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«Wandel vom Produkte- zum Lösungsanbieter»

Seit 1. Januar leitet Martin Kluge die Geschäfte der Schunk Intec AG. Das Profil der Schweizer Niederlassung des weltweit tätigen und führenden Anbieters von Greifsystemen und Spanntechnikkomponenten hat sich in dieser Zeit deutlich verändert, weg vom reinen Produkteverkauf hin zum ganzheitlichen Dienstleister für Automatisierungs- und Spanntechniklösungen. Im Gespräch mit TR-Chefredaktor Wolfgang Pittrich skizziert der neue Geschäftsführer den Veränderungsprozess und gibt Auskunft zu kommenden Aufgaben und Herausforderungen, speziell, wenn es um den Werkplatz Schweiz geht.

Herr Kluge, Sie sind seit knapp zehn Jahren für die Schunk Intec tätig und amten seit 1. Januar als Geschäftsführer in Nachfolge von Roland Ramp. Was hat sich seither verändert?

Wir befinden uns mitten in einem Generationenwechsel. Die letzten zwei Jahre haben sich einige bewährte Mitarbeiter in den Ruhestand verabschiedet; das war für uns ein harter Prozess. Auf der anderen Seite sind wir ganz bewusst das Thema Umstrukturierung angegangen, auch in enger Abstimmung mit dem Stammhaus in Deutschland. Was hat sich bisher verändert? Wir haben acht neue junge und sehr engagierte Mitarbeiter gewinnen können.

 

Ich bin verwundert, dass Sie anscheinend keine Probleme haben, neue Stellen zu besetzen.

Ich gebe zu, ich war auch überrascht von den vielen Anfragen, die uns erreicht haben. Das spricht für uns. Was den jungen Leuten gefällt, ist die neue Arbeitswelt, die wir praktizieren. Wir agieren sehr dynamisch; wir sind in vielen Branchen unterwegs, und Schunk als Arbeitgeber ist innovativ und entwicklungsfreudig. Auf der anderen Seite befruchten diese neuen Mitarbeiter auch unsere Arbeit, denn sie leben die Dienstleistung, sind extrem motiviert und möchten gesteckte Ziele auch schnell erreichen.

 

Ihr Amtsantritt war dann auch eine Zäsur für die Firmenkultur im Unternehmen?

Das kann man so sagen. Wir sind von der klassischen Führungshierarchie weggegangen, hin zum agilen Teamwork, zum lösungsorientierten Vertrieb. Das heisst, bei uns sitzen Kunde, Projektmanager und Produktspezialisten zusammen an einem Tisch und ringen um die technische Lösung, die für den Kunden einen technologischen und wirtschaftlichen Mehrwert bringt. Denn was sucht der Anwender heute, wenn er in ein neues Produkt oder in dessen Fertigung investieren muss? Er sucht nicht die Automatisierungskomponente, sondern er sucht Ideen, wie er diese Herausforderung ganzheitlich und zukunftsorientiert lösen kann. Mein Ziel ist daher, dass wir auch in der Schweiz das Ziel unterstützen, in den beiden Bereichen Greifsysteme wie auch Spanntechnik der weltweite Kompetenzführer zu bleiben. Das geht von der Idee über die Lösung bis hin zum After-Sales-Service.

 

«Der Roboter ist ein hochattraktives Automatisierungsmedium, an dem eigentlich gar kein Weg mehr vorbeiführt.»

 


Bleiben wir in der Gegenwart. Wo positioniert sich Schunk Intec heute?

Wir bedienen zwei Hauptsegmente: Die Spanntechnik mit Produkten zum Spannen von Werkstücken und Werkzeugen im Bereich zerspanende Bearbeitung und die Greifsysteme. Darunter laufen Robotergreifer genauso wie Dreh- und Linearmodule oder Produkte für die modulare Montageautomation. Wenn wir die Greifsysteme betrachten, kann ich voller Stolz sagen, dass wir in den letzten zehn Jahren in der Schweiz bei Robotergreifern und -greiferzubehör den Rang des Platzhirsches erarbeitet haben. Wir bieten hier ein so breites Portfolio für sehr viele Branchen, wie es kein anderer Anbieter macht.

 

Nimmt der Roboter heute eine andere Position ein als noch vor ein paar Jahren, wenn es um das Thema Automatisieren geht?

