chevron_left
chevron_right

«Wir müssen Komplexes einfach gestalten»

Ohne Antriebstechnik mit Elektrizität als Energieform keine industrielle Fertigung. Das gilt schon ewig. Bei E-Motoren also alles beim Alten? Weit gefehlt. Angesichts von Kostendruck, der Forderung nach mehr Energieeffizienz und der Notwendigkeit, Antriebe im Zug der Digitalisierung intelligent zu machen, steht die Branche vor den vielleicht grössten Herausforderungen seit Jahrzehnten.

In einer kleinen Umfrage lotet die «Technische Rundschau» bei Brancheninsidern aus, wohin die Reise in der Branche geht, welche Chancen sie in der aktuellen Entwicklung identifizieren und wo der Schuh am meisten drückt.

"Die Trends heissen Miniaturisierung, Vernetzung, und alles immer schneller"

Herr Elmiger, wohin geht die Reise in der E-Antriebstechnik?

Einer der Trends ist sicher die Miniaturisierung, die sich weiter fortsetzt. Die Antriebe werden immer kleiner und kompakter. Darüber hinaus spielt die Vernetzung der Antriebssysteme eine immer wichtigere Rolle. Stichwort: Internet of Things, Industrie 4.0 oder Predictive Maintenance.

Welches sind dabei die grössten Herausforderungen, denen sich Anbieter und Hersteller von E-Antrieben gegenübersehen?  

Der Produktentwicklungsprozess wird durch die Digitalisierung beschleunigt. Kunden wollen heute rasch eine Lösung oder zumindest einen Lösungsansatz für die Prototypenentwicklung. Gleichzeitig kämpft die ganze Technik-Industrie momentan mit Lieferengpässen aufgrund der guten Wirtschaftslage und der daraus resultierenden hohen Nachfrage.

Sehen Sie Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Mit der Entwicklung unseres Online-Konfigurators haben wir bereits vor einigen Jahren auf diesen sich anbahnenden Trend reagiert. Mit diesem Tool können Ingenieure direkt von ihrem Arbeitsplatz aus auf unsere Antriebe und die Spezifikationen zugreifen und zum Beispiel einen einzelnen bürstenlosen DC-Motor mit Getriebe passend zu ihrer Anwendung konfigurieren und gleich bestellen. Das hohe Tempo muss danach natürlich auch in die halbautomatische Produktion und Auslieferung der Produkte mitgenommen werden.

Wie verändert die Digitalisierung diese Ausgangslage?

Wie bereits gesagt: Die Produktentwicklung wird beschleunigt. Konstruktionsdaten müssen online greifbar sein und die konkreten Lösungen müssen schneller bereit stehen und schneller geliefert werden.

Was ist zum Thema Steuerungstechnik in diesem Zusammenhang zu sagen?

Auch hier schlägt die Branche ein hohes Tempo an, daher müssen wir unser eigenes Angebot stetig erweitern. Kürzlich haben wir unsere EPOS4-Positioniersteuerungen mittels einer Erweiterungskarte Ethercat-fähig gemacht, um sie als Slave einfach in solche Netzwerke einzubinden. Das betrifft vor allem Anwendungsbereiche mit kurzen Zykluszeiten in synchronisierten Multiachssystemen.

 

"Systeme werden komplexer, Energieeffizienz wird wichtiger"

Herr Dröschel, wohin geht die Reise in der E-Antriebstechnik?

Ich sehe hier drei Richtungen, welche uns zukünftig stark beschäftigen werden. Die klassische Fördertechnik wird teilweise durch mobile Systeme ersetzt werden. Dies fordert ein Umdenken und auch andere Produkte in diesem Bereich. Dann wird zukünftig vermehrt der gesamte Antriebsstrang in Energieeffizienzbetrachtungen einbezogen, was meiner Meinung nach auch viel mehr Sinn macht. Drittens wird der Trend zur Vernetzung anhalten. Der Antrieb wird zukünftig Daten liefern können, welche dem Anwender einen Mehrwert in den verschiedensten Bereichen bieten kann.

Welches sind dabei die grössten Herausforderungen, denen sich Anbieter und Hersteller von E-Antrieben gegenübersehen?  

Die Antriebssysteme werden komplexer, die Anforderungen steigen. Für uns als Anbieter von Antriebssystemen heisst dies, dass wir Komplexes einfach gestalten müssen. Hierzu sind auch ungewöhnliche Schritte von grossem Nutzen. So werden zum Beispiel in der Software-Bedienung Elemente verwendet, welche aus der Spieleentwicklung stammen. Dies bedeutet für den Anwender, dass er knifflige Aufgabenstellungen einfach und intuitiv lösen kann. Das spart Zeit und somit auch Kosten.

