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Smart Factory: Okumas "Dream Site 2" ermöglicht die kundenindividuelle Massenproduktion

Im Mai 2017 hat der CNC Werkzeugmaschinenhersteller Okuma seine neueste Smart Factory Dream Site 2 (DS2) im japanischen Hauptquartier in Oguchi eröffnet. Die Anlage dient dem Unternehmen als Produktionsstätte für Komponenten seiner kleinen und mittleren Dreh- und Schleifmaschinen. Um mit Blick auf Produktivität und Effizienz neue Maßstäbe zu setzen, hat der CNC-Komplettanbieter 61 Werkzeugmaschinen aus seinem umfassenden Portfolio in eine Internet of Things (IoT)-gestützte Fertigungsanlage integriert. Ein neues Produktionsplanungssystem, fortschrittliche Visualisierungsmethoden, Echtzeit-Datenauswertung und Automation mit hochmoderner Robotik ermöglichen Produktivität auf dem Niveau von Massenproduktion – selbst in Fertigungslinien mit hohen Produktmixen und geringen Stückzahlen.

Hersteller müssen heute vermehrt dem Wunsch nach hochgradig individualisierten Produkten begegnen. Doch je individueller das Produkt, desto mehr leidet die Produktivität. Sowohl als Hersteller als auch als Anbieter von Fertigungslösungen ist Okuma mit diesem Dilemma vertraut. 2013 hat das Unternehmen seine vollintegrierte Smart Factory Dream Site 1 (DS1) für die Produktion von Multitasking Maschinen sowie mittleren und großen Drehmaschinen eröffnet. Die hochautomatisierte Anlage ermöglichte es dem Hersteller, Vorlaufzeiten zu verkürzen und die Produktivität maßgeblich zu erhöhen.

 

‚Mass customisation‘ – kundenindividuelle Massenproduktion

Aufbauend auf den Erkenntnissen, die Okuma durch die Konzeption und Umsetzung von DS1 gewonnen hat, hat das Unternehmen umgerechnet acht Millionen Euro in eine neue Fertigungsanalage investiert. Das Ziel war die effiziente automatisierte Fertigung großer Produktmixe in teils geringen Stückzahlen, um Komponenten für eine große Bandbreite an Okuma-Produkten zu produzieren.

 

Die Investition hat sich gelohnt: Dream Site 2 hat einen noch höheren Automatisierungsgrad als DS1 erreicht. Für den nahtlosen Materialfluss sind sämtliche Komponenten mit Werkstück-IDs versehen, sodass ihre Position und ihr Bestimmungsort zu jedem Zeitpunkt bestimmt werden können. Das erlaubt Anwendern und Logistikpersonal ein schnelles Reagieren und alternative Maßnahmen zur weiteren Bearbeitung eines jeden Teils können ohne Verzögerung eingeleitet werden. Die neue Anlage setzt Automated Guided Vehicles (AGV) ein. Durch die fahrerlosen Transportfahrzeuge entfällt das manuelle Handling des Materials und die Zeit zwischen verschiedenen Aufspannungen wird auf ein Minimum reduziert.

 

Derzeit kann DS2 für 72 Stunden komplett bedienungsfrei betrieben werden. In der Vergangenheit war der Einsatz von Robotern in Fertigungslinien mit einem großen Produktmix und geringeren Stückzahlen problematisch. Durch die Verschmelzung verschiedener Prozesse löst DS2 dieses Problem und erlaubt den Einsatz mechanischer Automatisierungslösungen in einer vollständig unbemannten Komponentenfertigung. Das Produktionsplanungssystem (PPS), eine verbesserten Version des Systems, das in DS1 implementiert wurde, hat die Lieferzeiten deutlich verringert und ermöglicht es Okuma, flexibel auf veränderte Produktionsanforderungen und Kundenwünsche zu reagieren.

 

Frontloading

Für den reibungslosen Ablauf in DS2 setzt Okuma auf Frontloading, um möglichst viele Arbeitsschritte bereits vor der eigentlichen Produktion zu komplettieren. Ein essenzielles Werkzeug hierzu ist 3D Virtual Monitor. Die Applikation erstellt hochakkurate dreidimensionale Maschinensimulationen, die anhand der exakten Vorgaben der Werkzeugmaschine erstellt werden, die für die Anwendung bestimmt ist. Anwender wissen so bereits im Vorfeld, ob das Werkstück präzise, fehler- und kollisionsfrei und innerhalb des Zeitplans produziert werden kann. Kostenintensive Reparaturen und Stillstandzeiten werden so bereits vermieden, bevor die Fertigung überhaupt beginnt.   

Fabriklayout für große Komponentenvielfalt

 

Die vier Areale von DS2 erstrecken sich über eine Fläche von 11.000 m². In der Kleinteilefertigung wird eine Vielzahl unterschiedlicher vorwiegend runder Werkstücke mit bis zu 30 mm Durchmesser produziert – darunter Flansche und Krümmer. Die Teile werden auf dem vertikalen 5-Achsen Bearbeitungszentrum MU-4000V von Okuma produziert. Die Werkzeugmaschinen sind in einer bedienungsfreien Roboter-gestützten Fertigungszelle (FMS) integriert. Diese ermöglicht die ununterbrochene Zerspanung sowie automatische Futter- und Werkzeugwechsel. Auch der Wechsel des Werkstücks wird durch den Roboter vorgenommen. Dank der oben erwähnten AGVs werden Rohmaterial und fertige Komponenten automatisch transportiert. Auf manuell gesteuerte Stapler verzichtet DS2 komplett.

