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Management

«Orientierung für KMU wird schwieriger»

Im Jahr 2015 gründeten die Verbände Swissmem, SwissT.net und Asut die Plattform «Industrie 2025», mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz zu stärken und den Herausforderungen der produzierenden Industrie in der Schweiz zu begegnen. Insbesondere sollte die Initiative Schweizer KMU rund um Themen wie Industrie 4.0 informieren, sensibilisieren, und deren Vernetzung fördern. Im Interview mit der «Technischen Rundschau» gibt Philip Hauri, Leiter der Plattform, einen Überblick über den aktuellen Stand.

Herr Hauri, beim Start der Plattform im Jahr 2015 lauteten die Herausforderungen der produzierenden Industrie in der Schweiz stichwortartig etwa so: Frankenstärke, teurer Werkstandort wegen hoher Löhne, immer stärker globalisierter Wettbewerb, Fachkräftemangel. Hat sich an diesen Voraussetzungen seit 2015 etwas geändert?

Der Fokus der Initiative «Industrie 2025» liegt auf dem Thema Industrie 4.0 für produzierende KMU. Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Werkplatzes gibt es natürlich noch ganz viele andere Themen. Wir sind aber überzeugt, dass Industrie 4.0 Nutzenpotentiale für jedes Unternehmen bereithält und so einen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Herausforderungen leisten kann. Alle oben erwähnten Themen sind aus meiner Sicht nach wie vor aktuell. Erschwerend hinzu kommen sicher gewisse Handelsstreitigkeiten, der Brexit, die Unsicherheit bezüglich dem Rahmenabkommen und die allgemeine Abkühlung der Weltwirtschaft. Zudem hat die Vielzahl an Industrie-4.0-Lösungen und -Anbieter zugenommen. Die Orientierung für die Unternehmen wird schwieriger. Wenn ich noch eine etwas pauschale Aussage für KMU wagen darf: Der Frankenschock und das resultierende Margendefizit konnte in den vergangenen Jahren mit vollen Auftragsbüchern wieder verbessert werden. Damit einhergehend waren aber die personellen Ressourcen stark im Tagesgeschäft blockiert und standen nur beschränkt für Themen wie Industrie 4.0 zur Verfügung. Ich hoffe, dass in den kommenden vielleicht etwas schwierigeren Zeiten die personellen Ressourcen nicht eingespart, sondern wieder vermehrt auf solche Themen gelenkt werden.

 

Die Initiative trägt das Jahr 2025 im Namen, was wohl den Zeithorizont absteckt, innerhalb dessen gewisse Ziele erreicht werden sollten. Jetzt haben wir knapp den halben Zeitraum bis dahin hinter uns. Haben sich die Ziele seither verändert?

Wir verstehen uns seit der Gründung als neutrale Wissenstransfer- und Netzwerkplattform. In unserer Strategie haben wir 14 strategische Stossrichtungen definiert. Diese sind recht generisch formuliert, haben aber nach wie vor Gültigkeit, wie etwa: «Wir geben Übersicht über die Industrie-4.0-Aktivitäten in der Schweiz». Hinzu kommt eine jährliche Planung unserer Aktivitäten. Eine Veränderung finde ich trotzdem erwähnenswert: In den ersten Jahren von Industrie 2025 ging es vor allem darum, möglichst viele produzierende Unternehmen grundsätzlich vom Nutzenpotential der Digitalisierung zu überzeugen. Mittlerweile zielen wir mit unseren Angeboten mehr und mehr auf das einzelne Unternehmen ab und bieten Orientierung bei konkreten Problemstellungen. Dies in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Wir machen jedoch bewusst keine Umsetzungsprojekte.

 

Gibt es eine konkrete Roadmap für die Initiative?

Wie erwähnt, machen wir jeweils eine Jahresplanung auf Basis der strategischen Stossrichtungen; also gibt es eine konkrete Jahres-Roadmap. Wir müssen uns im vorgegebenen Rahmen stets neu erfinden und dazu Verschiedenes ausprobieren, um unsere Zielgruppe möglichst effektiv und effizient bedienen zu können. Zudem verstehen wir uns selber als Start-up, welches auf der Suche nach dem bestfunktionierenden Geschäftsmodell ist.

 

Wie hat sich die Initiative entwickelt und wo steht man heute?

