfügbaren Arbeitsraum einfach visualisieren und simulieren: «Die nahtlose Integration der Software in die A 3200-Steuerung bietet Echtzeitbewegungsvisualisierung in jedem benutzerdefinierten Koordinatensystem. Über die intuitive graphische Bedienoberfläche können das jeweils aktive Koordinatensystem ausgewählt und der Pivotpunkt einfach programmiert oder entsprechend angepasst werden.»

Mit dem Thema Umweltsimulation beschäftigt sich die Weiss Technik-Unternehmensgruppe, die über die Weiss Technik AG in der Schweiz vertreten ist. Mit «LabEvent» wurde in Stuttgart die neue Baureihe von Temperatur- und Klimaprüfschränken für den Einsatz im Labor vorgestellt. Denn in Forschungs- und Entwicklungslaboren wird die Funktions- und Gebrauchsfähigkeit eines Produktes schon in einem sehr frühen Stadium sichergestellt. Die neuen Laborprüfschränke bieten hierbei die Möglichkeit, die Funktionalität des Prüfgutes sowohl unter Temperatur- als auch Feuchteeinflüssen zwischen − 70 °C und + 180 °C zu prüfen.

Dazu stehen neun verschiedene Prüfraumgrössen zwischen 20 und 500 l Volumen zur Verfügung. Alle 40 Gerätevarianten erfüllen die neueste F-Gas-Richtlinie mit dem umweltfreundlichen Kältemittel «R 449 A». Dank der Bedienoberfläche «WebSeason» lassen sich die Prüfschränke via Tablet und Smartphone steuern. Optional können sie mit der «Simpati»-Software zur Bedienung, Dokumentation und Archivierung ausgestattet werden.

Neu im Portfolio sind ausserdem Ausstattungsoptionen zur Schnellabkühlung (bis 10 K/min), zur Vermeidung elektrostatischer Entladung (ESD), für Prüfungen der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) und ein preislich attraktiver 150 l grosser Klimaprüfschrank für Laborprüfungen. Die Prüfschränke erfüllen die gängigen DIN-, ISO-, MIL-, IEC- und ETSI-Prüfnormen.

Es könnte das Unwort des Jahres 2018 werden, die «Datenschutzgrundverordnung» (DSGVO). Seit 25. Mai 2018 stehen die Unternehmen in der Pflicht, sich darum zu kümmern. Um das gesamte Procedere drumherum zu erleichtern, hat die ConSense GmbH als Spezialistin für Prozess- und Qualitätsmanagement eine Lösung entwickelt, mit denen sich ein transparentes und zuverlässiges Datenschutzmanagementsystem aufsetzen lässt. Die Software «ConSense DSGVO» verspricht eine Reduzierung des Aufwandes durch die intelligente und automatisierte Unterstützung von Routinetätigkeiten.

Sie übernimmt zeitaufwändige Dokumentationsaufgaben inklusive zugehöriger Revisionierung und soll die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Arbeiten deutlich vereinfachen. Dazu gehören unter anderem die Aufstellung der Datenschutzfolgenabschätzung, die Organisation und nachweisliche Durchführung von Schulungen und Unterweisungen, die Erstellung des Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten von personenbezogenen Daten, die Planung, die Durchführung und Nachverfolgung von technischen und organisatorischen Massnahmen (TOM) zur Datensicherheit, die Festlegung von Verantwortlichkeiten sowie die Modellierung detaillierter Abläufe von Löschvorgängen und Meldepflichten.

Der Tipp der Consense-Spezialisten: Mit einem integrierten Managementsystem aus Datenschutz- und Qualitätsmanagement lässt sich die Umsetzung der DSGVO noch weiter vereinfachen und optimieren. Denn die DIN EN ISO 9001 weist viele Parallelen zur EU-DSGVO auf, so dass sich bereits vorhandene Ressourcen, Strukturen, Inhalte und Methoden nutzen lassen.  

Übrigens: Die nächste Control findet vom 7. bis 10. Mai 2019 ebenfalls wieder auf dem Stuttgarter Messegelände statt. (pi)

 

aerotechgmbh.de

alicona.com

consense-gmbh.de

hexagonsi.com

weiss-technik.com

zeiss.ch