Sehen Sie Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Hierzu bieten wir Produkte und Lösungen an, bei welchen die Benutzerfreundlichkeit einen sehr hohen Stellenwert hat. Natürlich spielt auch der Faktor Mensch eine zentrale Rolle. Die Mitarbeiter, welche die Kunden betreuen, werden zukünftig noch stärker Gesamtlösungen anbieten und in diese Richtung beraten müssen. Für den reinen Komponentenlieferanten wird der Markt zukünftig kleiner werden.

Wie verändert die Digitalisierung diese Ausgangslage?

Die Digitalisierung ist bekanntlich einer der Megatrends der heutigen Zeit. Ich bin aber nicht überrascht, dass sich dies so entwickelt hat. Denken wir zurück. In den achtziger Jahren war die Abkürzung CIM, Computer Integrated Manufacturing, in aller Munde. Dieser Trend konnte sich damals leider nicht durchsetzen, da die Hardware noch nicht leistungsfähig genug war. Er bildete aber den Grundstein zur heutigen Digitalisierung. Auch wenn sich CIM nicht durchsetzen konnte, die Idee blieb bestehen. In der näheren Vergangenheit gab es Entwicklungen zur digitalen Fabrik. Auch dies ist ein weiterer Grundstein der heutigen Digitalisierung. Ich sehe die aktuelle Digitalisierung also nicht als Revolution sondern eher als logische Evolution. In der Schweiz verfügen wir über sehr viel Potential. Dieses gilt es nun auszuschöpfen, damit wir dank der Digitalisierung eine führende Rolle in der globalisierten Welt einnehmen können.

Was ist zum Thema Steuerungstechnik in diesem Zusammenhang zu sagen?

In der Steuerungstechnik gibt es seit längerer Zeit die Entwicklung, dass ein grosser Teil nur noch konfiguriert und nicht mehr programmiert wird. Die Reise geht dahin, komplexe Herausforderungen zu vereinfachen, zu standardisieren und dann nur noch zu konfigurieren. Weiter meine ich, dass die klassische Steuerungspyramide zukünftig umgeschrieben werden muss. Ich denke hier an dezentrale Intelligenz und kommunizierende Subsysteme, sogenannte Cyber Physical Systems. Gerade bei mobilen Fördersystemen wird es nicht mehr den klassischen Leitrechner geben, der alle Funktionen der angeschlossenen Subsysteme steuert. Natürlich wird die gesamte Netzwerksicherheit ein immer wichtigerer Faktor. Wenn, plakativ gesprochen, jede Schraube mit dem WWW kommuniziert, darf die Sicherheit nicht ausser Acht gelassen werden. Sonst werden die vernetzten Systeme ein dankbares Opfer darstellen für Cyberangriffe. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

 

"Wie viel Intelligenz braucht der Antrieb? Wie viel Offenheit ist noch sicher?"

Herr Müller, wohin geht die Reise in der E-Antriebstechnik?

Neben energieeffizienten Lösungen wie der Reluktanz-Technik und dem Beachten der neuen Energieeffizienzklassen geht der Trend bei der elektrischen Antriebstechnik sehr stark in Richtung Digitalisierung. Hierzu gehören Themen wie die Auslegung der Antriebe direkt aus dem digitalen Zwilling einer simulierten Maschine beziehungsweise Anlage heraus, das smarte Engineering oder die vorhersehende Wartung «Predictive Maintenance». Der Antrieb wird dafür auch wesentlich intelligenter und vernetzter und nimmt damit eine noch wesentlichere Rolle in der gesamten Automatisierungslösung ein. Aber auch die Entwicklung neuer kompakterer Leistungselektronik steht weiterhin im Fokus.

Welches sind dabei die grössten Herausforderungen, denen sich Anbieter und Hersteller von E-Antrieben gegenübersehen?  

Die Digitalisierung der Antriebskomponenten und die Integration in die Netzwerke beziehungsweise in das Industrial Internet of Things IIoT stellen natürlich neue Herausforderungen an Sicherheitsmassnahmen, Usability und Funktionalitäten eines Antriebsgerätes. Neu müssen wir uns fragen: Wie viel Intelligenz braucht der Antrieb wirklich und wie viel Offenheit ist noch sicher genug? Bezüglich Energieeffizienz wird zukünftig das Bundle aus Frequenzumrichter und Motor entscheidend sein und die Anwort auf die Frage, welche Applikation damit betrieben wird.

