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«Anwendungen sind deutlich zahlreicher»

Carbon Composites Schweiz als Teil des europäischen Netzwerks Composites United wurde vor gut sieben Jahren gegründet. Die «Technische Rundschau» sprach mit Geschäftsführer Stève Mérillat über das bisher Erreichte, den momentanen Status quo und zukünftige Ziele.

Herr Mérillat, wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus, wenn Sie auf die Entwicklung des Vereins Carbon Composites Schweiz blicken?

Carbon Composites Schweiz hat sich seit der Gründung Ende 2012 bestens entwickelt. Von damals fünf Mitgliedern konnten wir auf aktuell über 50 Mitglieder in der Schweiz wachsen. Im Netzwerk vertreten sind fast alle Hochschulen und Universitäten, welche in unserem Land im Bereich der faserverstärkten Werkstoffe forschen und arbeiten sowie Firmen vom Kleinst- bis zum Grossunternehmen über die ganze Wertschöpfungskette der Composites-Herstellung.

 

Gab es in diesem Zeitraum besondere Highlights, die ihre Spuren in der Schweizer Industrielandschaft hinterlassen haben?

Mit unseren Aktivitäten, insbesondere mit zahlreichen Veranstaltungen und Kommunikationsleistungen, haben wir die Sichtbarkeit der Branche innerhalb der Schweiz deutlich erhöhen können und gleichzeitig auch die Branche selbst näher zusammengebracht. Dies hat zu zahlreichen Kooperationen und neuen Kundenbeziehungen im In- und Ausland geführt. Die Anwendungen für Composites sind in den vergangenen Jahren deutlich zahlreicher geworden, was einerseits mit dem höheren Bekanntheitsgrad dieser Werkstoffe zu tun hat, andererseits auch mit immer effizienteren Produktionsmethoden und günstigeren Preisen für Carbonfasern. Während früher Carbon fast ausschliesslich in den Bereichen Aerospace, Sport und Defence eingesetzt wurden, sehen wir heute bereits viele Produkte aus Carbon Composites in der Medizintechnik, dem Maschinenbau und im Bauwesen.

 

Wo würden Sie die Schweizer Composite-Branche im Vergleich zum europäischen Wettbewerb verorten?

Die Schweizer Firmen im Bereich Composites sind auch heute noch vorwiegend Nischenplayer, welche ihr Produktportfolio aber in den letzten Jahren teilweise deutlich erweitern konnten, auch dank der Zusammenarbeit mit Hochschulen. Einzelne Firmen verfügen über weltweit einmalige Technologien und konnten diese erfolgreich vermarkten.

 

Sie betonen die Zusammenarbeit mit Hochschulen. Wie sieht es generell im Bereich Aus- und Weiterbildung aus: Gibt es hier Aktivitäten des Vereins?

Mit der Berufslehre zum Kunststofftechnologen – Fachrichtung D, Composites – existiert zwar ein für unsere Branche hervorragend passender Ausbildungsberuf. Allerdings ist es uns nicht gelungen in den letzten Jahren mehr Firmen oder mehr Lehrlinge für diesen Beruf zu gewinnen. Dies ist ein Thema, welches wir in Zukunft gemeinsam mit unseren Mitgliedern verstärkt angehen wollen.

 

Laut aktueller Markterhebung, Stand: August 2019, von Composites Germany scheint sich die Bewertung der Geschäftslage der Composite-orientierten Unternehmen einzutrüben. Gilt das auch für die Schweizer Composite-Branche?

Da Carbon Composite Schweiz keine eigenen Markterhebungen durchführt, kann ich dazu nur ein grobes Stimmungsbild aufgrund von Gesprächen mit einigen unserer Mitglieder abgeben, welches aber allenfalls nicht auf die ganze Branche in der Schweiz zutrifft. Die erwähnte Eintrübung scheint auch in der Schweiz sichtbar zu sein, vor allem bei Firmen, welche als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig sind. In anderen Anwendungsmärkten scheint aber die Nachfrage nach Lösungen aus Composites nach wie vor ungebrochen oder weiterhin steigend. Potenzial sehe ich in verschiedenen Branchen. Insbesondere im Maschinenbau und im Bauwesen gibt es viele Anwendungen, in welchen Composites grosse Vorteile bringen.

 

Apropos Automobilindustrie: Sie scheint die Führungsrolle als Wachstumstreiber für die Composite-Branche anscheinend eingebüsst haben, trotz Trend zur E-Mobiliät. Sehen Sie das auch so?

Die Nachfrage in der Automobilindustrie ist in den letzten beiden Jahren deutlich gesunken, zusätzlich setzen die Hersteller im Moment den Fokus ihrer Entwicklungen auf alternative Antriebe. Dies dürften zwei wichtige Gründe dafür sein, dass im Moment Composites noch nicht vermehrt eingesetzt werden. Ich bin aber überzeugt, dass gerade batterieelektrische Fahrzeuge zwingend leichter gebaut werden müssen und deshalb Composites in dieser Branche noch eine grosse Zukunft haben.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren auf die Composite-Branche zukommen?

In vielen Anwendungen, beispielsweise in der Luftfahrt, werden Composites nach wie vor nicht optimal ausgenutzt, weil die Konstruktionsweisen von metallischen Strukturen übernommen wurden. Durch integrale Bauweise und flächige Fügemethoden wie Thermoplastschweissen oder -kleben kann sowohl der Produktionsaufwand wie auch das Bauteilgewicht deutlich reduziert werden. Hier braucht es noch bessere Zusammenarbeit zwischen den Anwendern und den Composite-Experten. Um deutlich grössere Marktanteile zu gewinnen, müssen die Produktionsmethoden für Composites-Bauteile, aber auch für Fasern, Harze und Halbzeuge noch weiterentwickelt werden, damit die Kosten für den Einsatz von Composites weiter gesenkt werden können.

 

Eine grosse Diskussion trifft aktuell die Kunststoffbranche mit voller Wucht: Die Recycling- oder Nachhaltigkeitsdebatte. Wie positioniert sich die Composite-Branche in dieser Frage? Das wirtschaftliche Recyling von Composites scheint weitgehend ungelöst.

Für das Recycling von Carbonfasern sind schon verschiedene Methoden erfolgreich demonstriert worden und teilweise auch bereits im kommerziellen Einsatz. Mit zunehmenden Mengen, optimierten und auch teilweise komplett neuen Prozessen wird auch die Wirtschaftlichkeit des Recyclings weiter zunehmen. Auch in der Schweiz sind mit unseren Mitgliedsfirmen Innovative Recycling SA, Lugano, und V Carbon GmbH, Villingen, schon Anbieter von Recyclinglösungen präsent.

 

Carbon Composites Schweiz ist von Innosuisse bis 2020 als eines von zehn national thematischen Netzwerken und daher als besonders förderungswürdig eingestuft worden. Wie wird es danach weitergehen?

Innosuisse hat aktuell eine neue Ausschreibung, gennant «NTN Innovation Booster», lanciert, auf welche wir uns wieder bewerben werden. Selbst wenn dieser Antrag nicht erfolgreich sein sollte, wären wir mit den Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen und weiteren Dienstleistungen in der  Lage, das Netzwerk und einen grossen Teil der Aktivitäten auch nach 2021 weiterzuführen.

 

Carbon Composites Schweiz

8406 Winterthur, Tel. 052 520 74 00

steve.merillat@carbon-composites.eu,

 

cc-schweiz.ch