chevron_left
chevron_right
Management

«Die Digitalisierung ist ein grosser Trumpf»

Der promovierte Jurist und ehemalige Generalsekretär des Wirtschaftsdepartements, Stefan Brupbacher, ist seit Anfang Januar 2019 neuer Direktor von Swissmem. TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich hat ihn Anfang März besucht. Das lockere Gespräch drehte sich vor allem um die kommenden Herausforderungen der MEM-Branche: Digitalisierung, Fachkräftemangel und niedrige Margen, aber auch, wie es mit der Messelandschaft Schweiz weitergeht.

Herr Brupbacher, wie fühlt man sich nach rund 100 Tagen im Amt als neuer Swissmem-Direktor und als Neuling in der Maschinen-, Elektro- und Metallbranche?

Eigentlich bin ich ja schon ein alter MEM-Hase, da ich in meiner Zeit als Generalsekretär des WBF eng mit Bundesrat Schneider-Ammann zusammenarbeiten durfte. Von ihm habe ich die grosse Affinität zur Industrie übernommen. Ich teile seine Einstellung, dass wir zum Werkplatz Schweiz Sorge tragen müssen, damit dieser auch in Zukunft als ein starkes und zentrales Element der Schweizer Wirtschaft erhalten bleibt.

 

Hatten Sie schon direkten Kontakt zur Branche?

Während meiner bisherigen Amtszeit konnte ich bereits 20 Mitgliedfirmen besuchen. Bei weiteren fünf habe ich während meinen Ferien deren Standorte in China besucht. Was mich dabei begeistert hat, war die Diversität, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen. Aber auch der Geist, der dort fast fühlbar war: Wir wollen aufgrund unserer Fähigkeiten und Produkte am Markt bestehen und nicht, weil wir wegen jeder Herausforderung in Bundesbern vorstellig werden. Diese Denkart beeindruckt.

 

Neue Besen kehren gut: Welche Prioritäten haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Swissmem ist ein hervorragend aufgestellter Verband, mit einer hohen Glaubwürdigkeit. Grundlage dafür sind die sehr guten Dienstleistungen von der Rechts- und Technologieberatung bis hin zu den Netzwerk- und Bildungsangeboten. Wenn Sie die neuen Besen ansprechen, Herr Pittrich, dann geht es darum, diese Dienstleistungen noch effizienter zu machen. Eine weitere Herausforderung wird sein, in einem politisch anspruchsvollen Umfeld die Stimme der Industrie noch besser einzubringen. Unter anderem kämpfen wir für das Rahmenabkommen mit der EU. Es ist von grosser Wichtigkeit, gerade für die Schweizer KMU, dass wir den geregelten Marktzugang zu unserem grössten Auslandsmarkt erhalten und ausbauen können.

 

Wobei es aktuell mit der Konjunktur nicht schlecht läuft, wenn man sich die Zahlen ansieht, die Swissmem Mitte Februar veröffentlicht hat. 2018 war sogar von einem sehr guten Geschäftsverlauf die Rede. Wie beurteilen Sie die Aussichten für dieses Jahr?

Im dritten und vierten Quartal 2018 haben die Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahr abgenommen. Wir rechnen damit, dass diese Veränderung innerhalb der kommenden sechs Monaten auch bei den Umsatzzahlen durchschlägt. Deshalb erwarten wir für die Geschäftsentwicklung im 2019 eher eine Seitwärtsbewegung; zwar auf einem hohen Niveau, aber mit signifikanten Unsicherheiten wie den Brexit, die hohe Verschuldung einzelner EU-Staaten und die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China.

 

Gelten diese guten Konjunkturdaten eigentlich auch für das Inland? Denn bei der Medienkonferenz Mitte Februar habe ich entsprechende Ausführungen vermisst.

Die Binnenumsätze haben sich 2018 genauso gut entwickelt wie der Export. Allerdings sind bei einem Exportanteil von 80 Prozent die ausländischen Absatzmärkte für die Bewertung der Konjunkturentwicklung wesentlich aussagekräftiger, deshalb unser Fokus darauf.

 

«Wir erwarten für die Geschäftsentwicklung im 2019 eher eine

Seitwärtsbewegung.»

 

Hat die gute Konjunktur 2018 ausgereicht, um den negativen Geschäftsverlauf, der die Branche seit dem Währungsschock vom 15. Januar 2015 in Atem gehalten hat, zu kompensieren?