 

Die Präzisionsteilefertigung ist für die Produktion von Hauptspindeln, Reitstockspitzen, Flansche und eine Vielzahl weiterer Teile zuständig. Die Temperatur in diesem Bereich wird konstant bei 21 °C gehalten, ± 1°C. Die Okuma Schleifmaschinen vom Typ GP-47N können so unter idealen Bedingungen eine maximale Oberflächengüte ohne thermale Verformungen erzeugen.

 

Der Bereich für mittelgroße Komponenten umfasst Teile wie Spindelstöcke, Reitstöcke und Werkzeugrevolver, die auf vier Okuma Bearbeitungszentren des Modells MA-600HII und drei Einheiten der MB-8000H gefertigt werden. Hier kommt das Automatisierungs-Know-how des Herstellers voll zum Tragen: Das Areal wird von einem flexiblen Produktionssystem (FPS) gesteuert, das ein FMS mit Robotern, mehreren AGVs für Materialinput und Komponententransport sowie ein automatisiertes Paletten-Regal für das Lagern der fertigen Teile kombiniert. Alle Prozesse nach der Materialeingabe, wie Aufspannung, Zerspanung sowie Entgraten und Waschen sind vollständig automatisiert, um eine unbemannte 24/7-Produktion zu gewährleisten.

 

Der letzte Bereich der Anlage umfasst große Teile wie Maschinenbetten und Sattel. Um diese Dimensionen bewältigen zu können, setzt Okuma hier drei ihrer Portalfräsmaschinen vom Typ MCR-BIII sowie eine Schleifmaschine für große Oberflächen in einer flexiblen Fertigungszelle ein. Die Zeit für das Be- und Entladen wird durch den Einsatz automatisierter Aufspannungen maßgeblich verkürzt.

 

Eine Fabrik, die dazulernt

Der gesamte Fabrikaufbau von DS2 wird auf zentralen Monitoren sowie Tablet Computern visualisiert. Diese betreiben die eigens entwickelte Applikation Factory Monitor, die eine Visualisierung der gesamten Anlage erlaubt und den Status sämtlicher Fertigungszellen und Werkzeugmaschinen anzeigt. Die Maschinendaten werden in Echtzeit angesehen und analysiert, sodass Probleme oder Produktivitätseinbußen schnell identifiziert und behandelt werden können. Die Software sammelt und speichert sämtliche Informationen zu Maschinenlaufzeiten, Alarmprotokolle und Stillstandzeiten. Das Ergebnis ist eine Fabrik, die täglich dazulernt, sodass jeder Durchlauf eine Verbesserung zum vorigen ist.

 

Die gesamte Anlage verwendet geothermische Energie für hocheffizientes Heizen und Kühlen. Wie schon DS1 nutzt auch DS2 isolierende Solarzellen an den Außenwänden sowie LED Beleuchtung, Wechselrichter-Steuerungen für Luftkompressoren und elektrische Wärmepumpen. Mit diesen Maßnahmen konnte Okuma die Energiekosten um 30 Prozent senken.

 

Dream Site 2 – Ein gelebter Traum

Okuma ist hochzufrieden mit der Leistung von DS2. Seit der Eröffnung im Mai hat der Hersteller die Produktivität seiner Komponentenfertigung um 30 Prozent erhöhen können und Durchlaufzeiten halbiert. Der ‚Single-Source‘-Anbieter wird auch weiterhin in die Entwicklung neuer Fertigungsanlagen investieren, die das Potential der Industrie 4.0 ausschöpfen. Derzeit liegt der Fokus auf der Erweiterung von DS2. Geplant ist ein Montagebereich, um aus der Anlage eine vollintegrierte Fabrik wie DS1 zu machen, die sämtliche Schritte von der Komponentenfertigung bis zur Montage der Werkzeugmaschinen vereint. Gleichzeitig träumen die Verantwortlichen bei Okuma bereits einen weiteren Traum: So plant der Hersteller schon jetzt, mit einer dritten Dream Site abermals neue Maßstäbe in Sachen Smart Manufacturing zu setzen.

 

Okuma ist sich darüber im Klaren, dass ihre Kunden mit denselben Engpässen mit Blick auf kundenindividuelle Massenproduktion  zu kämpfen haben. Aus diesem Grund gibt der Hersteller das Know-how, das er durch die Entwicklung von DS1 und DS2 erworben hat, nun an Kunden weiter, um ihnen bei der Optimierung ihrer Produktion zu helfen. Mit eigens entwickelten Technologien eröffnet Okuma Fabrikbetreibern die gleichen Möglichkeiten zur Visualisierung und Datenverarbeitung, die Okuma in den eigenen Werken einsetzt.

 

Okuma: suvema.ch