Sehen Sie Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Ja auf jeden Fall. Viele dieser Digitalisierungslösungen existieren bereits auf überlagerten Ebenen der Automatisierung, zum Beispiel SPS oder HMI, und sie müssen nun auch auf die Aktoren-Ebene gespiegelt werden. Integrierte Sicherheitskonzepte umfassen zunehmend die gesamte Automatisierungslösung und bringen so neue Möglichkeiten ins Spiel. Smarte Software Tools helfen bei Planung und Engineering die energieeffizientesten Applikationslösungen zu finden.

Wie verändert die Digitalisierung diese Ausgangslage?

Der generelle Trend zur Digitalisierung beziehungsweise hin zu Industrie 4.0 beschleunigt natürlich diese Entwicklung bei den Antrieben erheblich und zeigt Kunden auch neue Möglichkeiten auf, die Produktivität und Effizienz entlang der Wertschöpfungskette zu erhöhen. Sei es bei der Planung, beim Engineering, in der Inbetriebnahme oder auch beim Service. Generell verändert die Digitalisierung hier auch die Herangehensweise vieler Hersteller, neue Produkte zu entwickeln und Innovative Themen wie Cloud-Anbindungen, Edge Computing und künstliche Intelligenz in die Antriebstechnik mit einfliessen zu lassen.

Was ist zum Thema Steuerungstechnik in diesem Zusammenhang zu sagen?

Steuerungstechnik und Antriebstechnik greifen schon seit Jahren immer mehr ineinander ein. Eine optimal aufeinander abgestimmte Automatisierungslösung holt aus der Maschine oder der Anlage auch die meiste Produktivität heraus. Neben den klassischen Themen wie Safety Integrated, Motion Control Funktionalitäten und einfacher Konnektivität ist auch hier der Trend zur Digitalisierung stark spürbar. Dank dem digitalen Zwilling kann eine umfangreiche Inbetriebnahme bereits während dem Bau der Anlage zeitgleich am virtuellen Modell durchgeführt werden. Die Steuerung wird also zunächst in virtueller Umgebung programmiert und getestet, und auch die Antriebe werden innerhalb der mechanischen Rahmenbedingungen simuliert, bevor man an die reale Maschine geht. Durch die virtuelle Inbetriebnahme, das «Virtual Commissioning» wird eine deutliche Effizienzsteigerung erreicht und die «Time to market» reduziert sich signifikant. Dieser zeitliche Vorsprung, die Flexibilität sowie wesentlich mehr Sicherheit bei der Inbetriebnahme stellen klare Kostenvorteile für den Kunden dar.

 

"Digitalisierungstaugliche IT ist für die Kleinen enorm teuer"

Herr Suter, wohin geht die Reise in der E-Antriebstechnik?

Sie geht generell in Richtung Industrie-4.0-Anwendungen, vor allem im Bereich des vorbeugenden Unterhalts. Auch die Energieeffizienz und damit die Wirkungsgradklasse IE 4 bei Antrieben ist mehr und mehr ein Thema. Bedingt durch den immer schnelleren Informationsfluss ist auf dem Weltmarkt eine Tendenz zur Abkapselung zu sehen. Die heutige Standardisierung vereinfacht die Vergleichsmöglichkeiten. Viele Märkte schotten sich durch immer mehr eigene Labels von anderen Märkten ab. Diese Herausforderung muss gemeistert werden, einerseits durch technische Anpassungen und andererseits durch entsprechend zahlreiche Abnahmen.

Welches sind dabei die grössten Herausforderungen, denen sich Anbieter und Hersteller von E-Antrieben gegenübersehen?  

Kurze Lieferfristen, technisch anspruchsvolle Produkte und erhöhte Anforderungen an die Dokumentation machen am meisten zu schaffen.

Sehen Sie Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Die heutige Unterstützung durch entsprechende IT-Lösungen ermöglicht uns das Erfüllen dieser Anforderungen.

Wie verändert die Digitalisierung diese Ausgangslage?

Sie verändert die Ausgangslage stark, und dies wird vor allem für kleinere Organisationen Probleme schaffen, denn die Kosten für eine taugliche IT sind enorm.

Was ist zum Thema Steuerungstechnik im ganzen Zusammenhang zu sagen?

Industrie 4.0 verlangt zunehmend mehr Regelungen und Steuerungen. Wir stellen deswegen eine Verlagerung des Geschäfts von der Hydraulik und Pneumatik weg und hin zu elektrischen Lösungen fest.

 

Maxon Motor: maxonmotor.ch

 

SEW-Eurodrive: imhof-sew.ch

 

Siemens: siemens.ch/industry

 

WEG: bibus.ch