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Der Welt grösster E-Laster ist Schweizer

In einem Steinbruch in Péry im Berner Jura steht seit dem 20. April mit dem Muldenkipper «eDumper» das grösste Elektrofahrzeug der Welt im Einsatz. Die eMining AG hat zusammen mit der Berner Fachhochschule BFH, der Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs NTB, der Empa und mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie BFE den umweltfreundlichen Monsterlaster entwickelt.

Das grösste Elektroauto der Welt mit 58 t Leergewicht und 65 t Zuladung wurde auf den Namen «Lynx» – auf Deutsch Luchs – getauft. Er hat Ende April im Steinbruch der Ciment Vigier in Péry seine Arbeit aufgenommen. Der in den vorangegangenen 18 Monaten konzipierte Elektromuldenkipper ist ein Beispiel für erfolgreiche angewandte Forschung in der Schweiz. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sorgt für gleich drei Weltrekorde: Der eDumper ist das grösste und stärkste batteriebetriebene Elektro-Radfahrzeug der Welt, er trägt die grösste je für ein Elektrofahrzeug hergestellte Batterie, die mit 4,5 t so viel wiegt wie zwei komplette Pkw, und noch nie hat ein vergleichbares Fahrzeug eine derart grosse Menge an CO2 einsparen können. Der eDumper wird über die nächsten zehn Jahre jährlich über 300 000 t Material transportieren und dabei nach vorläufigen Berechnungen bis zu 1300 t CO2 und 500 000 l Diesel einsparen.

Wer bremst, gewinnt! Der eDumper wird Kalk- und Mergelgesteine aus einem höher gelegenen Abbaugebiet in eine tiefer gelegene Verarbeitungsanlage transportieren. Bei der voll beladenen Talfahrt werden die Batterien mittels Rekuperation der Bremsenergie aufgeladen. Der so erzeugte Strom reicht nach vorläufigen Berechnungen für die unbeladene Rückfahrt bergauf ins Abbaugebiet weitgehend aus. Er wäre damit ein Null-Energie-Fahrzeug. Wie die Energiebilanz des eDumpers genau ausfällt, sollten Untersuchungen im Alltagsbetrieb während der letzten Monate seit Ende April zeigen.

Der umweltfreundliche eDumper wurde auf Basis eines Diesel-betriebenen Muldenkippers vom Typ Komatsu HD 605-7 komplett neu aufgebaut. Um den Elektroantrieb optimal zu dimensionieren, bestückten Forschende der Berner Fachhochschule am Institut für Energie- und Mobilitätsforschung das herkömmliche Modell mit Dieselantrieb mit einer genzen Reihe verschiedener Sensoren, mit denen endlose Messdatenreihen gewonnen wurden. Dabei wurde unter anderem das nötige Drehmoment an der Kardanwelle sowie die Leistungsabgabe des Motors zusammen mit dem jeweiligen Fahrzustand und den GPS-Daten des Fahrzeugs gemessen.

Das BFH-Zentrum Energiespeicherung befasste sich da­raufhin mit der Evaluation geeigneter Batteriezellen und der Kühlung eines Batteriemoduls. So wurden die passenden Li-Ionen-Zellen beschafft und eines der mit den ausgewählten Batteriezellen konfektionierten Batteriemodule in einer speziellen, in einem Schiffscontainer untergebrachten Testanlage, geprüft.

Um die Langlebigkeit und Robustheit der Technik zu gewährleisten, wurden von der NTB Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs Erschütterungen des Diesel-Muldenkippers im realen Einsatz und die Wärmeabgabe der Batteriezellen des künftigen eDumpers untersucht. Das NTB-Forscherteam konzipierte auch das Thermomanagement für das Batteriepaket, berechnete die nötige Stärke der Batteriehalterung und die Auslegung der Schweissnähte. Ihm obliegt auch die Überwachung der eDumper-Batterie im realen Einsatz.

Damit die Brandsicherheit einer derart grossen Batteriezelle gewährleistet ist, untersuchten Empa-Forscher schliesslich das Verhalten der verwendeten Li-Ionen-Zellen im Falle eines Kurzschlusses oder einer mechanischen Beschädigung. Nie zuvor ist ein Landfahrzeug mit einem solch gewaltigen Akkupaket bestückt worden. Der eDumper ist nun so konstruiert, dass eine «durchgehende» Zelle keine Nachbarzellen in Mitleidenschaft ziehen kann.

Nicht nur die Konzeption des eDumpers geschah in der Schweiz, auch die schliesslich verbauten Komponenten stammen zum Teil von schweizerischen mittelständischen Unternehmen. Der eigentliche Umbau erfolgte bei der Kuhn Schweiz AG in Lommis (TG) und Heimberg (BE). Sowohl der aus vier hintereinander angeordneten Segmenten bestehende Synchron-Antriebsmotor, der von der Oswald Motoren GmbH stammt, das Getriebe von der Puls Getriebe GmbH, die Batterien von der Lithium Storage GmbH und die Inverter von der Aradex AG sind allesamt Spezialanfertigungen auf der Basis industrieller Produkte der neuesten Generation. Sie wurden im September/Oktober 2017 in das leere Chassis des Komatsu HD 605-7 eingebaut. Die Hy­dropumpen für Lamellen-Bremsanlage, Kipp­antrieb, Servounterstützung und für die Vorspannung der Hilfsbremsanlage werden von einem weiteren Elektromotor mit 120 kW Leistung angetrieben. Letzterer stammt aus dem Berner Oberland, nämlich von der Elektromotorenwerk ­Brienz AG. Der 600 kWh grosse Stromspeicher, bestehend aus vier Blöcken, findet seinen Platz im Motorraum des Komatsu-Chassis und an der Stelle des Dieseltanks. Gefördert wird das Projekt vom Bundesamt für Energie (BFE).

Dass ein dermassen komplexer Umbau in so kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden kann, erstaunt sogar die Ingenieure in Japan bei Komatsu und in den USA. Ab 2018 sollen denn auch gleich mehrere baugleiche Exemplare gebaut werden. Die Technik ist modular aufgebaut und deshalb auch skalierbar, so dass laut eMining das nunmehr erprobte Konzept auch für noch grössere Maschinen angewandt werden kann.  (msc)

 

eMining AG

NTB Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs

Empa

Berner Fachhochschule