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Daten als Treibstoff der Instandhaltung?

Digitalisierung in der Instandhaltung erzeugt eine Vielzahl von Daten. Geschickt genutzt, können diese die Instandhaltung massiv verbessern und gleichzeitig Kosten senken. Dies erfordert jedoch ein gutes Verständnis der dazugehörigen Wirkmechanismen. Digitalisierung benötigt ein ganzheitliches Vorgehen und darf nie als reines IT-Projekt gesehen werden.

Der Spruch «Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts»  ist mittlerweile zum Allgemeinplatz geworden. Auch die industrielle Instandhaltung ist von einer intensiven Digitalisierungswelle erfasst. Viele Firmen starten grosse IT-Projekte, um Daten zu erfassen, abzuspeichern, zu vernetzen und in die Cloud zu transportieren – je mehr, desto besser. Oft jedoch stellt man am Ende fest, dass nur der Aufwand gestiegen ist, ohne dass ein klarer Mehrwert erzeugt werden konnte. Ist hier doch nicht alles Gold, was glänzt?

 

Es gibt in der Instandhaltung grundsätzlich zwei wichtige Datenquellen: Zunächst sind das die Maschinen und Anlagen selbst, die immer mehr Daten generieren, die heute mit immer weniger Kosten gespeichert und verfügbar gemacht werden können. Die zweite wichtige Datenquelle sind die Instandhaltungsprozesse. Durch die Digitalisierung, beispielsweise den Einsatz von Tablets und Smartphones, kann der zeitliche Verlauf der Abläufe genau erfasst werden. Diese Daten enthalten wichtige Informationen über Effektivität und Effizienz der Instandhaltungsorganisation.

 

Daten zu sammeln ist also heute so einfach wie nie. Ob aber Daten einen Mehrwert erzeugen, hängt alleine davon ab, was sich ändert, wenn ab sofort Daten zur Verfügung stehen, auf die bisher nicht zugegriffen werden konnte. Denn es ist so einfach wie einleuchtend: Wenn sich an den Abläufen nichts ändert, wenn die gleichen Arbeiten auf die gleiche Art gemacht werden, dann ist der Nutzen der Datensammlung Null. Ganz unabhängig davon, wie modern die eingesetzte Technologie ist und wie perfekt die Systeme implementiert sind.

 

Mehrwert aus Daten kann auf verschiedenste Weisen geschaffen werden. Am wichtigsten sind jedoch die Gebiete Kostensenkung einerseits und Verfügbarkeitssteigerung andererseits. Die Frage lautet also: Wie können die Daten, die wir neu erfassen wollen, dazu dienen, die Kosten zu senken? Und wie können die Daten dazu dienen, die Verfügbarkeit zu steigern? Im Idealfall könnte es sogar sein, dass wir beides kombinieren können.

 

Die Kosten der präventiven Wartung sind im Wesentlichen durch die Länge der Serviceintervalle gegeben: Wenn alle Serviceintervalle verdoppelt werden könnten, würden die Kosten um 50 Prozent fallen! Hier gibt es also eine grosse Hebelwirkung. In der Praxis besteht oft viel Potenzial, da sich Serviceintervalle an der höchstmöglichen Beanspruchung orientieren müssen; diese wird aber selten tatsächlich realisiert. Die  Wartung wird also früher durchgeführt als notwendig, mit entsprechenden Kostenfolgen. Hier kann optimieren, wer den Zustand des Betriebsmittels ständig überwacht – also genau durch eine Datenerfassung. Die Wartung kann exakt dann durchgeführt werden, wenn es wirklich notwendig ist und nicht früher; Instandhaltungszyklen werden länger. Dies entspricht dem Übergang von einer zeitbasierten Instandhaltung zu einer zustandbasierten Instandhaltung, was heute oft kostengünstig realisierbar ist.

 

In vielen Instandhaltungsabteilungen ist heute noch unbekannt wie die teuerste Ressource, die menschliche Arbeitskraft, genau eingesetzt wird. Welche Tätigkeiten fressen am meisten Instandhaltungsbudget? Welche Anlagen brauchen am meisten Arbeitsstunden, über das Jahr gesehen?  