Aus ökonomischer Sicht ist der Franken gegenüber dem Euro immer noch deutlich überbewertet. Das erschwert die Erholung in unserer Branche. Es bräuchte schon mehrere gute Jahre wie 2018, damit die betroffenen Unternehmen den nach 2015 erlittenen Substanzverlust kompensieren und den kommenden Herausforderungen gerecht investieren können.

 

Während der Medienkonferenz wurde auch die Margenthematik angesprochen. Dabei ist aufgefallen, dass die Schere zwischen den Unternehmen deutlich auseinandergeht: Rund 44 Prozent der Swissmem-Mitglieder bewerten ihre Margen als gut bis sehr gut; 37 Prozent klagen über Margen geringer fünf Prozent und teilweise sogar mit negativem Vorzeichen. Was plant man bei Swissmem, um hier gegenzusteuern?

Als Vorgriff auf eine Antwort würde ich gerne zuerst darlegen, was wir seit besagter Medienkonferenz unternommen haben, um ein wenig Licht in die Margendiskussion zu bringen. So haben wir festgestellt, dass die geschilderte Spreizung von der Unternehmensgrösse unabhängig ist. Zudem ist uns aufgefallen, dass Firmen mit innovativen Produkten die besseren Margen aufweisen, als solche die eher «Commodity-Produkte» verkaufen. Und je besser ein Unternehmen in einer Nische positioniert ist, desto mehr Spielraum hat es bei der Preisgestaltung und desto besser ist die wirtschaftliche Lage. Das sind zwar in der Summe keine weltbewegenden Neuheiten. Sie zeigen aber doch, dass sich alte Binsenweisheiten oft bewahrheiten.

 

Trotzdem bleibt die Frage: Ob und wie der Verband die Unternehmen bei der Suche nach höheren Margen unterstützen kann?

Swissmem setzt sich für gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen ein, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Firmen unterstützen. Deshalb engagieren wir uns für ein Freihandelsabkommen mit den USA und dem Mercosur sowie für das Rahmenabkommen mit der EU. Bei der Digitalisierung haben wir mitgeholfen, ein Programm für die Förderung von Advanced Manufacturing (AM) bereitzustellen. Wir engagieren uns, beispielsweise mit der Fachgruppe Photonics, damit diese AM-Zentren zum Nutzen der KMU aufgebaut werden. Aber auch in anderen Bereichen helfen wir den Unternehmen bei der digitalen Transformation.

 

Können Sie mir konkrete Beispiele nennen?

Bei der digitalen Transformation unterstützen wir die Firmen mit der Initiative «Industrie 2025». Dort geben wir – zusammen mit anderen Verbänden – den KMU eine Toolbox in die Hand, damit sie den Einstieg in Digitalisierungsprojekte finden. Einen ähnlichen Weg beschreiten wir in Zusammenarbeit mit dem RUZ, dem Raiffeisen Unternehmerzentrum. Gemeinsam möchten wir Unternehmen unterstützen und geldgebende Finanzinstitute sensibilisieren, wenn es um die Finanzierung digitaler Projekte geht. Eine weitere zentrale Frage für die Unternehmen ist der zunehmende Fachkräftemangel, auch und gerade wenn man in Richtung Digitalisierung blickt. Hier geht es unter anderem um die Fragen: Habe ich das richtige Personal? Falls nein: Wie kann ich mein Personal in diese Richtung schulen?

 

Ist die MEM-Branche überhaupt noch attraktiv genug für junge Menschen, die vor ihrer Berufswahl stehen?

Klar sind wir das! Gerade die digitale Transformation bietet Chancen: Sie ist bei uns bedeutend weiter fortgeschritten als im Detailhandel und im Finanzbereich. Auch im internationalen Vergleich ist die Schweizer MEM-Industrie in der Digitalisierung sehr weit vorne. Entsprechend sicherer sind unsere Jobs. Ausserdem will die junge Generation zunehmend sinnstiftende Arbeit leisten. Und wo bekommen sie dazu mehr Gelegenheit als in einem innovativen Umfeld wie es die MEM-Industrie bietet? Wir schaffen Lösungen für die Herausforderungen der heutigen Zeit. Sei es im Bereich E-Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz oder auch Künstliche Intelligenz für Roboter im Pflegeeinsatz. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen Blick auf unsere  Webseite «find-your-future.ch» zu werfen. Wo wir noch bedeutendes Potenzial haben, das gebe ich offen zu, ist, diese Perspektive auch – jungen – Frauen zu vermitteln.

 

Ich nehme an, daran wird gearbeitet ...

