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Technische Rundschau

«Oftmals hilft die externe Sichtweise»

Tanja Vainio, Country President von Schneider Electric Schweiz, zur digitalen Transformation.
Bild: Schneider Electric

Wie können Unternehmen, gerade auch KMU, auf der digitalen Reise unterstützt werden? «Digitale Transformation gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen», sagt Tanja ­Vainio, Country President von Schneider Electric Schweiz. Sie spricht über die Vorteile der digitalen Transformation, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit – und warum sie untrennbar miteinander verbunden sind.

Frau Vainio, lassen Sie uns mit dem Grundsätzlichen anfangen: Die digitale Transformation. Wo stehen wir heute?
Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Position der Schweizer Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken. Die Technologien dafür sind vorhanden und befähigen schon heute zu hochgradig digitalisierten Fabriken mit einem hohen Level an Automatisierung. Wie genau das aussehen kann, machen wir zum Beispiel in der Produktion unseres Tochterunternehmens Feller vor. Hier haben wir in einem teilweise denkmalgeschützten Gebäude eine hochgradig intelligente und agile Produktionsumgebung geschaffen, in der wir selbst kleinste Losgrössen wirtschaftlich rentabel anfertigen können. Mir ist aber auch klar, dass das noch längst nicht überall der ­Standard ist. Initiativen wie ‹Industrie 2025› zeigen jedoch, dass in der Industrie die Bereitschaft, Wissen zu teilen und die digitale Zukunft gemeinsam zu gestalten, längst vorhanden ist. Auch von politischer Seite wird das gestützt. Mit der Strategie ‹Digitale Schweiz 2024› haben wir ­beispielsweise einen klaren Fahrplan, um die digitale Infrastruktur zu stärken und Innovationen zu fördern. Zudem hat der Bundesrat die Themen Cybersicherheit und KI zu Prioritäten für 2024 erklärt.

Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen für Unternehmen auf dem Weg der Digitalisierung?
Eine spannende Herausforderung besteht darin, dass die meisten Fabriken technisch gesehen äusserst vielfältig sind und keine homogene Einheit bilden. Innerhalb ­einer Anlage gibt es oft bedeutende Unterschiede, auch in Bezug auf das Tempo der Modernisierungen. Darüber hinaus stammt die verbaute Hardware in der Regel von verschiedenen Herstellern. Das ist nicht nur eine Herausforderung für die digitale Vernetzung, sondern erschwert auch die Interoperabilität und Modernisierungsvorhaben. Jedes Mal, wenn eine ­Steuerung ausgetauscht wird, besteht die Notwendigkeit, Hardware zu ersetzen, die Querverbindungen neu zu konfigurieren und ein neues Softwareprogramm zu schreiben. Das alles kann man aber mit Offenheit beseitigen und ist genau der Grund, ­warum wir konsequent auf einen offenen Automatisierungsansatz ohne proprietäre Systeme setzen. Die prinzipielle Entkopplung von Hardware und Software – wie in der IT-Welt üblich – ist eine der wesentlichen ­Voraussetzungen und zugleich eine grossartige Chance, die Digitalisierung für Unternehmen zu erleichtern. 

Wie sieht es mit kleinen und mittleren Unternehmen aus? Brauchen diese besondere Unterstützung?
Gerade hier machen sich die genannten Probleme besonders stark bemerkbar. Und oft fällt es schwer, eine wirklich passgenaue Lösung zu finden. Unser Mittelstand ist sehr heterogen aufgestellt und es braucht bei jedem Digitalisierungsprojekt eine eigene Herangehensweise. Wir bei ­Schneider Electric bieten daher auch ein spezielles Consulting an, mit dem wir gerade mittelständische Unternehmen von ­Bestandsaufnahme und Zielsetzung über die Technologieauswahl bis hin zur Umsetzung von Digitalisierungsprojekten eng begleiten. Neben technischen Aspekten stehen dabei immer auch kaufmännische, juristische oder soziale Themen im Fokus – etwa das Changemanagement oder das Enablement. Das ist auch deshalb so wichtig, da KMU meist nicht über die finanziellen Freiheiten wie grössere ­Unternehmen verfügen und sichergestellt sein muss, dass die Projekte ­in-Time und in-Budget umgesetzt werden können.

Schon vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen für den Erfolg der digitalen Transformation von KMU entscheidend sein wird. Hat sich daran etwas geändert?
Zu dieser Aussage stehe ich und sie ist heute aktueller denn je. Denn wir sind ein Jahr weiter und die Herausforderungen haben sich nur geringfügig verändert. Auch heute sind die Energiekosten noch auf einem hohen Niveau und im Kontext der beschlossenen Klimaziele gibt es eine klare Erwartung an die Industrie, CO2 einzusparen. Digitale Transformation ist dafür ein wichtiger Hebel. Wer als Mittelständler eine eigene, wirklich passgenaue Digitalisierungsstrategie entwickeln will, sollte sich daher dringend externe Partner ins Boot holen, denn oft mangelt es aus nachvollziehbaren Gründen an Zeit und Know-how.