Wir haben innerhalb der letzten vier Jahre Bekanntheit bis nach Bundesbern und über die Landesgrenzen hinaus erlangt. Inzwischen kommen kleine, aber auch namhafte Indus-trieunternehmen, sowie diverse andere Akteure mit konkreten Problemstellungen auf uns zu. Entweder wir helfen direkt oder vermitteln geeignete Kontakte. Ein wesentliches Element von Industrie 2025 sind unsere Partner. Wir haben es geschafft, eine Community mit sehr engagierten Partnern aufzubauen. Mit ihrer breitgefächerten Expertise helfen sie uns in der Erarbeitung neuer Themenfelder und dem Aufbau von Dienstleistungen. Oder sie bringen ihren Erfahrungsschatz in Workshops oder Expertenrunden mit Industrieunternehmen ein. Unser Ziel war es immer den KMU konkrete Dienstleistungen rund um das Thema Industrie 4.0 anbieten zu können. Mittlerweile haben wir in Zusammenarbeit mit Partnern, Hochschulen und Industrieunternehmen eine breite Palette an verschiedenen konkreten Angeboten erarbeitet. Im Weiteren sind wir stolz auf unsere beiden sehr gut etablierten Leuchtturm Events: Industrieforum 2025 und F+E Konferenz zu Industrie 4.0.

 

Welches waren die grössten zu überwindenden Herausforderungen beim Umsetzen der Initiative?

Wir hatten zuerst einmal die üblichen Widrigkeiten eines ganz normalen jungen Kleinunternehmens mit sehr engem Budget und wenig Ressourcen zu bewältigen. Was wir sicher unterschätzt haben, war die Bekanntmachung des Brands «Industrie 2025». Es braucht einfach seine Zeit und grosse Anstrengungen unsererseits, bis der Mehrheit der Zielgruppe die Existenz und der Nutzen von Industrie 2025 bekannt ist. Die Unternehmen sind eher zurückhaltend und müssen erst Vertrauen zu einer Organisation aufbauen. Das gilt auch gegenüber uns, obwohl starke Verbände involviert sind. Ein weiterer Punkt aus meiner Sicht ist die Beweglichkeit der Unternehmen. Die Agenden der KMU-Vertreter sind stark verplant. Sie sehen sich einem sehr grossen Veranstaltungsangebot gegenüber, müssen sich aber auf eine minimale Anzahl beschränken. Zudem beschränkt sich das Einzugsgebiet auf eine Anreisedauer von maximal 30 bis 40 min. Mit unseren limitierten Ressourcen können wir somit leider nur einen Teil unserer Zielgruppe bedienen. Eine weitere Herausforderung ist unser Partnermodell, das man auch als Milizsystem betrachten kann. Die Partner engagieren sich freiwillig und haben unsere Anliegen nicht immer auf der obersten Prioritätsstufe, was ich absolut verstehe. Das verzögert zum Teil unsere Vorhaben.

 

Wo steht man heute in Bezug auf diese Herausforderungen ?

Wenn ich die Frage auf uns beziehe, lautet die Antwort: Wir versuchen einerseits mit regional etablierten Organisationen zusammenzuarbeiten. Andererseits arbeiten wir gerade an einem Relaunch unseres Onlineangebots mit entsprechender Funktionalitätserweiterung. Zudem wollen wir vermehrt mit Einzelfirmen arbeiten. Und nicht zuletzt müssen auch wir entsprechendes Marketing betreiben. Bezogen auf die Unternehmen lautet sie: Es gibt immer noch grosse Unterschiede bei den Unternehmen. Ich denke aber, dass man grundsätzlich mit der Umsetzung schon noch einen Zacken zulegen könnte. Zum Teil vergehen vom Erstkontakt bis zu einem eintägigen Orientierungs-Workshop mit einem Unternehmen bis zu zwölf Monate.

 

Was muss aus heutiger Sicht noch überwunden werden?

Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmen proaktiver aufeinander zugehen und so mehr voneinander lernen würden. Es ist schon sehr Vieles umgesetzt worden, teils erfolgreich, aber teils auch mit Misserfolgen behaftet. Durch den Austausch wird die Lernkurve steiler. Dazu bieten wir Gefässe.

 

Was möchten Sie in Bezug auf die Initiative noch erreichen?

Wir möchten unsere Angebote mit den sich verändernden Bedürfnissen der Industrie weiterentwickeln und ausbauen. Industrie 4.0 ist hochdynamisch und braucht immer wieder thematische Anpassungen. Auch unsere Instrumente müssen wir ständig hinterfragen und anpassen, damit die KMU sie effizient und mit grossem Mehrwert nutzen können. Zudem möchten wir vermehrt einzelnen Industrieunternehmen helfen, Orientierung im Thema zu finden und konkrete Anwendungsfälle zu identifizieren. Dieses Instrument hilft schlussendlich dem KMU am meisten.

 

Welchen wesentlichen Punkt haben wir noch nicht angesprochen?

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns immer noch ziemlich am Anfang dieser industriellen Revolution befinden. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Unternehmen möglichst rasch in kleinen Schritten das Thema aktiv angehen und vor allem die Mitarbeiter auf den stetigen Wandel und die einhergehenden Veränderungen vorbereiten.

 

Initiative «Industrie 2025» c/o Swissmem

8037 Zürich, Tel. 044 384 41 11

industrie2025.ch