 

Um solche Fragen beantworten zu können, ist eine Erfassung der Tätigkeiten des Instandhaltungspersonals notwendig. Dies ist heute im Rahmen der Digitalisierung der Prozesse oft einfach umzusetzen. So kann Kostenwahrheit geschaffen, können Kostenfresser identifiziert und Personalressourcen effizienter eingesetzt werden.

Oft sind Komponenten einer Maschine in einem fehlerhaften Zustand, ohne dass dies sichtbar wird. Unentdeckt kann daraus ein grosser Schaden entstehen. Geeignete Sensoren, beispielsweise Schwingungs- oder Beschleunigungssensoren, können heute auch kleinste Fehlzustände detektieren, lange bevor es zur Störung kommt. So können Ausfälle verhindert und die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit kann gesteigert werden. Besonders bei teuren Maschinen und hohen Ausfallkosten lohnt sich eine entsprechende Datenerfassung und die Installation eines entsprechenden Zustandsmonitorings, etwa mittels eines Zustandscockpits oder mithilfe von intelligenten Überwachungsalgorithmen.

 

Die Detektion von Fehlerzuständen erlaubt es, frühzeitig Korrekturmassnahmen einzuleiten. Oft ist dies aber zu frühzeitig: Es liegt zwar ein Fehlerzustand vor, dieser ist aber noch nicht problematisch. In der Praxis möchte man einen Eingriff möglichst spät machen, denn dies spart unnötige Kosten ein und vermeidet unnötige Stillstände.

Die Prognose der sogenannten «Restlebensdauer» ist das Kernelement der vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance). Sie erfordert in der Regel die Anwendung von komplexen Algorithmen mit Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI).

 

Will man mit Daten in der Instandhaltung Nutzen schaffen, gilt es, zielgerichtet und ganzheitlich vorzugehen. Die angeführten Beispiele sind nur einige der Wirkungsketten, die dazu führen können, dass Daten tatsächlich grosse Verbesserungen bringen. Das Potenzial von Daten ist also vorhanden. Das heisst aber noch lange nicht, dass das Sammeln von Daten alleine zu einem Erfolg führen wird.

 

Zwei Dinge sind hier zu beachten: Erstens ist es wie eingangs gesagt klar, dass Sammeln und Auswerten von Daten alleine noch gar nichts verändert, solange nicht der Prozess selber umgestellt wird. Will man also mit Daten einen Nutzen in der Instandhaltung schaffen, sollte man sich schon von Anfang an darüber im Klaren sein, welche Prozessumstellungen notwendig sind. Oft scheitern Projekte, weil organisatorische oder gesetzliche Rahmenbedingungen eine Veränderung der Prozesse verhindern.

 

Zweitens erfordert die Umsetzung datenbasierter Ansätze oft die Verknüpfung mehrerer Informationen, beispielsweise die Verknüpfung von Instandhaltungsaufträgen mit den ausführenden Personen. Oft können Daten nicht sinnvoll ausgewertet werden, weil dafür wichtige Informationen fehlen.  Es ist oft extrem schwierig bis unmöglich, im Nachhinein neue Datenfelder zu definieren, um solche Löcher zu stopfen.

 

Als Fazit ist deshalb festzuhalten: Daten sind in der Tat auch in der Instandhaltung eine Ressource, mit der heute enorme Verbesserungen erzielt werden können. Das Versprechen, dass die Verwendung der heute verfügbaren Daten die Instandhaltung sowohl besser als auch billiger machen kann, ist in der Regel richtig. Aber es lohnt sich, genau hinzuschauen und schon vor Beginn eines entsprechenden Projekts sorgfältig zu analysieren, in welcher Weise die neu zu verwendenden Daten eine Verbesserung erzeugen werden.

 

Es gilt also, nicht dem Ansatz zu folgen: Sammeln wir erst einmal Daten und schauen dann, was wir damit machen können, sondern: Was genau wollen wir verbessern in der Instandhaltung? Welche Daten brauchen wir dazu? Dies hilft, späteren Enttäuschungen vorzubeugen.

 

Grundsätzlich ist das Nutzen von Datenquellen innerhalb der Instandhaltung in keinem Fall als reines IT-Projekt zu sehen, sondern es muss zwingend in enger Zusammenarbeit mit den Prozessverantwortlichen entwickelt werden.  

Prof. Dr. Christoph Heitz

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

 

ZHAW School of Engineering

8400 Winterthur, Tel. 058 934 78 16

christoph.heitz@zhaw.ch