Daran arbeiten wir genauso wie an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Integration von älteren Mitarbeitern über ihr Pensionsalter hinaus. Neu ist auch, dass wir im aktuellen GAV die MEM-Passerelle verankert haben, die für Menschen aus einem anderen beruflichen Umfeld die Brücke für einen nachhaltigen Umstieg in die MEM-Industrie baut. Denn dort werden händeringend Fachkräfte gesucht, während sie anderswo freigesetzt werden.

 

Trotz dieser vermeintlichen Attraktivität ist nicht erst seit dem 15. Januar 2015 die Diskussion entbrannt, ob der Werkplatz Schweiz nicht austrocknet, also über eine Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland seine Bedeutung verliert.

Diese Diskussion in Richtung Verlagerung gibt es immer wieder und zwar aus drei Gründen: Einerseits Kosten, dann die Nähe zum Kunden und drittens ein möglichst guter Zugang zu den Märkten. Blicken wir auf die Kosten, dann sehen wir, dass diese Diskussion in den letzten Jahren etwas abgeflacht ist. Zudem: Wenn wir die Anzahl Beschäftigte in der MEM-Industrie über die vergangenen zwanzig Jahre betrachten, so ist sie trotz grossen Schwankungen unter dem Strich stabil geblieben. Der Trend zur Digitalisierung sowie die unternommenen Anstrengungen bei der Produktivitätssteigerung in Richtung Automatisierung oder Lean Production haben dafür gesorgt, dass der Werkplatz Schweiz an Attraktivität, auch im Ausland, gewonnen hat. Zudem haben die Schweizer Unternehmen, die verlagert haben, oft feststellen müssen, dass die Qualität, die sie im Ausland bekommen, teilweise wenig mit Swissness zu tun hat. Wenn man sich dann die finalen Stückkosten ansieht, ist gerade diese Schweizer Qualität, auch im Sinne eines schnellen Time-to-market, für viele Kunden ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium.

 

Kommen wir zu einem anderen Thema, nämlich die Schweizer MEM-Messelandschaft. Da wurde in den letzten Monaten viel Geschirr zerbrochen, denn mit neuen Messen wie die «Industrialis» oder die «Ble.ch» sind bewährte Messekonzepte wie die «Prodex» unter Beschuss geraten. Wo positioniert sich Swissmem in dieser Frage?

Generell werden nicht nur in unserer Branche bisherige Konzepte von Fachmessen hinterfragt. Wir gehen aber davon aus, dass Branchenmessen weiterhin eine zentrale Bedeutung haben werden. Sicherlich ist aufgrund der Grösse der Schweiz eine Fokussierung der Messelandschaft notwendig. Es ist auch kein Geheimnis, dass sich Swissmem aktiv für das Messeduo Prodex und Swisstech einsetzt. Wie es nach der aktuellen Durchführung im Mai weitergehen wird, kann ich jetzt allerdings noch nicht darlegen. Nur eines ist sicher: Messen braucht es auch in Zukunft, und wir denken, dass die Prodex die für unsere MEM-Industrie relevante Messe ist.

 

«Wir denken, dass die Prodex die für die MEM-Industrie

relevante Messe ist.»

 

In Zusammenhang mit der leidigen Messefrage ist auch eine gewisse Eintrübung im Verhältnis der beiden grossen MEM-Verbände Swissmem und Swissmechanic zu beobachten gewesen. Nun amten in beiden Direktoriumsposten neue Personen. Was denken Sie: Geht damit auch eine gewisse Entspannung einher?

Aus Sicht von Swissmem gibt es ein Ziel und das lautet: Wir unterstützen unsere Unternehmen sowie die MEM-Industrie und den Werkplatz Schweiz. Ich bin überzeugt, dass Swissmechanic das gleiche Ziel verfolgt. Gemeinsam geht das immer besser. Deshalb ziehen wir in verschiedenen Bereichen wie bei der Berufsbildung am gleichen Strick.

 

Die persönliche Frage zum Abschluss: Über welche Erfolge in Ihrer Amtszeit würden Sie sich am meisten freuen?

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich unterstützt von meinen hervorragenden Kollegen aus der Geschäftsstelle und den Leitungsgremien einen Beitrag leisten kann, dass möglichst viele Unternehmen die vor uns liegenden gewaltigen Herausforderungen der digitalen Transformation erfolgreich meistern und als Folge davon viele zusätzliche Jobs im MEM-Umfeld geschaffen werden können. Denn die Industrielandschaft der Schweiz ist zentral für unseren Wohlstand und die Stabilität. Es ist eine absolute Zukunftsbranche.

 

swissmem.ch