Wir haben es mit einem markanten Paradigmenwechsel zu tun. Noch vor rund zehn Jahren hatte der Roboter in Verkaufsgesprächen kaum eine Rolle gespielt, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Heute wird kaum noch über den Preis gesprochen; die Anwender sind auch viel mutiger geworden. Sie sehen mittlerweile den Mehrwert, den der Roboter bietet und beziehen ihn immer öfters bereits bei der ersten Investitionsüberlegung in eine Maschine oder Anlage aktiv mit ein. Denn: Sein grosser Vorteil ist der flexible Einsatz. Stirbt ein Prozess, kann ich den Roboter sofort für den nächsten Einsatz teachen. Ich kann neue Anwendungen einbinden, die ich heute noch gar nicht kenne. Dazu passt seine hohe Langlebigkeit. Der Roboter ist ein hochattraktives Automatisierungsmedium, an dem eigentlich gar kein Weg mehr vorbeiführt.

 

Gilt das auch für die digitale Transformation? Ich zitiere hier Ihren CEO Henrik Schunk, der die Losung ausgegeben hat: «Smart beladen. Smart bearbeiten. Smart vernetzen». Erleben wir jetzt das Jahrzehnt der smarten, also intelligenten Automatisierung?

Wir befinden uns aktuell in einer Übergangsphase. Viele Unternehmen suchen immer noch nach ihrem Weg, wenn es um die digitale Transformation geht. Die smarten Lösungen werden zunehmend nachgefragt.

 

Und warum soll es gerade eine Lösung von Schunk sein?

Nehmen Sie das Beispiel «iTendo», Herr Pittrich. Damit ist es uns gelungen, die herausragenden Eigenschaften eines Hydrodehn-Spannfutters mit der Intelligenz einer smarten Prozessüberwachung zu kombinieren, unter anderem durch Analyse des Schwingungsverhaltens ...

 

Das machen Werkzeugmaschinenspindeln auch.

Der Vorteil ist, dass unsere Produkte, egal ob Greifer oder Spannmittel, immer vorne am Prozess installiert sind, also ganz nahe am Geschehen, das man detektieren möchte. Eine Spindel ist viel zu weit weg davon, um gesicherte Aussagen darüber treffen zu können, was gerade aktuell an der Schneide passiert. Zudem wird das Ergebnis extrem beeinflusst von der Qualität des Werkzeughalters. Wir sind also prädestiniert dafür, smarte, intelligente Produkte zu entwickeln, um einen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen. Aber das ist eben nur eine Wahrheit.

 

Sie machen mich neugierig. Welche Wahrheiten gibt es daneben noch?

Es werden zwar immer mehr Maschinendaten gesammelt. Wir erkennen aber auch, dass die Produkte der Kunden immer komplexer werden, die Bearbeitungsansprüche höher und der Dokumentations- und Zertifizierungsaufwand zunimmt. Diese einzelnen Strömungen zusammenzuführen ist nicht einfach. Dem klassisch-mechanischen Produkt fehlt die elektronische Komponente, aber bei den neuen smarten Produkten merken die Unternehmen plötzlich, dass sie gar nicht die Softwarekompetenz und das notwendige Personal dafür haben, um sie effektiv einsetzen zu können. Die Umsetzung hin zur smarten Automatisierung ist deutlich komplexer als es die diskutierten Trendthemen erscheinen lassen.

 

Da kommt mir sofort die Frage in den Sinn: Welche Rückschlüsse könnten sich daraus für zukünftige Automatisierungsmodelle in der Schweiz ableiten lassen?

Wir hatten in den letzten Jahren eine Phase, in der wir erlebt haben, dass die Unternehmen sehr schlank automatisieren wollten. Die Wirtschaftlichkeit stand im Vordergrund. Das bezieht sich nicht nur auf die Schweiz, sondern gilt global. Dabei haben nicht wenige erkannt, dass vielleicht doch eher die intelligente Automatisierung zielführend ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dass man also eine Automatisierungslösung braucht, die nicht nur einen Vorgang bearbeiten kann, sondern viele; also flexibel einsetzbar ist. Die Diskussionen der letzten Jahre in Richtung Industrie 2025 oder kollaborative Robotik haben ebenfalls zu diesem Bewusstseinswandel beigetragen.

 

Das meint aber auch: In einem Hochlohnland wie die Schweiz wird es ohne Automatisierung immer schwieriger, wettbewerbsfähig zu produzieren?

