Mit dem EU Artificial Intelligence Act (EU AI Act) hat die Europäische Union vor Kurzem das weltweit erste KI-Gesetz beschlossen. Es hat weitreichende Auswirkungen auf alle Unternehmen, die in der EU tätig sind – und damit auch auf viele Schweizer Unternehmen, die eng in die europäische Wirtschaft eingebunden sind.
Allerdings ist das Thema bei ihnen noch nicht so richtig angekommen, wie eine Umfrage des IT-Dienstleisters Adesso zeigt, für die 778 Entscheider aus Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Generativer KI (GenAI) befragt wurden. Zentrales Ergebnis: Lediglich 30 Prozent der Befragten aus der Schweiz geben an, die Inhalte des EU AI Act zu kennen. Dabei wird dieser risikobasierte Regulierungsansatz in fast allen Projekten mit Künstlicher Intelligenz (KI) eine Rolle spielen und voraussichtlich bereits im August 2024 in Kraft treten. Und auch wenn einzelne Bestimmungen erst stufenweise bis 2026 umgesetzt werden müssen, sollte eine nachhaltige KI-Strategie sie bereits jetzt berücksichtigen.
«Für Schweizer Unternehmen, die KI-basierte Lösungen in der EU anbieten, einsetzen oder deren Ergebnisse dort nutzen, ist es essenziell, sich mit dem EU AI Act auseinanderzusetzen», lässt sich Hansjörg Süess, CEO von Adesso Schweiz, in einer Medienmitteilung zitieren. «Doch auch für andere Unternehmen kann es durchaus sinnvoll sein, sich mit den Vorgaben zu beschäftigen, da sich eine mögliche Schweizer KI-Regulierung am EU AI Act orientieren wird – ganz so wie sich das neue Bundesgesetz über den Datenschutz an der Datenschutz-Grundverordnung der EU orientiert.»
Obwohl es mit dem Wissen über den EU AI Act noch hapert: Dem Thema GenAI messen die Befragten eine sehr hohe Bedeutung bei. So sehen 75 Prozent der Befragten aus der Schweiz in der Technologie eine Chance für das eigene Geschäftsmodell. Die Erwartungen sind hoch, der Optimismus gross, wie es weiter heisst. Angesichts dieser positiven Grundhaltung überrascht die negative Einschätzung der eigenen GenAI-Position: 18 Prozent sehen das eigene Unternehmen nur «ausreichend», 26 Prozent sogar nur «mangelhaft» auf GenAI vorbereitet. In den mehr als anderthalb Jahren seit Veröffentlichung von ChatGPT ist es fast der Hälfte der Schweizer Unternehmen nicht gelungen, sich vernünftig zum Thema GenAI zu positionieren.
Dass viele Unternehmen schlecht vorbereitet sind, zeigt sich in weiteren Umfrageergebnissen: Bei der Frage nach den grössten Hürden bei der Einführung von GenAI-Anwendungen nennen 32 Prozent der Schweizer Befragten die mangelnde Qualität oder Quantität der eigenen Daten. Damit stellt dieses Thema in den Augen der Befragten ein grösseres Problem dar als beispielsweise die Qualität der generierten Antworten (30 Prozent sehen dies als Hürde) oder die Kosten des Projekts (16 Prozent). Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Prozesse rund um die eigenen Daten in vielen Betrieben zu kurz kommen, so Adesso weiter. Dabei sind das systematische Sammeln, Prüfen, Aufbereiten und Verteilen die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Einführung und Verwendung von GenAI-Anwendungen. Nur wenn Unternehmen diese dringend notwendigen Grundlagen im Rahmen einer Datenstrategie und mittels eines Data Governance Framework schaffen, sind die selbstgesteckten Ziele erreichbar: Immerhin 72 Prozent der Entscheider geben an, dass ihr Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten ein System mit Generativer KI implementieren will.
«KI funktioniert nur mit Daten, und wie gut die Ergebnisse von KI-Systemen sind, hängt letztlich direkt von der Verfügbarkeit relevanter und ausgewogener Trainingsdaten in ausreichender Menge ab», erklärt Süess. «Um KI-Projekte erfolgreich umzusetzen, ist daher ein durchdachtes Datenmanagement unerlässlich und sollte entsprechend Zeit und Budget erhalten.»
Umfragemethodik
Adesso hat im November 2023 und im Mai 2024 zwei Umfragen zum Thema GenAI in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Insgesamt nahmen 778 Verantwortliche aus Unternehmen an den Befragungen teil.