chevron_left
chevron_right

Absolut rein – oder alles für die Katz

Wer die Prozesskette der Präzisionsteilefertigung unter die Lupe nimmt, der erkennt schnell, dass jeder mechanische Aufwand im Mikrometerbereich verpufft, wenn der Gesamtprozess nicht von einer optimalen Reinigungslösung flankiert wird. Dem gegenüber steht, dass die industrielle Teilereinigung mehr oder weniger im Schatten von Werkzeugmaschine, Präzisionswerkzeuge & Co. ihr Dasein fristet. Wirft man allerdings einen Blick auf die einschlägigen Fachmessen wie die Parts2clean, staunt sogar der Experte, was sich in diesem Bereich tut.

Tauchen wir in die Herstellung von Präzisionsbauteilen ein, dann dreht sich erst einmal alles um die maximal mögliche Präzision, welche die Bearbeitungsmaschine der Wahl ermöglicht, dann gilt der Blick der Bearbeitungsstrategie, dem Werkzeug, dem Spann-, Kühl- und Messsystem. Jetzt folgt auf dem Fuss das in engen Grenzen stabile Raumklima, das erst die höchste, sicher wiederholbare Präzision ermöglicht. Und dann, wenn das Bauteil aus der Maschine kommt?

 

Genau das ist der Moment, in dem man den ganzen vorher geleisteten Aufwand den Bach runter spülen kann, wenn nicht eine optimal abgestimmte Reinigungslösung zum Zug kommt. Denn bei Präzisionsteilen ist die Einhaltung strenger Sauberkeit von einem Mikrometer und darunter sowie das Erfüllen strengster Spezifikationen hinsichtlich filmisch-chemischer Oberflächenkontaminationen gefordert. Diese Vorgaben müssen in der Serienfertigung zwingend prozesssicher erfüllt werden, was eben nur mit der adäquaten Abreinigung gelingt.

 

Branchen- und teilespezifisch kommen Ausgasungsgrenzwerte von flüchtigen, organischen und anorganischen Verunreinigungen im Atomprozentbereich als Sauberkeitskriterium hinzu. Es handelt sich dabei einerseits um Bauteile mit häufig komplexer Geometrie für Hightech-Branchen wie die Medizin- und Messtechnik, Mikro- und Sensortechnik, Halbleiter-Zulieferindustrie und Elektronik.

 

Auf der anderen Seite stellen veränderte Komponenten, beispielsweise für die Elektrifizierung des Antriebsstrangs oder von Lösungen für Fahrerassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren, neue und höhere Anforderungen an die Teilereinigung. In der Folge werfen wir einen Blick auf diese Trends und die dafür aktuell geeignetsten Reinigungsprinzipien und -Lösungen.

 

Grundvoraussetzung: «saubere» Vorprozesse

So unterschiedlich die Werkstücke, Einsatzbereiche und Sauberkeitsspezifikationen auch sein mögen, die Bauteilreinigung ist bei der Herstellung von Präzisionsteilen eine der anspruchsvollsten Aufgaben innerhalb der Produktionskette. Um die spezifischen Anforderungen an die Bauteilsauberkeit stabil erfüllen zu können, ist ein adäquater Eingangszustand erforderlich. Dies beinhaltet unter anderem Güte und Sauberkeit der vorgelagerten Bearbeitungsschritte, das Oberflächenfinish und die Entgratqualität. Ein weiterer Aspekt ist, dass bei Zerspanungs-, Umform- und Oberflächenveredelungsprozessen Organik in Innenradien eingearbeitet wird oder es beispielsweise durch Strahlprozesse zu einem Eintrag fremder Anorganik kommen kann. Darüber hinaus spielen definierte Umgebungs- und Handlingsbedingungen eine wichtige Rolle.

 

Nasschemische Feinstreinigung

Die Präzisionsreinigung erfolgt nach wie vor überwiegend in nasschemischen Verfahren. Wie bei allen nasschemischen Reinigungsprozessen bilden in Chemie, Anlagen- und Verfahrenstechnik, Medienaufbereitung sowie Mess- und Prüftechnik optimal an die Aufgabe angepasste Verfahren die Basis, um das geforderte Ergebnis prozesssicher zu erreichen.

 

Bei der Auswahl empfiehlt es sich ein Augenmerk darauf zu haben, dass Ausformungen wie Hinterschnitte, Sacklochbohrungen, Kapillar-, Lumen- beziehungsweise Porenstrukturen von geometrisch komplexen Bauteilen die Wirkung der Reinigungsmedien und -verfahren beeinflussen. Eine Herausforderung stellen auch Sintermetall- und additiv gefertigte Komponenten dar. Denn Reinigungsmedium und Waschmechanik gelangen teilweise nur schwer in bestimmte Bereiche, so dass ein Medienaustausch nur bedingt stattfindet.