Wie genau unterstützen Sie Ihre Kunden denn auf der digitalen Reise?
Wenn Kunden keine eigenen, qualifizierten Mitarbeitenden für die Umsetzung eines Digitalisierungsprojekts oder ­einer Strategie haben, unterstützen wir sie umfassend dabei. Oftmals ist es gerade die externe Sichtweise, die beim Changemanagement hilft und Potenziale aufzeigt. Damit die Umsetzung gelingt, müssen die Mitarbeitenden abgeholt und befähigt werden. Denn digitale Transformation gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Um vielleicht einen ­Aspekt herauszugreifen: Mit unserem starken ­Fokus auf Nachhaltigkeit sind wir zu 100 Prozent darauf spezialisiert, den Wirkungsgrad von Anlagen zu erhöhen. Das ist eine unserer Kernkompetenzen und hat gigantisches Potenzial. Denn mit den richtigen digitalen Technologien lassen sich praktisch überall Einsparungen beim Energie- und Ressourcenverbrauch erzielen. Und dank der von uns angebotenen Kombination aus Hardware, Software, Services und Consulting ist das unseren Kunden meist schon sehr unkompliziert und mit niedrigschwelligen Lösungen möglich. Unser Ansatz ist dabei, Energieverteilung und Produktionsprozesse datentechnisch in einer einheitlichen Softwareumgebung zusammenzubringen. So verstehen unsere Kunden viel besser, wo Ineffizienzen bestehen und wie hoch die Energiestückkosten gerade sind. Aber das funktioniert natürlich nur, wenn mit offenen Standards gearbeitet wird, die eine durchgängige Datenkommunikation ermöglichen.

Herstellerunabhängigkeit und Offenheit werden von Schneider Electric immer wieder besonders betont. Was hat der ­Kunde davon?
Das möchte ich in aller Klarheit beantworten: Digitale IoT-Technologien sind nur dann wirklich praxistauglich und langfristig mit Wettbewerbsvorteilen verbunden, wenn sie offen konzipiert sind. Das liegt schon in der Natur der ­Sache. Denn der Clou am Internet der Dinge ist doch, dass es mit der Vernetzung von allem und jedem möglich ist, völlig neue Synergieeffekte zu nutzen. Oder dass ein ganz neues Mass an Datentransparenz entsteht. Auf Basis ­geschlossener Systeme bleibt dieses Potenzial letztlich immer beschränkt. Und natürlich geht es immer auch um ­Integration und Migration. Denn was passiert, wenn eine Produktreihe eines Tages abgekündigt wird? Wenn ich etwa auf eine neue Steuerungsgeneration umsteigen will oder muss? Stand heute muss ich dann auch wieder alles neu programmieren. Denn wie schon angesprochen: Steuerungshardware und -software sind fast immer hersteller- und generationenspezifisch ­aneinandergebunden. Das macht die Modernisierung oder Skalierung von Anlagen äusserst teuer und mühsam. Bei Schneider Electric sind wir daher schon von Anfang an Mitglied der ­UniversalAutomation.Org, einer Non-Profit-Organisation, die sich ­einer komplett herstellerunabhängigen Automatisierungsweise verschrieben hat. Wie inzwischen auch zahlreiche andere Unternehmen haben wir die Technologie der Org – eine Runtime Execution Engine – in unsere Automatisierungskomponenten implementiert und ermöglichen so, dass Code hersteller- und hardwareunabhängig wiederverwendet werden kann.

Sind solche Innovationen auch der Grund, warum Sie, trotz all der uns umgebenden Krisen, positiv in die Zukunft schauen? 
Absolut. In meiner Rolle bei Schneider Electric sehe ich jeden Tag, welch grossartige technische Lösungen es ­heute schon gibt. Und das ist wirklich sehr ermutigend. Aber klar, die besten Technologien bringen nichts, wenn sie nicht ­implementiert und adäquat genutzt werden. Wichtig ist, dass Digitalisierung heute als elementare unternehmerische Kompetenz verstanden wird – gerade im Mittelstand. Und das schliesst nicht nur das technische Verständnis ein. Es geht auch darum, das gigantische Potenzial für Menschen und Märkte zu verstehen, zum Beispiel in puncto Nachhaltigkeit. Nachhaltiges Wirtschaften ist eine Grundbedingung für den langfristigen Erhalt von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, weil ökologische und ökonomische Vorteile hier zusammenkommen. 

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