Unternehmen, die weitsichtig automatisiert haben, zeigen ja, dass und wie es geht. Ich nenne hier nur als Beispiel die Schunk-Tochterfirma Gressel AG in Aadorf, die beweist, dass in der Schweiz wettbewerbsfähige Produkte für den Weltmarkt hergestellt werden können. Man muss allerdings die Vision und den Mut haben, diesen Weg zu gehen. Die Losgrössen werden immer kleiner, die Aufträge immer weniger vergleichbar. Wenn ich jetzt die Chance habe, bei einer Anfrage von vielleicht 150 Stück auch noch eine intelligente Automatisierung umzusetzen, ohne dass ich dafür erst zehn Angebote einholen muss, dann habe ich schon gewonnen. Und diese Verantwortung kann ich als Unternehmen eigentlich nicht mehr vollumfänglich dem Maschinenanbieter oder Integrator überlassen. Da muss ich schon eigenverantwortlich agieren, um diesen Prozess in den Griff zu bekommen ...

 

Oder man greift auf einen Dienstleister wie Schunk zurück, um sich für die Zukunft fit zu machen.

Deshalb katapultiert es uns auch immer mehr nach vorne am Tisch des Kunden. Damit ist auch ein grosser Wertewechsel verbunden, wenn man als Anbieter von Komponenten vorstösst in Richtung Lösungsanbieter. Dass wir mittlerweile als seriöser Partner empfunden werden, zeigen auch Anfragen, ob wir nicht die eine oder andere Herstellerempfehlung abgeben könnten. Wenn überhaupt, geht das nur über den Weg, Kundenprozesse noch intensiver zu analysieren. Dazu gehört auch, dass unsere Mitarbeiter, die mit den Kunden in engem Kontakt stehen, über entsprechendes Wissen verfügen.

 

Wie qualifizieren Sie Ihr Team?

Wir haben in den Schunk-Werken ideale Möglichkeiten, uns Know-how anzueignen. Es ist immer wieder spannend zu sehen, was wir aus dieser vielschichtigen Welt an Ideen generieren können, für die Umsetzung beim Kunden. Daraus wiederum entsteht ein tolles Netzwerk. Vor allem in der Schweiz, wo sehr viele hochinnovative Anbieter in Nischen unterwegs sind, ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

 

«Die Schweiz mutiert immer mehr zum Forschungsstandort. Für mich schlägt das Entwicklungsherz von Europa in der Schweiz.»

 

 

Apropos Schweiz: Schunk Intec wurde vor ziemlich genau 30 Jahren als zweite Auslandsniederlassung von Schunk gegründet. Wie wichtig war und ist der Schweizer Markt für das Gesamtunternehmen?

Er ist enorm wichtig. Das hat nie nachgelassen. Es war von Anfang an klar, dass man hier in einem Markt präsent sein wollte, der bestückt war mit Innovationsführern aus dem Werkzeugmaschinenbereich. Das hat sich über die Jahre ein wenig verändert. Für uns sind inzwischen neue, wichtige Branchen dazugekommen wie die Lebensmittel-, Uhren- oder Pharmaindustrie. Und die Schweiz selbst mutiert immer mehr zum Entwicklungs- und Forschungsstandort. Hier herrscht ein aufregendes Klima an jungen Startups und Forschenden, wie wahrscheinlich sonst nirgends in Europa. Für mich schlägt das Entwicklungsherz von Europa in der Schweiz. Da ist es fast selbstverständlich, dass Schunk als Technologieführer und Vorreiter für neue Technologien mit Schunk Intec das Ohr am Puls der Entwicklung hat, um zu sehen, was in fünf oder zehn Jahren abgeht.

 

Das bedeutet im Umkehrschluss, von der Tätigkeit von Schunk Intec profitiert auch die Konzernmutter in Deutschland?

Auf jeden Fall. Ich sehe es auch als Teil meiner Funktion, als Sparringspartner für die Vermittlung von neuen Technologien zur Verfügung zu stehen. Man wird deshalb in den nächsten Jahren auch eine ganz andere Aussenwirkung von Schunk Intec erleben: Unsere Kunden bauen in der Schweiz die besten und innovativsten Produkte weltweit. Und in diesem Umfeld wollen und werden wir mit wegweisenden Ideen und Lösungsvorschlägen präsent sein. 

 

Schunk Intec AG

8307 Effretikon, Tel. 052 354 31 31

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