 

Abhilfe können hier beispielsweise Ultraschallreinigungslösungen schaffen, bei denen mit mehreren aber auch mit höheren Frequenzen als sie bisher in Standardvefahren üblich sind – beispielsweise 58, 80 und 132 kHz – und in Kombination mit Vakuum gearbeitet wird. Das Vakuum verstärkt den Kavitationseffekt der Ultraschallwellen und damit die Reinigungswirkung: Ein weiteres Verfahren für diese herausfordernden Aufgabenstellungen ist die zyklische Nukleation (CNp). Das Verfahren basiert ebenfalls auf dem physikalischen Effekt der Kavitation, die hier mit einem asymmetrischen Volumenstrom kombiniert ist. Bei eingearbeiteten Kontaminationen kann die Waschmechanik nur unterstützend wirken. Die Entfernung erfolgt daher häufig durch einen gezielten nasschemischen Oberflächenangriff in wasserbasierten Prozessen mit einem entsprechend ausgelegten Reinigungsmedium.

 

Eine Ausstattung für die kontinuierliche Kontrolle und Erfassung von Anlagen- und Prozessparametern ist bei nasschemischen Anlagen für die Präzisionsreinigung häufig schon Standard. Messsysteme für die permanente In-line-Überwachung und Steuerung der Reinigungsbäder ermöglichen nicht nur die exakte Dokumentation der Zustände während der Reinigung, sondern auch die bedarfsgerechte, automatische Reinigernachdosierung.

 

Lösungen für die trockene Präzisionsreinigung

Für Aufgaben in der Präzisionsreinigung werden zunehmend auch trockene Verfahren wie beispielsweise die Druckluft-, Plasma-, und CO2-Schneestrahlreinigung eingesetzt. Ausschlaggebend dafür ist einerseits, dass Bauteile sowohl ganzflächig als auch selektiv gereinigt werden können. Andererseits gibt es die Möglichkeit, diese Reinigungslösungen abgestimmt auf die spezifischen Anforderungen zu automatisieren und in Fertigungslinien zu integrieren.

 

Beim Einsatz von aufbereiteter Druckluft ist die Art der Applikation entscheidend für die Qualität der Reinigung. Um eine optimale Luftführung und damit bestmögliche Reinigungswirkung zu erzielen, wird unter anderem mit Strömungssimulationen für die einzusetzenden Düsen gearbeitet. Darüber hinaus ermöglicht die additive Fertigung die Herstellung eines angepassten Düsenkörpers mit unterschiedlichen Düsenfunktionen.

 

Mit der Plasmareinigung lassen sich dünne organische Restkontaminationen entfernen. Die Oberfläche wird dabei gleichzeitig gereinigt und aktiviert. Diese Doppelfunktion beruht auf einer physikalischen und chemischen Reaktion innerhalb des Verfahrens, durch die eine Erhöhung der Oberflächenenergie erreicht wird. Die Verwendung so genannter «kalter» Plasmaquellen ermöglicht es auch, temperatursensible Werkstoffe zu behandeln.

 

Die CO2-Schneestrahlreinigung erfolgt mit flüssigem Kohlendioxid, das als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen oder bei der Energiegewinnung aus Biomasse entsteht und für den Reinigungsprozess aufbereitet wird. Es wird durch eine verschleissfreie Zweistoffring-Düse geleitet und entspannt beim Austritt zu feinen CO2-Kristallen. Diese werden durch einen ringförmigen Druckluft-Mantelstrahl gebündelt und auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt. Beim Auftreffen des Schnee-Druckluftstrahls auf die zu reinigende Oberfläche, kommt es zu einer Kombination aus einem thermischen, einem mechanischen, einem Sublimations- und einem Lösemitteleffekt. Durch diese vier Wirkmechanismen entfernt das Verfahren partikuläre und filmische Verunreinigungen prozesssicher und materialschonend, so dass es auch für empfindliche und fein strukturierte Oberflächen eingesetzt werden kann. Für die bauteilindividuelle Überwachung der Strahlqualität stehen  auf dem Markt bei einzelnen Anbietern bereits innovative Sensorsysteme zur Verfügung. Die kontinuierliche Kontrolle der Reinigungsparameter erfolgt bei minimalem Digitalisierungsaufwand direkt am Werkstück. Die ermittelten Werte können als digitale Informationen an übergeordnete Systeme übermittelt werden.

 

Mit vakuumbasierten Ausheizsystemen kann der letzte Reinigungsschritt bei Präzisionsbauteilen ebenfalls trocken durchgeführt werden. Restkontaminationen atmosphärischer Bestandteile werden dabei durch Temperatureinwirkung von der Oberfläche gelöst. Vakuumpumpen fördern die abgelösten Teilchen aus dem System. Eine modulare Konfiguration hinsichtlich Hardware und Software ermöglicht Lösungen, die auf den Kundenprozess und die Bauteile ausgelegt sind.

 

Unabhängig davon, mit welchem Verfahren auch immer die hier angesprochen Präzisionsbauteile gereinigt werden, ein Blick auf die Logistikkette ist zusätzlich unbedingt erforderlich. Die grosse Frage lautet: Ermöglicht sie, dass die Teile im hohen Sauberkeitszustand zum nächsten Schritt transportiert werden können? Ist dies nicht der Fall, gefährdet dies wie ganz zu Beginn des Beitrags bereits erwähnt, nichts weniger als den Erfolg des Produkts.  (msc)

 

parts2clean: Deutsche Messe

DE-30521 Hannover, Tel. +49 511 89-0

info@messe.de

messe.de